Satellite
  • Tag 3 gemeistert

    June 26, 2019 in Spain ⋅ ☀️ 30 °C

    Musstet ihr schonmal unter Tränen euren Rucksack auspacken, weil euch jemand beschuldigt hat, sein Portemonnaie geklaut zu haben? Wenn nein: herzlichen Glückwunsch -diese Situation ist echt alles andere als toll.
    Wenn ja: dann sind wir wohl Leidensgenossen. Aber ganz vom Anfang: Der Weg heute an sich war spitze, manchmal etwas steil, aber immer mit einer tollen Aussicht. Oben auf dem Berg angekommen (547 Höhenmeter) habe ich sogar einen Franzosen geholfen, sich zurechtzufinden (wenn der wüsste, dass ich von Forst nach Groß Kölzig mit Navi fahren muss, hätte er mich bestimmt nicht gefragt).
    Außerdem hat mir eine ganze französische Reisegruppe dabei zugesehen, wie ich über einen Holzzaun geklettert bin. Dafür erntete ich aber auch eine menge Daumen hoch.
    Dann ging es in die Stadt, wo ich heute nächtige „Pasaia“. Die Herberge, die nur 5 min entfernt sein sollte, stellte mir (und Mama) eine Aufgabe von über 1 1/2 Stunden. Blöd wenn man denkt, dass die Treppen hoch zu einem Restaurant führen, in Wahrheit aber der Weg zur Herberge sind.
    An der Herberge dann natürlich wie zu erwarten: „es tut uns sehr leid, aber wir sind für heute voll“. (Den Satz muss ich auch noch in meine Jakobswegdefinition aufnehmen). Netterweise rief die Herbergsdame einen Mann an, der mehr oder minder „schwarz“ noch Pilger bei sich aufnimmt, falls es eng werden sollte.
    Dankbar wie eh und je machte ich mich auf dem Weg zur anderen Herberge.
    Dort angekommen duschte grad eine Italienerin, während ich damit beschäftigt war mit Mama zu telefonieren und nicht das gesamte Bettlacken vollzuschwitzen (der Brunnen im Rosengarten kann sich noch was von meinen Schweißfontänen abschauen.)
    Als ich dann meine Wäsche gewaschen habe kam der Aufschrei der Italienerin: „mein Portemonnaie ist weg, jemand muss es gestohlen haben!!“ mit vereinten Kräften suchten wir danach (ich ließ für sie sogar meinen Schlüpper mit Rei in der Tube einweichen!), konnten es aber nicht finden. Schnell kombinierte sie 1 und 1 zusammen: Laura, DU warst ganz allein im Raum, als ich duschen war - du musst es gewesen sein!“
    Zuerst hielt ich es noch für einen Scherz, ich mein schaut mich an: verschwitzt, verdreckt und nach Luft ringend ist natürlich das erste was ich in der Herberge tue, fremde Portemonnaies zu klauen - geeenau! Und dazu kommt noch mein gefährliches aussehen - eine echte Mafiabraut eben. Leider war es kein Scherz. Ich hab ihr sogar angeboten, meinen Rucksack für sie zu öffnen - aber das wollte Möchtegern Sherlock Holmes dann auch nicht. Auch sie griff in ihrer misslichen Lage erstmal zum Universaltipp Nummer 1: Mama anrufen. Nachdem beide eine hitzige italienische Diskussion geführt haben, rief sie den Mann zu uns, der uns netterweise sein Haus mit zur Verfügung stellt, damit wir keine weiteren 6km zur nächsten Unterkunft laufen müssen. Und was tat Frau Trovato für arme nun? - richtig „SIE waren das - ich rufe jetzt die Polizei!“
    Bevor es aber soweit gekommen ist, rief der Mann erstmal den Besitzer der offiziellen Herberge dieses Ortes an, damit er vorbeikommt und wir die Sache vielleicht alle gemeinsam klären.
    Nach weiteren endlosen Diskussion verlangte der Mann der offiziellen Herberge nun von der Italienerin „wenn du wirklich glaubst, Laura hat dein Portemonnaie gestohlen, dann vordere sie jetzt ganz alleine auf, dass sie Dir ihren Rucksack auspackt“. Nach 5 Minuten hatte sie die Worte dann endlich ausgesprochen. Und ich? Ich stieß mental erstmal mit dem Kopf gegen die Tischplatte und physisch leider mit dem Kopf gegen den Dachbodenbalken (aua).
    Beim Auspacken überlegte ich kurz, ob ich noch zu jedem meiner Teile etwas sagen sollte, bzw lukrativer machen sollte: „Hier haben wir tolle Damenbinden, 25 Pack - noch ungeöffnet“.
    „Oh hier sehen wir einen getragenen Schlüpfer - extra für die Fetischisten unter uns“
    Während des auspackens verschlug sich meine QVC-Stimmung aber in Traurigkeit. Ich glaub das bekam der Mann der offiziellen Herberge auch mit, denn schnell nahm er mich in Arm und sagte: „das hast du wirklich Klasse gemacht“
    Die Umarmung löste eine ungeahnte Welle der Emotionen aus und schnell packte ich wild heulend wieder meine 7 Sachen zusammen.
    Als die Männer wieder gingen, bekam ich von jedem nochmal ein Daumen hoch und ein „das hast du wirklich super gemacht“
    Tja und jetzt liege hier und kann nicht schlafen, der Tag war zwar echt anstrengend, aber der Abend noch viel anstrengender.
    Aber morgen ist schon ein neuer Tag, der hoffentlich viel besser wird.
    Bis dahin sag ich Tschüss - euer Langfinger Rehs
    Read more