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    March 6, 2019 in Canada ⋅ ⛅ -7 °C

    Es ist nun schon ein paar Tage her, dass ich von meinem wahnsinnig spannenden Leben hier in Kanada berichtet habe ;-) Wie geht es wohl "Kung-Fu-Chicken"? 

    Heute ist tatsächlich mal was sehr aufregendes passiert. Also für mich aufregend, da ich meinen Lieblingstieren bei ihren Streifzügen zusehen konnte und sie aus der Nähe beobachten - Adlern. Als Kevin mich fragt, ob ich gerne Adler beobachte, meine ich nur: "ja, manchmal schon", an Steinadler und Mäusebussarde denkend. Als ich dann aus dem Gewächshaus komme, kann ich meinen Augen nicht trauen, sitzen da tatsächlich zwei riesige Weißkopfseeadler in den Bäumen! Was für majestätische Wesen!!! Ich gehe auf einen zu, damit der sich in die Lüfte erhebt und wahnsinn, was für einen Flügelspannweite!! 

    Ansonsten fühle ich mich endlich angekommen in Kanada, habe Vormittags meine Routine im Hühnerstall gefunden. Ich beschütze weiterhin "Kung-fu-Chick", die mittlerweile überhaupt keine Angst mehr vor mir hat und die ich sehr in mein Herz geschlossen hab. Ich mache auch immer mehr im Gewächshaus. Wobei mir das jetzt nicht soooo viel Freude bereitet, wie anderen Leuten. Als ich an einem Tag mit Shane, einem Helfer, die Ernte für den folgenden Samstag erledige, ist er total in seinem Element: "Ich könnte das den ganzen Tag machen." Ich habe schon nach 5 Minuten keine Lust mehr :-D Also im kleinen Rahmen, wie in unserem Schrebergarten stelle ich mir das toll vor. Aber kommerziell? Einpflanzen und Ansähen macht mir übrigens mindestens genauso viel Spaß wie ernten (hehe). Mit guter Kizomba-Musik und meinem Hörbuch in den Ohren lässt es sich aber im 30° warmen Gewächshaus bei den Minustemperaturen, die draußen vorherrschen ganz gut aushalten. 

    Damit ich fit bleibe geh ich 2-3x die Woche joggen und hab über den Hof verteilt verschiedene Orte gefunden, die ich als Trainingsgeräte nutzen kann. Außerdem mach ich für 3 Wochen eine Yoga-Challenge. Es gibt also keine Ausreden, wenn ich beim Spartan Race im Juli, für den ich mich endlich angemeldet hab, nicht fit bin ;-)

    Die Wochenenden, die ich normalerweise frei habe, möchte ich nutzen, um die Gegend zu erwandern. Eines der Autos der Familie darf ich dafür nutzen. Bisher gab es jedoch immer Sturmwarnungen. Dann begleite ich Al auf den Markt in Wolfville. 

    Letzten Samstag Abend gehts dann zu Nachbarn auf eine Geburtstagsfeier. Als ich nach dem Abendessen die 15 Minuten die Straße lang laufe ist mir irgendwie mulmig. Hier gibt es doch Kojoten! Und letztes Jahr wurde offenbar eine Frau angegriffen und getötet. Und da war auch dieser Jogger, der in den USA von einem Puma angegriffen worden ist und diesen mit seinen bloßen Händen tötete. Ich denke an meine Zeit in Südamerika zurück, als ich mich auf den Straßen in Quito (sogar tagsüber) unsicher gefühlt hab, weil dort Überfälle auf der Tagesordnung stehen. Wie sicher es doch im reichen Deutschland ist, in dem wir alle wilden Tiere ausgerottet haben.

    Ich erreiche das Haus aber ohne Zwischenfälle, lerne die halbe Nachbarschaft kennen und  treffe auf das Spiel, das mir Kevin letzte Woche bereits beigebracht hat: Crokinole. Mich erinnert das Spiel sehr stark an Curling(bzw. Eisstockschießen), daher wundert es mich nicht, dass hier alle verrückt danach sind. Irgendwie macht es schon Spaß. Ist halt nicht unbedingt ein Reisespiel bei einem Durchmesser des Spielbretts von 66cm.  

    Am Sonntag lasse ich mich dann von Al und Linda (Al's Frau) mit in die Kirche schleifen. Ich lerne viele nette und interessante Leute älteren Semesters kennen und einen Gottesdienst, wie er unkonventioneller nicht sein könnte. Der 30jährige "Minister" tanzt mit den Kindern und rennt mit seinem Mikro wie ein Comedian durch die Kirche. Danach gibt es Kaffee und Kekse. Beim anschließenden Essen sprechen wir über Politik und Neufundland. Ich bekomme viele Tipps für mein nächstes Reiseziel. Nach einem Nickerchen (der Geburtstag hatte sich doch etwas in die Länge gezogen) gehe ich zum Strand joggen und schon ist wieder ein Wochenende vorüber. 

    Ich bin nun genau seit einem Monat hier in Kanada. Mir gefällt mein Farmleben sehr, auch wenn ich es besser fände, weniger Tiere versorgen zu müssen. Nicht wegen der anfallenden Arbeit, sondern damit es den Hühnern besser ginge. Es ist keine Massentierhaltung per Definition, die Tiere haben genug Platz, können scharren und haben Rückzugsmöglichkeiten. Aber es sind dennoch zu viele. 

    Insgesamt sind die Hühner ruhiger geworden seit ich das erste Mal den Stall betrat. Das liegt nicht daran, dass sie in meiner Obhut sterben. Bisher hab ich erst 2 tote Hühner aus dem Stall entfernt. Eines ist an Altersschwäche gestorben, das andere leider nicht. Dann freuen sich die Wildtiere über einen Kadaver (und nachdem ich heute die Adler gesehen hab, hoffe ich, dass der Schnee bald schmilzt, ich die alten Hühner aus dem Stall lassen kann und die Adler vielleicht das ein oder andere als Futterquelle nutzen können, nachdem es davor noch ein paar schöne Tage in Freiheit hatte). Ich denke, die Hühner haben sich an mich gewöhnt. Neuerdings singe ich immer für sie. Warum ich mit "Yesterday" von den Beatles angefangen hab, weiß ich nicht (wir haben das immer in der Schule gesungen).

    Auf jeden Fall ist es spannend, die Tiere zu beobachten und ich bin froh, dass ich im Winter hier bin, und nicht so viel zu tun ist, dass ich mir nicht die Zeit dafür nehmen könnte.

    Meine Planungen für die Weiterreise sind nun auch fast abgeschlossen. Ab 1. April werde ich in Neufundland mein Unwesen treiben. Und auch ab Juli hab ich schon eine feste Stelle, auf die ich mich besonders freue :-) Ob ich bis dahin mit dem Auto reise, mit dem Zug, Fähre, trampe - das steht alles noch in den Sternen...
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