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  • Day 46

    Bambelela

    October 20, 2018 in South Africa ⋅ ☁️ 22 °C

    Eigentlich wollten wir nach den zwei Wochen Farmarbeit erst einmal reisen und entspannen. Delia, unsere Gastgranny auf Asher's Farm Sanctuary, erzählte uns jedoch von einer non-profit Affenauffangstation, die verwaiste oder verwundete Affen sowie Ex-Haustiere aufnimmt, mit dem Ziel diese wieder auszuwildern. Das hörte sich so verlockend an, dass wir uns im direkten Anschluss auf nach Bambelela machten, um dort als Voluntäre zu arbeiten. Maximal zwei Wochen Aufenthalt hatten wir uns fest vorgenommen, da wir noch so viel mehr von Südafrika sehen wollten. Ein paar Tage reichten allerdings aus, um unser Herz an diesen wundervollen Ort zu verlieren, so dass wir schließlich einen ganzen Monat dort verbrachten.

    Bambelela kümmert sich hauptsächlich um grüne Meerkatzen und vereinzelt auch um Paviane. An 6 Tagen in der Woche arbeiteten wir von 7:45 Uhr bis 17:00 Uhr. Die meisten Morgende begannen wir damit, Exkremente sämtlicher Art im Handicap von Kletterutensilien zu schrubben. Das Handicap ist das einzige Gehege, das man als Neuling betreten kann, ohne attackiert zu werden. Es beherbergt Meerkatzen, die auf Grund gesundheitlicher und psychischer Probleme nicht rehabilitiert werden können. Zum Beispiel ist Kingsley hier zu Hause. Ihm wurde in einer Silversternacht eine mit einem Böller präparierte Banane verfüttert, wodurch er Teile seines Kiefers, seinen Gehörsinn sowie seine Sehfähigkeit verlor. Eine weitere Bewohnerin des Handicaps ist die kleine Erna. Sie kam nach  Bambelela, nachdem ihre Mutter in einem Verkehrsunfall gestorben war. Das Baby hatte dabei eine schwere Hirnstörung, Erblindung und Querschnittslähmung davongetragen. Durch viel Liebe, gute Pflege und Physiotherapie erlernte Erna das Laufen wieder, allerdings ist die Motorik nach wie vor stark eingeschränkt. Zwar konnte Erna nicht klettern, jedoch liebte sie es, uns von unserer Arbeit abzuhalten. Zu gerne klammerte sie sich an unsere Schuhe und öffnete so recht unkoordiniert, aber oft erfolgreich die Schnürsenkel. Selbst Putzen war für uns das reinsten Vergnügen, wenn dabei kleine und große Affen auf einem herumturnten. Sobald das Gehege wieder glänzte, wurde in Teamarbeit der Rest des Geländes auf Vordermann gebracht. Nach der halbstündigen Frühstückspause um 10:00 Uhr, fand man einen von uns meist spielend oder kuschelnd bei den Pavianbabys Lulu und Nhandi. Zeitgleich begab sich der andere ins Grüne, um „natural feed“ zu sammeln – eine Zwischenmahlzeit für die Affen, bestehend aus verschiedenen Pflanzenarten. Bevor es in die Mittagspause ging, spritzten wir in der Regel Mülltonnen und Aufbewahrungsboxen mit dem Hochdruckreiniger ab, was besonders an heißen Tagen eine angenehme Beschäftigung war. Wie immer, wenn man sich außerhalb eines Geheges oder eines abschließbaren Raumes aufhielt, musste man auch während der Abkühlung stets wachsam sein. Grund dafür waren 4 erwachsene Paviane, die allzu sehr an Menschen gewöhnt waren. Bei Merlin, Suki, Julie und Thandi hat es mit der Auswilderung wegen verschiedener Ursachen bislang nicht geklappt. Statt sich einer wilden Paviangruppe anzuschliessen, beschäftigten sie sich lieber damit, Wasserschläuche für sich einzunehmen, in Unterkünfte einzubrechen und alles zu stehlen, was nicht niet- und nagelfest war. Für Paviane existiert nur eine Regel: Was deins ist, ist meins und was meins ist, ist ebenfalls meins. Dieses Gebot sollte beherzigt werden, wenn man nicht erfahren möchte, wie kräftig der Kiefer eines Pavians ist. Trotz aller Vorsicht, ließ sich nicht jeder Biss vermeiden. Trat bei Merlin allzu große Langeweile auf, versuchte er einen für ein Spiel zu begeistern. Leider begriff er nicht, dass unsere Haut nicht so robust und mit Fell versehen ist, wie die der Paviane. Obacht war auch geboten, wenn die Babypaviane auf einem herumturnten, weil dann der Beschützerinstinkt der Erwachsenen allgegenwärtig war. Nach der einstündigen Mittagspause, die wir oft im Pool verbrachten, bereiteten wir eine der insgesamt 4 Tagesmahlzeiten für die Affen zu.  Die dafür benötigten Lebensmittel erhielt Bambelela von umliegenden Supermärkten, die für diese keine Verwendung mehr hatten. Die abgelaufene Ware wurde täglich eingesammelt und zur Affenauffangstation gebracht, wo wir beim Abladen halfen. Beim Sortieren der teils verschimmelten Lebensmittel, hielten sich Ekel und Spass stets die Waage. War die Essenvorbereitung gegen 15:00 Uhr abgeschlossen,  ging es für uns zur Fütterung zurück ins Handicap. Um sicherzustellen, dass alle Meerkatzen ausreichend Nahrung zu sich nahmen, mussten die blinden Affen per Hand gefüttert werden. Im Anschluss stand das Babysitten der verwaisten Meerkatzenbabys Patrick (bei Ankunft zwei Wochen alt), Ginge (Frühchen, bei Ankunft einen Tag alt) und Gaia (bei Ankunft eine Woche alt) auf dem Plan. Alle drei mussten circa alle zehn Minuten mit dem Fläschchen gefüttert werden. Obwohl nur wenige Gramm schwer, versuchte sich besonders der Älteste schon in den ersten Klettermanövern. So konnte man als Affenersatzmama mit Stolz die täglichen Fortschritte bewundern.

