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  • Day 28

    Gedankengefängniss

    April 25, 2021 in Germany ⋅ ⛅ 13 °C

    Da ist etwas in mir, dass sich gross anfühlt, wie ein gefüllter und dennoch wolkig leichter Raum unter meiner Haut. Ich spüre eine sanfte Bewegung, ein sich umwälzen, ein wirblen und gleiten. Dieses Etwas in mir ist aufmerksam und wach, nimmt jede Schwingung, jede Veränderung im Raum und verwandelt sie in Empfindungen und Erleben, in Lebendigkeit. Mir ist fast so, als hätte ich einen Schieber entdeckt und hätte diesen in einem Moment der bewussten Wahrnehmung und Neugier nach oben geschoben. Was mag nun geschehen?

    Alles fühlt sich intensiver an. Ich spüre kontaktlose Berührung, ein wohliger Schauer der mich weckend, fast elektrisierend durchfährt. Ich fühle mich frei und wirklich. Als hätte ich ein Stück Realität entdeckt, dessen fehlen mir nur im Fühlen bewusst war. Als hätte sich mein Leben um eine Farbpalette erweitert, als wäre ich zu ungeahnten Tiefen hinabgetaucht, in der sich nun ganz neues Universum für mich erschliesst. Ein Gefühl der Sanftheit ist in mir spürbar und ganz deutlich, als hätte sich ein Nebelschleier gelegt, als hätte sich der Kontakt zu mir verfestigt und würde nun klarer und stärker fliessen. Wieviel deutlicher liegen meine Bedürfnisse nun vor mir. Ich nehme wahr, wenn ich etwas bewusst intensivierte oder unterdrücke aber auch wenn etwas mich überfordert oder überstimmuliert. Ich spüre die Freude und Herzlichkeit, welche andere Menschen umgibt, die Liebe und das Mitgefühl, das sie ausstrahlen. Es lässt mir Tränen in die Augen steigen. Nicht der Trauer, sondern der Berührtheit und der Schönheit, die ich in diesen Gaben und Geschenken verspüre.

    Auch der Weg, der noch vor mir liegt, ist für mich deutlicher zu erkennen, leuchtet fast wie ein Weg aus hellem Kieselstein in einer klaren Vollmondnacht. Es schwingt ein Ja in mir dafür, wie ich hier gerade bin.
    Ein Ja, wie ich es mein Kopf nicht erschaffen könnte, ein Ja ohne Zweifel, ein Ja das sich ganz und vollkommen anfühlt, bedingungslos ist und aus tiefstem Herzen an die Oberfäche dringt. Ich bin hier an diesem Ort, zur richtigen Zeit, mit den Themen die genau jetzt anstehen und den Menschen, die mich darin unterstützen können. Auch fühlen sich die Themen, die oft so verschüttet und schwer erscheinen, etwas leichter an. Als hätte sich der Raum gestreckt und es mir nun möglich macht, sie ausgraben und anschauen zu können. Ich fühle mich wie ein Heisslauftbalon, der noch am Boden ist, aber dessen Gewichte glockert und teilweise abgeworfen wurden, der ein Bedürfniss verspürt zu fliegen.
    Ich sehe deutlicher als sonst, dass auf meinem Weg noch einiges an Balast vorhanden ist, entdecke immer wieder neue Fragmente davon, die angeschaut, integriert, akzeptiert oder abgeworfen werden wollen, die sich bisweilen vor mir versteckt und doch belastet haben. Dass noch einiges an Trauer, Wut, Angst aber auch Freude auf meinem Weg liegt, der mich von den Teilen meiner Vergangenheit befreit, die mich fesselt und hemmt. Dass all diese Teile dazu beitragen, mich selber besser zu spüren und zu verstehen und mich darin bestärken weiter zu wachsen und zu suchen. Sie sind wie ein dunkler Spiegel, in dem ich mich, sofern ich den Mut aufbringe in anzusehen, selbst erkennen kann. Sie sind Schloss und Schlüssel zugleich.

    Mein Kopf ist die Tage ganz still und leer. Er wird für das, was ich hier tue nicht gebraucht. Wie oft war ich in seinem Bann gefangen, war seiner ununterbrochenen Strom hilflos ausgesetzt, wurde überschwemmt von Gedanken, die mir eigentlich nicht dienlich sind und Kreise drehen. Er sollte Werkzeug sein. Wie lange habe ich mich als Sklave gefühlt und nicht erkannt, dass er eigentlich Diener ist. Ich bin mir sicher, dass diese Stimme bald wieder da sein wird, sich aufschwingt und ich mich wieder mit Mühe schwimmend über einen Ozean der Gedanken bewegen werde, dass dieser Zustand der Klarheit und Leichtigkeit verblassen wird. Ich werde diese Fesseln noch oft sprengen, meine neue Rolle noch oft wiedererkennen und wieder verlieren müssen, um am Ende wirklich bei mir sein zu können. Doch nun kenne ich seinen Duft, die Farbe der Tür, die diesen Zugang ermöglicht, kenne das Gefühl und die Möglichkeit einer Welt, in der es anders ist. Ich werde mich daran erinnern. Und es immer und immer wieder versuchen. Ich bin zur Freiheit geboren. Und die Frage ist nicht ob, sondern viel eher wann ich sie mir gänzlich nehmen und erlauben werde.
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