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  • Day 60

    Update nach dem nächsten Monat

    October 23, 2019 in Ecuador ⋅ ☁️ 9 °C

    Hallo zusammen, ich freue mich euch mal wieder etwas mitteilen zu können.
    Nun ist schon wieder fast ein Monat vergangen, seid ihr das letzte Mal hier auf meinem Blog etwas von mir gehört habt. So häufig wie am Anfang werde ich wahrscheinlich nicht mehr schreiben, aber wer weiß was in der Zukunft noch passiert!

    Jetzt erstmal der Reihe nach:
    Viele von euch haben wahrscheinlich auch etwas von der Situation hier in Ecuador mitbekommen. Das Ganze war ja auch in den deutschen Nachrichten und dem ein oder anderen habe ich schon etwas davon erzählt.

    Seit dem 03.10.2019 hat sich Ecuador in einem Ausnahmezustand befunden, der für 60 Tage gelten sollte. Grund dafür war, dass es nach der Abschaffung der Diesel-und Benzinsubventionen zu Protesten gekommen ist, die in vielen Fällen in Gewalt ausarteten. Durch die Abschaffung sind die Diesel- und Benzinpreise rasant in die Höhe geschossen, was natürlich Empörung in der Bevölkerung auslöste! Vor allem in den Städten kam es zu großen Demonstration, wobei Polizei und Militär eingesetzt wurden. Genauere Infos könnt ihr sonst auch noch im Internet finden.
    Inzwischen sind die Proteste schon seid mehr als einer Woche beendet, da es zu einer Einigung gekommen ist. Präsident Lenin Moreno nahm die Streichung der Subventionen zurück. Somit hat sich die Lage inzwischen wieder beruhigt.

    Jetzt dazu was ich davon so mitbekommen habe.
    Von den Protesten an sich habe ich nichts mitbekommen. Unser Gastvater hat uns immer Videos und Fotos aus den Städten, vor allem Quito, gezeigt. Ich war echt geschockt diese großen aufgebrachten Menschenmassen zu sehen, die Gewalt und das sogar Panzer in den Städten herumfuhren war dann auch sehr befremdlich. 😅Es gab natürlich nicht nur gewaltsame Proteste, das muss ich hier mal klarstellen. Im Endeffekt sind aber Menschen gestorben und viele auch festgenommen worden. Klar in anderen Ländern passiert soetwas auch, zum Teil noch viel schlimmer, aber gerne genau in zu dem Zeitpunkt in dem Land zu leben, lässt einen auch mehr über die Situation nachdenken. Ich konnte das gar nicht so richtig realisieren.
    Wie gesagt live habe ich nichts von den Protesten mitbekommen, aber von den Auswirkungen allerdings schon. Es fing damit an, dass wir am Freitag nicht in die Schule gegangen sind, da landesweit schulfrei war, aufgrund der Situation.
    Die Busse und Taxis streikten und versperrten zusammen mit anderen Autos und Menschen die Straßen. Am Samstag fand das Colegio im Ort jedoch statt. Das war richtig überraschend für uns, weil alle vorher davon ausgingen, dass dies auch ausfallen würde. So klopfte es morgens um 6 Uhr an unsere Haustür und ich öffnete noch etwas verschlafen. Daraufhin kamen zwei Cousinen meiner Gastschwester hinein und erklärten uns, dass wir heute zur Schule gehen müssten. Ein bisschen unvorbereitet sind wir dann auch dieser Anweisung nachgegangen. Viele Lehrer haben allerdings gefehlt...
    In der Woche darauf hatten wir nicht viel zu tun. Wir fragten unsere Gastfamilie immer wieder, ob wir nicht bei etwas helfen könnten. Das war aber meistens nicht der Fall. An einem Tag waren wir Kartoffeln ernten, an einem anderen das Dach des Meerschweinchenhauses reparieren. Zwischendurch haben wir immer mal wieder kleine Sachen gemacht, aber wie gesagt, viel zu tun gab es nicht. So habe ich mich dann ein bisschen mit der Spanischgrammatik und mit meiner Zukunft in Deutschland beschäftigt(Ausbildung, Studium), gelesen und mit meiner Gastschwester gespielt. Immerhin hat das Wetter mitgespielt! Manchmal habe ich mich dadurch echt unnützlich gefühlt und hatte das Bedürfnis unbedingt etwas machen zu wollen. Mit Langeweile kommt ja bekanntlich auch das Heimweh und so habe ich mir an einigen dieser Tage gewünscht wieder in Deutschland zu sein. Mir ging es echt nicht gut und habe mich gefragt, was ich falsch mache, aber natürlich hatte ich dann auch immer wieder Lichtblicke.
    Einer davon war unser Ausflug zum Wasserfall.
    Unsere Gastfamilie war für drei Tage in Quito bei den Protesten. Am ersten Tag ihrer Abwesenheit haben wir mit zwei Cousinen und zwei Cousins eine Wanderung zu dem Wasserfall gemacht(zwei Kilometer entfernt). Die beide Cousinen sind 16 und 18 Jahre alt und die jüngere arbeitet ja auch in der Woche bei uns. Ihre Brüder sind noch jünger, ich glaube zehn und sieben Jahre alt und echt richtig goldig. Immer wenn wir an deren Haus vorbeigehen, rufen sie meinen Namen.
    Auf dem Weg dorthin haben wir uns dann ein bisschen unterhalten, wobei ich natürlich mal wieder nicht zufrieden mit mir war. Ich wollte soviel mehr sagen! Aber naja das kommt noch mit der Zeit. Angekommen beim Wasserfall sind wir dann eine Schlucht hinunter gestiegen, wobei ich mehrmals fast hingefallen bin... Unten angekommen sind wir dann barfuß durch den kleinen Bach gewartet und haben viele Fotos beim Wasserfall gemacht. Die Landschaft und das Wetter waren echt klasse und ich war in dem Moment echt richtig glücklich. Wir haben viel zusammen gelacht. :)

