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  • Fusion Festival

    July 3, 2019, Arctic Ocean ⋅ ☁️ 1 °C

    Huch, hatte ich letztens gesagt, wir hören uns VON der Fusion. Weit gefehlt, denn dort von jemandem zu hören, geschweige denn jemanden zu treffen, den man treffen möchte, ist quasi unmöglich aber dazu gleich mehr...

    100 Hektar Festivalgelände, ein ehemaliger sowjetischer Militärsflughafen, 70.000 verkaufte Dauertickets und über 80.000 Feiernde insgesamt, die alle eins zu verbinden scheint: Andersartigkeit oder zumindest eine enorme Offenheit jeglicher Andersartigkeit gegenüber.
    Denn auf der Fusion sind wirklich Menschen jeglicher Art. Einer verrückter als der andere. Und dennoch keinem Genre, keinem Schlag oder so schlimm es klingt, keiner Schublade zuzuordnen (so ungern ich von Schubladen spreche, so unvermeidlich sind sie für das einfach menschliche Einordnen seiner Umwelt. Sie sind auch wenig problematisch, wenn man sie stets wieder öffnet, finde ich :)

    WE ARE THE PEOPLE ANONYMOUSLY
    Selten hat man so viele verschiedene Menschen auf einem Festival, allerdings auch selten so wenig persönlichen Kontakt zu diesen, denn aufgrund der Masse und weil die meisten mit ihren Cliquen anreisen, connected man nicht so schnell wie auf kleineren Festivals üblicherweise. Statt persönlich und direkt ist es eher anonym innerhalb der bunten Masse, was vielleicht aber auch die Grundvoraussetzung dafür schafft, dass Leute richtig steil gehen und aus sich raus kommen.

    NO PHOTOS
    Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal, was diese Steilgehmentalität begünstigt, ist das indirekte Handyverbot. Auch wenn es nirgends explizit verboten wird, sind Handys einschließlich Fotos und Videos grundsätzlich nicht gern gesehen.
    Wenn man, wie ich, dem Impuls, etwas für die private Filmschneiderei festzuhalten, nicht widerstehen kann, wird man schnell mit den feindlichen Blicken von Feiernden bestraft.
    Heutzutage absolut ungewöhnlich, tausende von Menschen und niemanden mit einem Handy in der Hand zu sehen. Es scheint nur um den Moment zu gehen. Das Jetzt zählt.

    DAS GELÄNDE
    Dem Umstand geschuldet, dass die Fusion auf einem ehemaligen Militärsflughafen stattfindet, gibt es nicht nur einen riesigen, gut strukturierten und mit betitelten Straßen vernetzten Campingplatz, sondern auch ein, am besten über die Landebahn erreichbares Festivalgelände, welches von Hangars geprägt ist. Diese Bunker, in denen vor geraumer Zeit noch Flugzeuge parkten, beherbergen heute die genialsten Orte des Geschehens. Nicht nur Bühnen mit Bunkercharme sondern auch ein einmaliges Theatervenue oder ein Kino im Retrostil mit unübtertreffbarer Akkustik.
    Eins meiner geheimen Favoriten war definitiv CLOUD COCKOO, der prunkvoll kitschige, pink lila gestatltete Bunker, in denen Cherokee (mutmaßlich ein Neologismus aus "to cheer" und "Karaoke" 🎤), Transvestiten Shows und unbeschreiblich krasser Scheiß die queere Masse erfreute. Wer gedacht hat, auf der Fusion außerhalb dieses Bunkers laufen verrückte Leute um, wird die Ausmaße der Verrücktheit in jenem Bunker nicht fassen können.
    Andere Bunker waren optimal für ranzige Hip Hop Konzerte oder mit verträumt feenhafter Deko die perfekte Pforte für ertanzbare Traumwelt.

    Auch wenn bei Tag und Nacht die Bässe wummern, ist es genial, dass das Festivalgelände nicht weit vom Camp entfernt liegt, vor allem wenn man - wie wir- direkt an der ehemaligen Landebahn 5min. von den ersten Bühnen entfernt campt, (B9) die sich bögenförmig an einer Seite des Camps aufspannen. So kommt man schnell an all die wunderbaren Orte, die einem das Gefühl vermitteln, tatsächlich in einem Wunderland für Erwachsene gelandet zu sein🌌:

