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  • Day 135

    Paradies im Pazifik: Hawaii

    January 19, 2020 in the United States ⋅ ⛅ 23 °C

    Dass ich einmal zur Zeitreisenden werden würde, hätte ich mir selbst nicht träumen lassen. Gut, ich konnte zwar nicht wie gewünscht ins Antike Griechenland oder Römische Weltreich zurückkehren, dafür jedoch einen Tag zwei Mal erleben.
    Vergangenen Sonntag frühstückte ich zum letzten Mal in der südlichen Hemisphäre und startete in den Tag, bei dem ich nachmittags um halb fünf in Melbourne in den Flieger stieg. Aus genau jenem stieg ich Sonntag Morgen bei Tagesanbruch auch wieder aus - 9000 km weiter und jenseits der Datumsgrenze in Honolulu, Hawaii.
    Mein "zweiter" Sonntag gefällt mir in der Tat sehr viel besser, denn statt stundenlangem Warten am Flughafen sitze ich morgens in einem amerikanischen Diner, bekomme Omelett und Toast von einer Bedienung serviert, die mit ihrer Schürze und der Kanne voll Nachfüllkaffee in der Hand wunderbar meine Klischeevorstellungen von Amerika erfüllt. Die Zeit bis zum Check-In im Hostel verbringe ich am berühmten Waikiki Beach und erfreue mich an dem allgegenwärtigen, fröhlichen "Aloha-Spirit". Aloha war das erste Begrüßungswort am Flughafen und begleitet mich während meines Aufenthalts beim Betreten eines jeden Supermarkts, Cafés oder Foodtrucks. Die zahlreichen japanischen Männergruppen in ein und demselben Hawaiihemd haben zwar ein wenig etwas von Malle-Feeling, wenngleich Japaner viel zu höflich sind, um sich derart daneben zu benehmen wie manch Deutscher auf seiner Lieblingsinsel. Aber auch Busfahrer, Rezeptionisten, Restaurant-, Bar- und Supermarktmitarbeiter kleiden sich in den bunten Hemden, die gar nicht anders können, als Fröhlichkeit zu verbreiten.
    Die nächsten fünf Tage bin ich pausenlos mit meiner sympathischen Reisebekanntschaft aus der Schweiz unterwegs und wir haben schnell eine tägliche Routine aus Wanderungen zu Vulkankratern, alten Militärspähpunkten oder anderen Aussichtspunkten am Morgen und tollen Strandaufenthalten rund um die Insel am Nachmittag, kombiniert mit leckeren Snackpausen, gefunden.
    Erneut werde ich zur Zeitreisenden, als wir zum Ort des Geschehens vom 7. Dezember 1941, zurückkehren. Ich bin in Pearl Harbor. Die Ereignisse des Tages, die zum Kriegseintritt der USA führten, werden in einem 25-minütigen Film knapp dargestellt, bevor es zu den Resten der gesunkenen "Arizona" übers Wasser geht. Unser Boot hält mitten im Hafen an, die amerikanische Nationalhymne läuft, die Matrosen, Marines und was auch immer ziehen ihren Hut, es herrscht Schweigen, die Sonne spiegelt sich in der ruhigen Wasseroberfläche, es ist ein herrlicher Tag. Eigentlich. Denn danach betreten wir die über dem gesunkenen Schiff errichtete Gedenkstätte und ein mulmiges Gefühl stellt sich ein bei dem Gedanken, sich auf einem Friedhof zu befinden, an einem Ort, in dem über 1000 junge Soldaten ihr Leben verloren. Noch knapp 70 Jahre später tritt immer noch Öl aus dem Wrack aus und neben einem hässlichen Ölteppich an der Wasseroberfläche steigt einem noch immer der Geruch in die Nase. Wir erfahren, dass zuletzt vor drei Wochen eine Beisetzung genau hier stattfand von einem der letzten Überlebenden des Angriffs.
    Zurück in der Gegenwart bringt uns die zweite Tageshälfte auf die Westseite der Insel, wo wir nach einer anstrengenden Wanderung einen spektakulär perfekten Sonnenuntergang über dem Meer beobachten dürfen.
    Waikiki begeistert die restliche Zeit mit abendlichen Hula-Shows am Strand, einem Feuerwerk zum Wochenende, klarem Wasser, einem glitzernden Ozean voller Wale und Delfine, bunten Hemden wohin man auch schaut und perfekten Strandbedingungen.
    Weniger begeistern mich die gesalzenen Preise für nur mäßigen Standard oder Service bei Unterkunft und Verpflegung, während mich gleichzeitig die hohe Zahl an Obdachlosen schockiert. Klar sind das Klima mild und die Nächte warm, der Strand bietet öffentliche Duschen, Toiletten und Trinkwasserbrunnen, was ein Leben auf der Straße "erträglicher" macht als in vielen anderen Orten der USA, dennoch beschäftigt mich die Frage, was schief läuft, wenn eine so hohe Anzahl von Menschen außerhalb der Gesellschaft leben muss. Während ich also einerseits zehn Tage in Folge die unglaubliche Schönheit von der ins Meer fallenden Sonne bestaune, weiche ich gleichzeitig suspekten Persönlichkeiten aus, die an der Strandpromenade rumlungern oder einem mit der leeren Schnapsflasche entgegenschwanken, lautstark Verschwörungstheorien verbreiten und versuche den permanenten Grasduft zu ignorieren (die Rede ist nicht von einer Blumenwiese).
    Mein Aufenthalt auf O'ahu gehört trotz der allgegenwärtigen Grausamkeit menschlichen Daseins definitiv zu den Highlights meiner bisherigen Reise und überzeugt schlichtweg mit der gewaltigen Schönheit der dort einmaligen Natur, die frei von ekligen Spinnen oder giftigen Schlangen ist und stattdessen mit grün bewachsenen alten Vulkankratern punktet.
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