    Gegen 17:00 Uhr wurde der Feierabend eingeläutet. Was sich nach einem langen Arbeitstag anhört, war nur halb so wild. Schnell stellten wir nämlich fest, dass die südafrikanische Arbeitsweise eine andere ist. Stand zum Beispiel ein gemeinsames Projekt an, wie das Ausheben eines Grabens, arbeitete stets einer, während mindestens vier 'Supervisor' gut gelaunt drum herum standen. Anpassungsfähig wie wir sind, glichen wir unsere Arbeitsmoral der unserer Kollegen an - Adieu, deutsche Effizienz!

    Nach der Arbeit spielten wir oft noch eine Runde Fußball bevor wir gemeinsam zu Abend aßen. Manch einen Tag haben wir anschließend unter sternklarem Himmel am Lagerfeuer mit Gesang und Gitarrenmusik ausklingen lassen. An anderen Abenden warteten wir darauf, dass sich unsere Kollegen heimlich in unser Chalet schlichen, um mit uns anzustoßen. Man sollte zwar meinen, dass sich Erwachsene auch ganz offiziell auf ein Bierchen treffen dürfen, aber nicht so in Bambelela. Dort gab es so viele Regeln, die sich je nach Lust und Laune der Chefetage auch mal änderten. So war es den Festangestellten aus unerfindlichen Gründen nicht gestattet, die Unterkünfte der Voluntäre zu betreten. Auch hat es sich uns nicht erschlossen, warum es einem Voluntär nicht erlaubt war, einem Mitarbeiter eine kalte Cola aus dem Bambelela-Kiosk zu spendieren. Nach Christinas feuchtfröhlichem 30. Geburtstag kam dann noch ein absolutes Alkoholverbot hinzu. Was für ein Glück, dass in Südafrika erst kürzlich Cannabis legalisiert wurde ;). Durch das allzu willkürliche Reglement, das keiner so wirklich verstand, fühlten wir uns oft in Teenagerzeiten zurückversetzt. Noch einmal Sweet Sixteen :)

    Bambelela wird für uns immer ein magischer Ort bleiben, nicht zuletzt wegen unserer teils verrückten, dafür aber umso liebenswerteren Kollegen. Allesamt fanden sie Zuflucht in Bambelela. Ob Drogenabhängigkeit, Mobbing, gescheiterte Liebesbeziehungen, Kriminalität, Suizidversuche, ungewollte Schwangerschaften - jeder hatte seine eigene Geschichte zu erzählen. Erstaunt waren wir darüber, mit welcher Offenheit sie uns ihre Schicksale anvertrauten.

    Schweren Herzens haben wir Abschied genommen. Tschüss Bambelela, wir sind uns sicher, dass wir uns eines Tages wiedersehen!
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