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  • Day 150

    Malawi Part II

    February 1, 2019 in Malawi ⋅ ☁️ 30 °C

    Auch rückblickend zählen wir die Mushroom Farm zu unseren Lieblingsunterkünften der gesamten Reise, weshalb ein wenig Wehmut mitschwang, als wir diese verließen. Im Gegensatz zu unserer Anreise wollten wir den Berg herunter dieses Mal ohne Hilfe bewältigen. Also machten wir uns kurz nach Sonnenaufgang frohen Mutes alleine auf den Weg. Lukas hatte uns zuvor von seiner weiteren Reiseroute erzählt. Sein Plan war es, als nächstes nach Nkhata Bay zu radeln, eine am Malawisee gelegene Hafenstadt. Kurzum kürten auch wir diesen Ort zu unserem zweiten Stopp im südostafrikanischen Binnenstaat. Die ersten Kilometer überwanden wir leichtfüßig und unsere Backpacks ließen sich recht komfortabel tragen, was wir sehr genossen. Schließlich wussten wir aus Erfahrung, dass sich das gefühlte Gewicht unserer Rucksäcke schon sehr bald vervierfachen würde. Doch noch bevor dieser Zustand eintreten konnte, kam neben uns ein Krankenwagen zum Stehen. Aus einem heruntergekurbelten Fenster hinaus wurden wir gefragt, ob wir die lange Schotterstraße bis nach unten tatsächlich laufen wollten. Falls nicht, könnten wir gerne einsteigen. Das Angebot war einfach zu verlockend und der Ehrgeiz, die Strecke mit eigener Körperkraft zu bewältigen, nicht groß genug. Auf vier Rädern gelangten wir recht flott zum Fuße des Berges, wo wir in einen Kleinbus umstiegen. 

    Die schmale Straße, auf der wir in dem sogenannten Motola unterwegs waren, schlängelte sich durch eine dicht bewaldete Berglandschaft. Immer wieder bot sich eine traumhafte Sicht auf endlos weite Täler. Die Vielfalt an Bäumen und Büschen leuchtete in den verschiedensten Grün-Nuancen. Während wir die großartigen Breiten bewunderten, tauchte plötzlich eine Horde Paviane am Straßenrand auf, die sich ein Wettrennen mit dem öffentlichen Verkehrsmittel lieferte. Schnell stellten wir fest, dass die klugen Primaten nicht zufällig aufgetaucht waren. Scheinbar auf die Situation vorbereitet, wurden nämlich vom Busfahrer und einigen Mitreisenden Bananen aus dem Fenster geworfen, was zu einem Freudenfest der Affen führte. Ein herrliches Spektakel! Im Laufe der Fahrt stiegen mehr und mehr Leute zu, bis der Minibus bis oben hin vollgestopft war. Neue Fahrgäste reichten ihre Taschen, Einkäufe, ja, sogar ihre Kinder zu den sitzenden Mitfahrenden durch und quetschten sich in gebückter Haltung in den Türbereich. Christina strahlte vor Glück, als eines der niedlichen malawischen Babys auf ihrem Schoß Platz fand und sich dort bis zum Ende der Reise einkuschelte. 

    In Nkhata Bay angekommen, kehrten wir in die Butterfly Lodge ein. Von der im Außenbereich gelegenen Bar hatten wir einen wunderbaren Panoramablick auf den zum Grundstück gehörenden Strand und den riesigen See. Unser hölzerner Acht-Betten-Schlafsaal fügte sich perfekt in den umliegenden Regenwald ein. Leider wurde Hygiene in diesem Backpackers nicht gerade großgeschrieben. Wir sind alles andere als pingelig, aber in einem Bett übersät mit toten Insekten, Kakerlakensekret, Geckokot und weiteren ominösen Flecken, fühlen selbst wir uns nicht mehr allzu wohl. Auch die fast überlaufenden Plumpsklos waren in keinem sehr ansehnlichen Zustand. Die zuvor besuchte Mushroom Farm hatte gezeigt, dass die ökologisch wertvollen Toiletten ohne Wasserspülung zwar immer einen gewissen Geruch mit sich bringen, aber sehr wohl sauber sein können - nicht so in der Butterfly Lodge. Kakerlaken Lodge wäre wohl der passendere Name gewesen. 

    Wenn wir nicht gerade auf der Toilette oder in unserem Zimmer waren, gefiel uns die Unterkunft aber sehr gut. Wir freundeten uns mit der Handvoll anderer Gäste an, verbrachten schöne Spieleabende, bummelten durchs Dorf, erfrischten uns im See und genossen leckere Mahlzeiten. Mit Ausnahme des vorbestellten Abendessens gestaltete es sich meist etwas schwerer, Speisen oder Getränke von der Karte zu ordern. Wir versuchten unser Glück mit einem Ingwer-Zitronen-Honig-Tee. Leider seien keine Zitronen vorrätig, sagte man uns. Dann würden wir einfach einen Ingwer-Honig-Tee nehmen, schlugen wir vor. Wieder Fehlanzeige: Ingwer war auch aus. Okay, nächster Versuch: ‚Einen Bananenshake, bitte!‘ Dreimal dürft Ihr raten, welche Zutat gerade nicht verfügbar war…Richtig, Bananen! Na gut, dann entspannten wir eben ohne Getränk.