    Eine andere Auswirkung die wir mitbekommen haben: Wir mussten Sprit sparen. Nach der Kartoffelernte mussten die Kartoffeln somit mit der Schubkarre zu unserem Haus transportiert werden, was normalerweise das Auto übernimmt. Gonzalo, also mein Gastvater, tat mir schon ein bisschen leid, es waren echt nicht gerade wenige Kartoffeln.😅
    Zudem haben wir besonders zum Ende hin auch etwas von der Lebensmittelknappheit mitbekommen. Unsere Gasteltern konnten aufgrund der Proteste und Straßensperrungen nicht nach Latacunga fahren, um wie gewohnt die Einkäufe zu erledigen. Somit konnten wir am Ende nur noch etwas in unserem Dorf kaufen und das ist wirklich nicht groß. Alice und ich haben gesehen, wie die Lebensmittel im Kiosk einfach nicht mehr nachgefüllt wurden. Wir hatten noch Essen im Hause, so ist das nicht, aber unsere Portionen waren teilweise schon kleiner und wir hatten einfach nicht mehr viel im Haus. Dafür konnte meine Familie hier ja aber nichts. Generell haben in Ecuador Straßensperrungen für Versorgungsengpässe gesorgt, vor allem in der Region Otavalo und Quito, aber auch in anderen Städten. Die Läden waren zum Teil einfach leer gekauft.