    Ein Casino, wobei wir keine Ahnung haben, was darin passiert außer Musik bis 10 Uhr morgens und um 11 Uhr dann "Awakening Yoga" 😂
    Workshop Area. Eine Spielarea von kreativen Köpfen. Hippieklamottenstände. Eine Halfpipe zum Skaten direkt vor einem der Hangars. In 20-30min. Entfernung davon; ein wunderschöner Badefluss sowie das Familiencamp mit Spielplatz, Badesee, Rollschuhbahn und kleineren Shows im/am Zirkuszelt 🎪

    FOOD
    Schon traurig, dass ich diese Kategorie bei Beschreibung eines Musikfestivals vor der Musik schildere, doch erstens ist die Fusion mittlerweile eh viel mehr als ein "Musik"festival und zweitens war das Essen ehrlich gesagt mein persönliches Highlight🌟Zahlreiche kleine, liebevoll gestaltete und unkommerzielle Fressbuden locken mit größtenteils vegetarisch oder veganem und sogar fair produziertem Essen 🌯🥗🍕🍔🍠🥑🥐🍌🍒🍉Nix darf dabei, zur großen Freude unserer Studentengeldbörsen, mehr als 5€ kosten 💸Getrost kann man also Preiskalkulation in der Entscheidungsfindung ignorieren und ganz seinem Geschmack folgen. Lieber der vegane Tofu Burger von Mecklenbörger, ein klassisches Handbrot, Offenpizza oder doch eine Käsebutter überbackene Offenkartoffel mit Topping namens Kumpir vom Jacket Potato (Ups, schleichwerbung, aber definitiv empfehlenswert ;)
    Viele haben sogar 24/7 geöffnet, yeah!

    MUSIK
    Ähnlich vielseitig wie das Essen ist definitiv das musikalische und kulturelle Angebot auf der Fusion, welches im Volksmund ja häufig auf ein "Techno-Festival" reduziert wird.
    Die Existenz von 25 Bühnen lässt bereits anderes verlauten. Von Goa und Hard Tech DJs, über Hip Hop und Rapinterpreten bis hin zu deftigem Rock ist alles geboten.
    Mein persönliches Highlight (also neben dem Essen ;) war, die dank Rokky von Anfang bis Ende genossene Show von Großstadtgeflüster. Die rotzige Rapgöre Jen Bender ist mittlerweile über 40 und dennoch absolut frech, charmant und unterhaltsam. Absolut sehenswert.
    Auch, wenn die Leute auf der Fusion, da die wenigsten aus der Rockszene kommen, zu meiner Missgunst nicht pogen können...🎶

    SPECIALS
    Keine Polizei seit 22 Jahren: auch wenn dieses Jahr ein politischer Kampf bewältigt werden musste, damit dies auch so bleibt, wurde die Regel, die das Festival auszumachen scheint weiterhin beachtet 👮‍♂️Überall war die Freude über diese Errungenschaft in Form von "keiner muss Bulle sein", "no cops" oder "fuck the police" Graffitis und Schriftzügen auf Stickern oder Kleidungsstücken zu erkennen. Einerseits ziemlich extrem, doch es lässt erkennen, dass die Fusion vom Anarchie-Ideal und kommunistischen Werten geprägt ist. Sehr viel politischer als ich bei einem so großem Festival erwartet hätte. Cool.

    Kunst: Neben politischen Kunstwerken in Form von Graffiti oder fanden sich auch Installationen, Performance, Walking Acts und Bühnengestlaltung vom Feinsten🎨🎉🎈🌈

    Kinder: sind erlaubt, ab 14 sogar ohne Eltern. Meistens safe and sound im Familycamp, aber dennoch auch das ein oder andere Mal im Maxi Cosi vor der Techno Bühne 👶🏼🙌🤙

    Klean Driver: Die vollgepinte Wand des Infoboards lässt erahnen, dass zahlreiche Menschen sehr spontan überlegen, wie sie von der Fusion weg kommen und sehr viele einen Clean Driver benötigen, dem sie entweder ihr Auto bis zum Zielort oder bis nach der Polizeikontrolle überlassen oder dem sie sogar Geld für diesen Service zahlen. Wenn man tatsächlich fit une fähig fürs Fahren ist, kann man damit theoretisch sein Festival ganz gut finanzieren 🛣 während auch wir am Sonntagabend noch nicht wussten wie wir Montag morgens aus der Einöde nach Kassel kommen. Glücklicherweise ergab sich Dank besagter Pinnwand in selbiger Nacht noch eine Fahrgemeinschaft mit 3 Kasselern und aus einem durch Netzprobleme schwierigen SMS Verlauf resultierte eine letztlich aberwitzige Fahrt im Luxusauto des Vaters von Hannah, welches uns mit 200kmh zügig nach Kassel transportierte. Dabei wurde mir sehr viel Dankbarkeit für meine Fahrtüchtigkeit entgegen gebracht, während ich selbst unfassbar dankbar war, keine Spritkosten sowie eine derart entspannte Fahrt mit Mc Donalds Abstecher (der uns leider die vegane fair-trade Bilanz des Wochenendes versaute;)
    Erleben zu dürfen 🚗

