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  • Day 51

    CSI Arequipa: Ein Drehbuch

    May 21, 2016 in Peru ⋅ ☀️ 24 °C

    Titel: Von Hotelzimmern und Polizeidienststellen
    Darsteller: Annabelle als die Verzweifelte, Chris als der Gefasste, Jule als die Gerissene, Basti als der Eiserne
    Drehort: Ein familiäres Hotel am Plaza de Armas von Arequipa, Zimmer 5 im ersten Zwischengeschoss und Zimmer 9 unter dem Dach
    Außenstelle: Policia Nacional del Peru, Departamento Tourismo

    1. Akt: Gut ausgeschlafen sitzen die vier Helden morgens auf dem Hotel eigenen Balkon in der Sonne den Hauptplatz von Arequipa, um ihr Frühstück einzunehmen. Es verspricht ein schöner Tag zu werden. Annabelle und Chris blicken einer schon gebuchten Rafting Tour entgegen. Endlich muss mal nichts mehr geplant werden und Tablet und Handy können auf dem Zimmer bleiben. Jule und Basti haben einen entspannten Tag mit Mittagsschläfchen und Stadtbummel im Auge, aber Basti plagt die Vorfreude auf die Touren der nächsten Tage, so dass er das Handy nicht aus den Augen lässt.

    Etwas früher als die anderen verlässt Chris das Idyll auf dem Balkon und hüpft freudig die Treppen hoch zum Zimmer 9 unter dem Dach. Als Annabelle 5 Minuten später folgt und das Zimmer sieht, legt sich ihre Stirn in Falten. Auf den Betten liegen wild durcheinander verschiedene Decken, der Nachttisch ist leer und Chris steht mit einem fragenden Blick vor ihr: "Weißt du, wo mein Tablet ist?" Man muss wissen, dass Chris nicht das erste Mal in diesem Urlaub etwas sucht und diese Frage an Annabelle richtet. Aber dieses Mal kommt als Antwort nur "Mein Handy ist auch weg... und die Fotokamera... ich bin mir ganz sicher, dass wir die drei Sachen auf dem Nachttisch liegen lassen haben". Ratlose Blicke. Fieberhafte Suche. Ergebnislos... Realisierung. Fassungslose Blicke. Annabelle stützt verzweifelt den Kopf in die Hände. Chris legt kühle Gelassenheit an den Tag. Dieses Ereignis muss dem Rest der Gruppe mitgeteilt werden.

    Zimmer 5 nimmt sofort die Zügel in die Hand. Jule, die Gerissene, beginnt sofort mit der Investigation der lokalen Umstände des Raubs und beobachtet die Reaktion der Angestellten genau. Basti, der Eiserne, stürmt zur Rezeption und erklärt in gekonntem Spanisch das Problem. Man glaubt den vier Reisenden zunächst nicht. Deswegen wird ein argwöhnisch schauendes Zimmermädchen geschickt, um das Zimmer nach den angeblich verlegten Gegenständen zu durchsuchen. Nachdem sie schnippisch anmerkt, dass die Gegenstände nicht weg sein können, es wäre ja niemand im Haus außer den Angestellten, wird Basti zum eisernen Fels und gibt zurück, dass dann wohl die Angestellten lange Finger haben müssen. Ein erneuter Besuch mit Nachdruck bei der Rezeption bringt die Polizei ins Spiel.

    2. Akt: Während Basti und Jule die Beobachtung des Hotelpersonals fortsetzen und die Rafting Tour absagen, bringt ein Polizei-SUV Annabelle und Chris zur Polizeidienststelle. Die Befragung der beiden beginnt... auf Spanisch. Schnell wird klar, dass ein genauer Tathergang so nicht aufgenommen werden kann, aber das Internet schafft Abhilfe. Die Übersetzung mit Google Translate zwischen Englisch und Spanisch funktioniert erstaunlich gut, man hat außerdem den Eindruck, Google verstände etwas von Grammatik.

    Nach 1.5 Stunden Erklärungen auf dem Kommissariat soll der Ort des Geschehens besichtigt werden. Chris muss im Kommissariat bleiben und die Aussage mit der netten, aber sehr langsamen Polizistin weiter aufnehmen, während Annabelle mit einer zweiten Polizistin zurück ins Hotel läuft. Mit der Polizei im Schlepptau wird der Diebstahl auf einmal im Hotel ernst genommen. Man besichtigt die Videokameras (aber nicht die Videos), den Frühstücksbalkon, die Tür auf das Dach neben Zimmer 9, die Leiter durch die Decke auf das Dach vor Zimmer 9 und schließlich den Tatort. Von allem macht die Polizistin Fotos, fasst alles gekonnt ohne Handschuhe an und schreibt Details auf. Auch davon, dass Basti und Jule heraus gefunden haben, dass die Zweitschlüssel aller Zimmer offen im Treppenaufgang des Hotels liegen. Mehr passiert allerdings nicht... nur dass Annabelle wieder zurück zur Polizeidienststelle gebracht wird, wo Chris schier verzweifelt.

