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  • Day 4

    Der Wind ist der Endboss

    June 13, 2020 in Germany ⋅ ⛅ 23 °C

    Es gibt in vielen Familien zwei Geschwister. Oft ist es so, dass sich beide so extrem unterscheiden, dass sie fast Gegenpole sind:

    Dem einen fliegen die Herzen zu, alle Lieben Ihn und ihm gelingt alles. Der wird vielleicht Banker, Steuerberater oder irgendwas anderes Fröhliches.

    Der andere bekommt immer die Schimpfe ab, muss sich alles im Leben erkämpfen und beißt sich durch. Der wird gern genommen als Türsteher auf Sankt Pauli, spart sich ne Harley vom Munde ab und wird nach der abgebrochenen Schule Dachdecker.

    Genau so gibt es beim Radfahren zwei Brüder:

    Der eine heißt Flow. Alles geht leicht, der Wind trägt Dich und der Reifen und die Kette schnurren wie durchgekraulte Katzen. Der Kopf erreicht einen Zustand des Zen, alle Gedanken fern und die Kilometer fliegen auf Himmelsschwingen vorbei.

    Dessen dunkler Bruder heißt Grimm. Der Wind drückt von vorne, die Beine brennen, der Schotter knackt höhnisch und die Knie weinen. Die Kilometer hängen an den Pedalen wie ein Kind am Arm der Mutter in der Quengelzone. Die Energie fließt aus Dir heraus wie im Angesicht einer Rotte Dementoren. Auch beim Grimm erreicht der Kopf einen Zustand ohne Gedanken, allerdings aus unterdrücktem Schmerz. Wie sitzen im japanischen Kloster. Manchmal wischt man aufkommene Gedanken fort wie: das Gras neben Dir ist so weich... einfach fallen lassen... das Wasser neben Dir ist so kühl... einfach hineinspringen... Aber Du schiebst sie fort wie ziehende Wolken.

    Auf dieser Strecke begleitete uns der Grimm.
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