    Kostenlose Duschen und ein sogenannter Shower Tower: mitten auf dem Gelände sorgen dafür, dass Menschen freizügig in der Öffentlichkeit duschen, weswegen auch der oder besser gesagt die ein oder andere grundsätzlich oben ohne unterwegs ist #rightsforerveryone 🚿 🚻

    WARTEZEITEN
    In den Genuß der soeben erwähnten Duschen konnte man allerdings selten ohne für meine Ungeduld viel zu lange Wartezeit kommen 🕰
    Selbst an den Wasserauffüllstationen herrschen krasse Schlangen und es ist definitiv das Mitbringen einer Solarshower zu empfehlen.
    Nachdem ich einen Morgen knapp 3h meine hängenden Freunde davon überzeugt hatte doch duschen zu gehen, mussten wir uns erstmal Shampoo im sogenannten "Konsum" Zelt kaufen, wo die Schlangen bereits endlos lang sind. Was gar nicht schlimm ist, wenn man nicht so stinkt wie wir, denn das Konsum Zirkuszelt ist nicht nur Quelle aller lebens/festivalnotwendigen Waren sondern auch schillernd bunt dekoriert und erfüllt von elektronischer Chillmusik. Nachdem wir das Shampoo hatten, lief ich zum Shower Tower, in der Hoffnung auf geringere Wartezeit, weil Menschen dort so öffentlich duschen. Diese waren endlos lang, ich erhaschte auf dem Weg immerhin ein paar Blicke auf die Flic Flac-reifen Artisten, um die sich eine Menge von hunderten Menschen versammelt hatte. Im Camp zurück füllte ich nach Wartezeit am Wasserspender meine Solarshower um dem lang ersehnten Duschplan nach gut 5 h nachzukommen. Die Jungs hatten es derweil an anderen Orten ebenfalls noch nicht geschafft zu duschen und Carol nahm freudig meine Solarshower, um das gemeinsam zu beenden, wozu es wohl nicht kommen sollte, den sie platze unversehens auf😣

    Auch beim Einlass am Mittwoch mussten wir 4h (!) warten, bis wir ein Festivalbändchen bekamen und endlich aufs Gelände konnten.
    Diesbezüglich wirklich schlecht organisiert..

    NIGHTLIFE
    Was für einen Menschen wie mich, der am liebsten die Nacht zum Tag macht und nachts oft viel fitter ist, wie geschaffen scheint, habe ich dieses Jahr kaum genutzt.
    Vielleicht lag es an Rokkys Geburtstag, der noch in den Knochen saß. Vielleicht an ihrer Anwesenheit und dem viel zu gemütlichen Black and white Wurfzelt von Quechua, was dort btw gefühlt jeder Dritte hatte (was nicht bedeutet, dass man jemanden findet, der es abbauen kann, weil das offenbar alle überfordert ;). Vielleicht lag es auch einfach daran, dass Rokky und ich am Tag alles erkundeten und Schlaf eine schöne Sache ist, vielleicht daran, dass wir keine aufputschenden Substanzen zu uns nahmen, so wie viele andere. Vielleicht war uns nachts wach sein zu Mainstream. Jedenfalls lagen wir meist vor 2 Uhr im Bett und ignorierten oft sämtliche Wecker, die uns wieder ins Nachtgetümmel bringen sollten. Achtung: Kuscheln kann einem die Freude am ganzen Festival nehmen 😂 Spaß.
    Die meisten machten nachts durch, tanzten bis um 12 und schliefen mittags ein paar Stunden, bevor es abends wieder steil ging 💃
    Macht auch Sinn, wenn man bedenkt dass die großen Bühnen um 12 ein bis zwei Stunden eine Musikpause einlegen :D
    Naja, jeder nach seinem Rhythmus, seinem Flow. Das ist was zählt. Das Hier und Jetzt. Nicht zu viel darüber zu schreiben. Der Space, den die Fusion schafft ist wie ein Wunderland.
    Und aus diesem sollte man nicht zu viel nach außen transportieren. Deswegen
    That's the End ☄️
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