    Während Lisa sich mit der Israelin Dana, die wir auf der Mushroom Farm kennengelernt und in Nkhata Bay zufällig wiedergetroffen hatten, ins Wasser begab, genoss Christina im Schatten der Bäume einen spannenden Roman. Vollkommen in das Buch vertieft, vernahm sie plötzlich einen Luftzug neben sich, dicht gefolgt von einem aufklatschenden Geräusch. Eine gut zwei Meter lange grüne Mamba war aus dem Geäst gefallen und hatte Christina dabei nur um Haaresbreite verfehlt. Anstatt in eine angemessene Schockstarre zu verfallen, zückte Christina ihr Handy und filmte die blitzschnelle Flucht der hochgiftigen Schlange, in deren Maul sich eine tote Maus befand.

    Nach nur zwei Übernachtungen in der Butterfly Lodge packten wir schon wieder unsere Sachen. Wahrscheinlich wären wir noch ein wenig länger in der irgendwie sympathischen Schmuddelunterkunft geblieben, allerdings fuhr unser nächstes Transportmittel nur einmal wöchentlich ab: Eine Fähre sollte Dana und uns am späten Abend innerhalb von drei Tagen den Malawisee runter nach Monkey Bay bringen. Das hörte sich nach einem schönen Abenteuer an und eine ganze weitere Woche wollten wir nicht noch warten. Um die Aussicht während der Schifffahrt genießen und frische Luft schnuppern zu können, entschieden wir uns für Tickets der ersten Klasse. Die zweite und dritte Klasse reiste nämlich unter Deck. 

    Zwei Stunden vor Abfahrt strömten wir gemeinsam mit dutzenden Menschen auf das große Ladeschiff. Darunter war zufälligerweise auch das deutsche Pärchen mit dem wir nahe der Mushroom Farm die rutschige Wasserfallwanderung unternommen hatten. Die vielen Passagiere teilten sich auf drei Etagen auf. An Deck angekommen, stellten wir fest, dass nur etwa ein Drittel der Fläche überdacht war. Zügig sicherten wir uns dort ein Plätzchen auf dem harten Holzboden, da ein plötzlicher Regenguss nicht allzu unwahrscheinlich war. Nach einem gemütlichen Abend mit Kartenspielen, Quatschen und leckeren Snacks kehrte die Müdigkeit ein. Vorsorglich zogen wir uns mehrere Schichten Kleidung an und bedeckten uns mit unserem Handtuch, um den recht starken Böen, die auf See herrschten, zu trotzen. Gegen Mitternacht war es dann soweit: Es schüttete wie aus Eimern. Unglücklicherweise trug der Wind die Wassermassen bis weit unter die Abdeckung. Um der Nässe und Kälte zu entfliehen, quetschten sich alle Passagiere der ersten Klasse samt ihres Gepäcks auf die wenigen trockenen Quadratmeter. Zusammengerollt auf unseren Rucksäcken fanden wir bis zum Morgengrauen tatsächlich noch ein paar Stunden Schlaf. Erste Klasse in Malawi unterscheidet sich eben schon ein bisschen von den europäischen Standards. Der Blick auf die rot-orange leuchtende Sonne, die sich am Horizont aus dem ruhigen Wasser erhob, ließ jedoch jegliche Unannehmlichkeiten der letzten Nacht sofort verblassen. 

    Am Vormittag gab es einen längeren Ein- und Ausladestopp, welchen wir nutzten, um eine kleine Insel zu erkunden. Auf einem Spaziergang von der einen zur anderen Seite, wurden wir von allen Bewohnern, die uns begegneten, freundlich gegrüßt. Man winkte uns aus Fenstern zu und Kinder, die gerade von der Schule kamen, rannten freudig hinter uns her, ergriffen unsere Hände und begleiteten uns im Hopserlauf. Am gegenüberliegenden Ufer angekommen, trafen wir auf eine Gruppe Frauen, die lachend und tratschend ein ausgiebiges Bad im See genoss. Einige Jungen ließen am Strand selbstgebastelte Drachen fliegen. Wir waren von der wundervollen Stimmung, die auf der ganzen Insel herrschte, total entzückt. Uns wurde bewusst: Malawi hatte schon längst unser Herz erobert. 

    In der zweiten Nacht auf See war das Wetter auf unserer Seite und wir wurden von jeglichem Regen verschont. Allerdings hielt uns diesmal ein neuer Mitreisender auf Trapp: Eine winzige graue Maus flitzte immer wieder ganz nah an unseren Köpfen vorbei und riss uns so Mal um Mal aus unserem Schlummerschlaf. Einen ganz besonderen Schreck bekam Dana am frühen Morgen, als sie durch etwas Flauschiges an ihren Füßen geweckt wurde. Der kleine Nager hatte es sich gewitzt in ihrem Schlafsack gemütlich gemacht. 