    Am Sonntagabend haben wir dann mit unserer Gastmutter am Kamin die entscheidene Konferenz geguckt auf ihrem Handy. Die hat nämlich im Endeffekt dazu geführt, dass die Proteste geendet haben. Wie gesagt die Streichung wurde zurückgenommen. Zu dem Zeitpunkt, also am Sonntag, war uns das aber noch gar nicht bewusst. Ich war einfach nur froh, dass ich mehr verstehen konnte als gedacht. Natürlich war mir bewusst, dass über die Situation in Ecuador diskutiert wird. Da wir das aber nicht Zuende geguckt haben, war die Überraschung am Montag umso größer. Morgens auf dem Weg zum Bad verkündete mein Gastvater mir, dass die Proteste aufgehört haben und wir am Dienstag wieder zu Schule gehen können. Das hat mich echt glücklich gemacht und im ersten Moment konnte ich es gar nicht glauben! Ich konnte wieder in die Schule gehen, eventuell mal irgendwo hinfahren und natürlich habe ich mich für die Menschen hier gefreut.
    Kurz danach haben wir erfahren, dass wir sogar schon am gleichen Tag die Möglichkeit haben würden woanders hinzufahren. Gonzalo fragte uns, ob wir Lust hätten mit nach Latacunga zu kommen. Von uns kam daraufhin natürlich ein klares ja, sodass wir uns gleich nach dem Frühstück auf den Weg machten. Zwischendurch sammelten wir dann noch zwei weitere Personen ein. Somit saßen wir zu viert auf der Rückbank. Das ist aber ganz normal hier, jedenfalls in der Region, wo ich lebe. Kinder und Erwachsene fahren teilweise auf der Ladefläche der Autos mit und Anschnaller scheint für viele hier ein Fremdwort zu sein. Das ist nicht böse gemeint, sondern einfach nur eine Beobachtung.
    Nach ein bisschen mehr als zwei Stunden Fahrt, kamen wir dann schließlich in Latacunga an. Definitiv mehr Autos und Menschen als im Dorf und viele Läden in denen ich gerne eingekauft hätte! 😂
    Noch kurz zu der Fahrt: Auf dem Weg waren sehr viele Straßensperrungen, die noch von den Demonstration stammten. Teilweise waren Bäume einfach gefällt worden, Sandberge lagen auf den Straßen oder große Steine hinderten uns daran weiterzufahren. Viele Menschen waren aber glücklicherweise mit den Aufräumarbeiten beschäftigt und wir hatten eine Motorsäge dabei, die uns dabei half, den Weg freizumachen. Teilweise haben Alice und ich auch mitgeholfen.
    Jetzt wieder der Sprung nach Latacunga. Als allererstes sind wir in einem Restaurant Essen gegangen. Das war das erste Mal, das wir sowas mit ihnen gemacht haben und dementsprechend fröhlich und nervös war ich. Wir bestellten uns das Mittagsmenü, das aus einer Suppe und einem Teller mit Hühnchen und Reis bestand. Sehr lecker und damit ein echt guter Start!
    Danach war es hauptsächlich eine Autotour. Die Mutter und der Vater stiegen manchmal aus, um schnell etwas zu kaufen, aber einer blieb immer im Auto. Alice und ich sind dann einmal mit Doris und der Mutter auf einen Markt gegangen, während der Vater im Auto blieb. Auch wenn mir die ganzen Blicke unangenehm waren, fand ich es gut dorthin mitgekommen zu sein. Ich fühlte mich schon ein bisschen besser als ich die Einkaufstüten tragen konnte. Generell war der Markt nicht sehr groß und es wurden hauptsächlich Lebensmittel verkauft.
    Auch wenn ich Latacunga überwiegend aus dem Auto gesehen habe, bereue ich es auf gar keinen Fall mitgekommen zu sein. Es war einfach mal eine willkommen Abwechslung. Ich weiß das ist alles sehr oberflächlich, was ich schreibe, aber wenn ich bei jeder Sache ins Detail gehen würde, dann würde das alles viel zu lang werden. Wenn ihr irgendwas genauer wissen wollt oder Fragen hat, dann fragt mich ruhig. :)
    Auf der Rückfahrt hat Doris dann auf meinem Schoß geschlafen und mir sind auch ein paar Mal die Augen zugefallen.

    Inzwischen bin ich ja wieder seit zwei Wochen in der Schule und es ist gut etwas zu tun zu haben, auch wenn ich immer noch sehr häufig etwas verzeifelt bin. Da mein Spanisch nun noch weit von dem Wort Perfektion entfernt ist, habe ich manchmal Probleme den Schülern zu vermitteln, was ich von ihnen möchte. Ich freue mich aber nach wie vor, wenn etwas geklappt hat und wenn die Schüler mich fragen, ob ich Lust habe etwas mit ihnen zu spielen.
    In der Schule am Samstag ist es momentan nicht so toll. Mir kommt es teilweise so vor, als ob die Schüler einfach keinen Respekt vor uns haben und kein Interesse daran haben etwas zu lernen. Das haben wir jetzt auch mal angesprochen, in der Hoffnung, dass sich etwas ändert.
    Mal sehen was die Zukunft so bereithält...

    Wie man eventuell gemerkt hat, ist es hier für mich momentan ein auf und ab. Ich habe echt gute Tage, an denen ich zuversichtlich und fröhlich bin, aber auch Tage an denen ich lieber Zuhause wäre und wo ich das Gefühl habe, dass nichts läuft und ich alles besser machen muss. Meine Gastfamilie ist weiterhin super lieb zu Alice und mir! Vor allem die Abende als wir Stromausfall hatten und gemeinsam in der Küche gegessen haben, waren schön. Ich würde gerne noch mehr auf sie zugehen und mich besser integrieren, aber ich habe bemerkt, dass das auch einfach Zeit braucht!
    Bis jetzt habe ich noch nicht das Gefühl hier Zuhause zu sein. Nach zwei Monaten ist das aber denke ich noch völlig normal und ich meine ich habe ja noch zehn Monate hier. Ich fühle mich hier aber definitiv schon viel wohler als am Anfang!

    Das wars dann erstmal wieder von mir.
    Freut mich, dass ihr wieder Interesse hattet den ganzen langen Text zu lesen. :)

    Viele Grüße
    Nele
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