    Die Aussage ist mittlerweile aufgenommen... aber in drei verschiedenen Versionen mit unterschiedlichen Details nieder geschrieben. Einmal die Aussage von Chris, einmal die Aussage von Annabelle und einmal von beiden zusammen. Alle ein klein bisschen anders, obwohl die Aussage gemeinsam per Google Translate getätigt wurde. Vor der Unterschrift unter den Protokollen, übrigens ist deren Korrektheit hier unbedingt mit Fingerabdruck sicherzustellen, weisen Annabelle und Chris auf die Abweichungen hin, aber die Polizistin winkt nur mit "it's ok" ab. Als die beiden eine Kopie für die heimische Versicherung anfordern, verzweifelt die befragende Polizistin vollends: Noch eine vierte Version des Dokuments und diese Touristen bestehen auch noch auf Erwähnung, dass sie die Tür abgeschlossen haben. Aber unter dem strengen Blick des Chefs wird auch dieses Dokument nach den Wünschen der Touristen angefertigt... und dann passiert auf einmal nichts mehr. Die befragende Polizistin macht Mittag (es ist mittlerweile 13:30 Uhr, der Diebstahl war um 8:45 Uhr), aber der Chef bedeutet Annabelle und Chris, dass er persönlich den Tatort sehen möchte.

    Im Hotel nochmal das gleiche Prozedere wie zuvor: Alles wird begutachtet und fotografiert, diesmal aber vom Chef persönlich aufgeschrieben. Es folgt ein strenger Blick und eine Rüge an die Rezeption wegen der Zweitschlüssel im Treppenhaus. Annabelle und Chris wird verboten, ihr Zimmer zu betreten. Die Spurensicherung müsse noch alles so vorfinden, wie gehabt. Mit all den Verwüstungen des Zimmermädchens und den Fingerabdrücken der ersten Polizistin, versteht sich.

    3. Akt: In Zimmer 5 bei Basti und Jule wartend beginnt die Phase der Realisierung für Annabelle und Chris. Alles weg, aber komischerweise nicht die Pässe und Kreditkarten, die auch auf dem Nachttisch lagen. Das große Passwort-Ändern beginnt. Zusätzlich ist die große Frage, wann hat Annabelle das letzte Mal die Fotos auf der Kamera in der Cloud gesichert. Das große Entsetzen bricht über Annabelle herein. Es ist 5 Tage her. Die Fotos von ihrem 30. Geburtstag sind weg, alle Fotos von Machu Picchu und natürlich auch vom Colca Canyon.

    Während Annabelle sich verzweifelt auf Chris Schulter ausheult, heben Basti und Jule die Stimmung mit frischen Burgern, Erdbeersmoothies und Eis. Kaum den ersten Bissen gegessen trifft CSI Arequipa ein. Es ist mittlerweile 16:00 Uhr. Drei Spurensucher öffnen professionell ohne Handschuhe die Tür und schauen lange auf den leeren Nachttisch, ohne irgendwelche Spuren zu nehmen. Stattdessen versuchen sie erst die Tür einzutreten, dann mit einer Kreditkarte zu öffnen, um den Tathergang zu rekonstruieren. In beiden Fällen lässt sich die Tür nicht öffnen, was wortreich auf Papier dokumentiert wird. Spurenkoffer zu, ohne eine einzige Spur genommen zu haben, und weg ist CSI Arequipa... Annabelle und Chris stehen etwas ratlos im Zimmer. Das ist nun wohl die Gewissheit, ihre Sachen sehen sie nie wieder.

    Prolog: Das Hotel entschuldigt sich wortreich bei den vier Reisenden. In 30 Jahren sei das noch nicht vorgekommen. Basti, der Eiserne, macht klar, was die Gruppe von dem Vorfall hält: "We lost our values and we think it is your fault. We expect a great discount on the accomodation, and with great we mean everything." Das Hotel verzichtet auf die Bezahlung der beiden Zimmer für zwei Nächte und bittet im Gegenzug darum, kein Review auf booking.com zu schreiben. Die vier Helden willigen bereitwillig ein und begeben sich auf die Roof Top Bar gegenüber des Hotels, um ihren Frust mit Pisco Sour zu ertränken. Die Stadt sieht von oben wunderbar aus, es ist angenehm warm und ein Feuerwerk erhellt in der Ferne den Himmel. Schade, Arequipa hätte viel Potential gehabt, ein schöner Stopp auf der Reise durch Südamerika zu werden.
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