    Fast ein wenig widerwillig verließen wir die Fähre an unserem Ankunftsort. Drei Tage lang die Weite des Malawisees auf sich wirken und sich langsam darauf forttragen zu lassen hatte uns in einen angenehmen Entspannungszustand versetzt, den wir nur ungerne aufgaben. 

    Vom Hafen aus konnten wir unsere zuvor ausgesuchte Unterkunft, die Mufasa Lodge, fußläufig erreichen. Das nächste Paradies erwartete uns! Die Bungalows waren in eine kleine Bucht direkt am Malawisee eingebettet, geschützt von Wäldern und hohen Felsen. Dieses Mal waren wir die allereinzigen Gäste und konnten unseren 'Privatstrand' in vollen Zügen genießen. Zwischen Bäumen machten wir es uns in gemütlichen Hängematten bequem. Immer wieder blickten wir von unseren Büchern auf, um freche Meerkatzen zu beobachten, die sich uns neugierig näherten. Das kristallklare Wasser des Malawisees hatte die perfekte Erfrischungstemperatur. Dem konnten wir trotz der Gefahr vor Bilharziose, einer Wurmerkrankung, nicht widerstehen und begaben uns immer wieder ins kühle Nass.

    Nach zwei gemütlichen Tagen in dem gefühlten 5-Sterne-Resort, begaben wir uns auf der Suche nach etwas Essbarem und um Geld abzuheben ins Dorf. Unsere Herbergsmutter hatte uns geraten, direkt am Morgen aufzubrechen, weil den zwei einzigen vorhandenen Bankautomaten gerne schonmal das Geld ausging. Doch trotz früher Stunde mussten wir feststellen, dass beide Maschinen leider keine Scheine ausspuckten. Der eine Automat schien ganz kaputt zu sein, beim anderen wurde uns versprochen, dass jemand unterwegs sei, um das Problem zu beheben. Wir waren uns darüber im Klaren, dass dies mindestens noch einige Stunden dauern würde. Deshalb liefen wir die einzige Straße des Dorfes einige Male hoch und wieder herunter, kauften frische Früchte, Gemüse und Brot zum Kleckerpreis, nahmen einen Imbiss zu uns und ließen uns schließlich wieder vor der Bank nieder. Es hatte sich mittlerweile eine kleine Menschenschlange gebildet. Allzeit darauf vorbereitet sich in afrikanischen Ländern schonmal länger gedulden zu müssen, packte Dana ihr Kartenspiel aus, womit wir uns die restliche Wartezeit auf angenehme Art vertrieben. Wir konnten es gar nicht glauben, als der Geldautomat nach drei Stunden tatsächlich wieder befüllt wurde und wir unsere Mission erfolgreich abschließen konnten. 

    Am Nachmittag wollten wir die Natur um uns herum erkunden. Auf Nachfrage empfahl uns die Besitzerin der Mufasa Lodge, eine ausgewiesene Wanderroute zu nehmen, die direkt hinter den Waschräumen startete. Auf ging‘s. Da wir uns, wie schon erwähnt, zur Regenzeit in Malawi befanden, waren Gräser, Büsche und Bäume hochgewachsen. Nach dem Schild, das den Start der Wanderung markierte, waren weder irgendwelche Streckenhinweise zu erkennen noch konnte man nach einigen Metern einen Weg ausmachen. Wir schlugen uns also blindlings durch den Dschungel, krabbelten unter oder kletterten über Baumstämme, mussten steile Felswände und Klippen überwinden und wussten irgendwann überhaupt nicht mehr, wo wir waren oder wo es lang ging. Zum Glück endeten wir letztlich am Rande des Malawisees und gewannen unsere Orientierung zurück. Froh darüber, nicht mehr verloren zu sein, entledigten wir uns all unserer Klamotten und sprangen lachend ins Süßwasser, um Schweiß, Dreck und Blut abzuwaschen. Anschließend fanden wir entlang des Ufers zu unserer Unterkunft zurück.  Eine Wanderung ganz nach unserem Geschmack.

    Zur Stärkung ging es abends noch einmal ins Dorf.  Wir nahmen in einem kleinen Restaurant auf weißen Plastikstühlen Platz und erkundigten uns, welche Gerichte zur Auswahl stünden. 'Reis mit Bohnen.‘, war die knappe Antwort. Gut, dann war die Entscheidung ja schnell getroffen. Getränke gab es keine. Ein Mann, der wohlgemerkt nicht für das Restaurant arbeitete, bekam mit, dass es uns dürstete. Wenn wir ihm Geld gäben, dann würde er uns davon etwas zu trinken besorgen, bot er freundlich an. Wir vertrauten ihm, was dazu führte, dass wir kurze Zeit später kühles Bier zu köstlichem Reis mit Bohnen für weniger als zwei Euro genossen.
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