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  • Day 6

    Der Jungbrunnen

    May 12, 2022 in Turkey ⋅ ⛅ 12 °C

    Ich schulde Euch ja noch ein paar Eindrücke aus dem Hammam. Man möge mir verzeihen, dass der Text nicht zu diesem Foto passt.

    Was erwartet den geneigten Gast in einem türkischen Bad? Viel Schweiß, viel Wasser, kräftig zupackende Bademeister und Berge von wundervollem Badeschaum, der schöner prickelt als ein Schöfferhofer im Bauchnabel.

    Erst einmal geht es aber auf den heißen Stein. Inmitten eines großen Oktaeders befindet sich eine beheizte Liegefläche aus Marmor, auf der man auf Temperatur gebracht wird. Von der Kuppel über einem perlt in dicken Tropfen kondensierter Dampf. Ab und zu kippt der Bademeister einen Schwall kühlen Wassers über die Dösenden, deren Kerntemperatur allmählich von bloody in Richtung medium rare tendiert.

    Anschließend nimmt man auf dem Steinboden neben einem der mächtigen Waschbecken aus Marmor Platz. Reichliche Gaben lauwarmen Wassers, die der Bademeister schwungvoll aus einem suppentellergroßen Messingnapf über die Männer kippt, spülen den Schweiß vom Leib und kühlen die Körper. Mit einem schmirgelpapierartigen Handschuh bearbeiten die muskulösen Bademeister dann fast jeden Zentimeter Haut. Satte Schläge auf den Rücken werden von der Hammam-Kuppel zu Donnerhall verstärkt und klingen so monumentaler, als sie sich anfühlen.

    Den mit Abstand größten Wohlfühleffekt aber erzeugt die nun folgende Schaumparty. Aus einem Blechzuber schöpfen die Bademeister mit feinen Stoffreusen im Kartoffelsackformat duftendes Seifenwasser, das sich dank kunstvoller Handgriffe zu veritablen Schaumbergen auf den Leibern türmt. Das Platzen der zarten Bläschen erzeugt das eingangs erwähnte Prickeln auf der Haut - ein grenzenloses Plaisier.

    Der Spülgang mir kaltem Wasser aus dem Messingschöpfblech läutet den Abschluss ein - Kneipp lässt grüßen. Zum Finale befreit der Bademeister seine Kundschaft vom Lendenschurz und wickelt sie von Kopf bis Hüfte in Handtücher. Derart verhüllt empfängt der Gast im Vestibul ein Glas Tee und gibt sich wohliger Entspannung hin - es sei denn, er hat den Pasha-Service gebucht. Dann folgt noch eine Massage, die es in sich hat.

    Nach gut zwei Stunden fühlt man sich nicht nur gründlich sauber, sondern von den Haarspitzen bis zu den Zehennägeln runderneuert. Und fragt sich, warum es solcherlei Körper-Dienstleistung nicht bis in unseren Kulturkreis geschafft hat.
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