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  • Day 5

    Hänger oder Abenteurer?

    October 11, 2019 in Italy ⋅ ⛅ 18 °C

    Beim Reisen stellt sich stets die Frage, wie man reist, den fernab des Alltags tun sich dem Menschen ganz neue Möglichkeiten und zahlreiche Freiheiten und Entscheidungen auf.

    Wenn man so in den Tag hineinlebt wie wir, assoziieren das viele Leute mit einem Hängerlifestyle, ich auch manchmal.

    Der umgangssprachlich so bezeichnete und meist leicht negativ konnotierte "Hänger" macht den Anschein, nicht zu wissen, was er vom oder im Leben will. Er wirkt planlos und oft resultiert daraus, dass man ihm eine gewisse Gleichgültigkeit oder ein Desinteresse ggü. seiner Umwelt unterstellt, weil er erwartungslos den Tag auf sich zukommen lässt, statt diesen gewaltsam zu packen und mit einem Zeitschema und wichtig klingenden ToDo's und Tageszielen zu versehen.
    Doch auch wenn einiges davon wahr sein mag und der "Hänger" morgens nicht weiß, wo er abends schläft, so weiß oder lernt er durch diesen Lebensstil doch einiges, aber bevor ich hier leere Worthülsen raushaue, erstmal zu uns.

    Da ich auf der Fahrt Richtung Kroatien 🇭🇷 bzw. Slowenien 🇸🇮 (wie fuhren einfach so weit es uns beliebte) gestand ich, dass ich selten soooo spontan reisen und lieber einen Grundplan habe, von dem auch gerne abgewichen werden darf, wohingegen Nate darauf pochte so wenig wie möglich zu planen, um maximales Freiheitsgefühl zu haben. Daraus resultierte die Diskussion, ob wir Hänger seien oder nicht? Beim Überdenken unserer Reiseerlebnisse zeigte sich jedoch, wir genossen durch diese Art des Reisens jeden Moment noch mehr, wir beobachteten Tiere und Pflanzen mit einer kindlichen Begeisterungsfähigkeit und Neugier. Ein Philosoph hätte unsere Art des Umweltbetrachtens als staunenden Beobachter beschrieben und gelobt. So stellten wir Thesen über unsere Umwelt auf, rätselten darüber, wie Oliven wachsen oder ob alle Italiener so großzügig und herzlich sind.

    👨🏼‍🏫u.a. Nathanael der Weise: "Je weniger man plant, desto weniger kann schief gehen"

    So hatten wir Zeit und Raum, um kreativ zu sein, spontan Songs zu singen oder umzudichten.
    Hänger oder Abenteurer, so wie wir uns positiv konnnotierter nannten, verstanden es im Moment zu leben und liebten das unaufhaltsame Lernen.
    Und wenn das mit dem Moment mal nicht so klappte, weil Liebeskummerschübe, Gewissensbisse oder Eifersuchtsattacken uns spontan übermannten (ihr erinnert euch, das war auch ein Grund, warum wir gereist sind ;), dann half die von Paulina eingeführte SUPERMAN Pose. Es ist wohl wissenschaftlich erwiesen, dass das vermehrte Hinstellen in einer Superman Pose, mit breiten Schultern, aufgerichtetem Kreuz und Bizeps zeigen, sich positiv aufs Selbstvertrauen und auswirkt und einen die eigenen Stärken wieder spüren lässt. Diese Pose in Kombination mit dem Zuspruch der besten Freunde, wirkte äußerst heilsam. Ob morgens beim Frühstück, mittags am Stand oder abends beim Einkauf. Überall verbreiteten wir unsere Supermanigkeit.
    Höhepunkt war diesbezüglich ein Strand, den wir ohne Hängerlifestyle nie hätten erleben dürfen:

    Indem ich einen Couchsurfer in Jesolo anschrieb, stellt ich sicher, dass wir von Jesolo nicht direkt planlos weiterfuhren, sondern statt viele Orte oberflächlich lieber wenige intensiver erleben.
    Doch während wir auf dessen Antwort warteten, führen wir Dienstag einfach weiter gen Süden und gelangten mit dem einzigen Wunsch "Lassma ans Meer 🏝" an einen wunderschönen, eher naturigen statt weißen Strand. Nach dem wir selig herumtollende Hunde und einige Besucher sowie 2 Pferde mit Reiterinnen, die sich vermutlich gerade den non plus ulta Traum erfüllten, beobachtet hatten, genossen wir den Sonnenuntergang bei Ukulelengespiel und Gesang 🌅
    Aber zurück zur Superman-Pose, die aufkommenden sorgen verbannten wir spontan, indem wir gemeinsam diese Pose gen Meer machten und und dann alles Leid rausschreiten. Klingt simpel, war aber magisch. Wir hatten aus dem Ort, der an sich schon ganz schön aber eher unspektakulär war, etwas unvergleichliches gemacht. Danach fühlte ich mich wohl wie selten während des Trips, zumal ein vollkommen überstürztes Nacktbaden die atemberaubende Phase abrundete.

    A propos nacktbaden, wir waren sehr viel nackt. Warum wird man wegen Nacktheit heutzutage so schnell als Nuddist bezeichnet?
    Ich seh ja ein, dass gemäß dem Menschenbild von Arnold Gehlen, der Mensch unspezialisiert und von Natur aus sozusagen mittellos ist (er hat kein dickes Fell z.B.) und demnach darauf angewiesen, Werkzeuge zu entwickeln und sich Kleider zu schaffen. Doch warum muss dieser Prozess, den Gehlen als Erschaffung einer zweiten Natur bzw. der Kultur bezeichnet, so weit gehen, dass wir ohne die Dinge plötzlich komisch sind? Etwa weil optimale Menschwerdung nur in der Kultur passiert? Vielleicht. Dennoch macht es einfach Spaß so ursprünglich wie möglich zu sein, so unbedarft und frei, wie das eben nackt am besten geht.
    Nachdem wir uns alle nochmal gefriendzonet hatten war es noch entspannter 😂

    Der CS hat dann übrigens geschrieben und wir mussten losdüsen, wobei mal wieder zu spüren war, dass "Die Besonderheit eines Momentes, oft dessen Flüchtigkeit liegt"

    So erging es uns auch Donnerstagabend, als wir ein letztes Mal italienisch essen gehen wollten🍝Beim Durchsuchen der altertümlichen und verspielten Stadt Malcesine entdeckten wir eine Bar, in die wir nach dem Essen noch einen einzigen Drink zu uns nehmen wollten und dann abdüsen, da ich ja Freitag in Kassel arbeiten musste.
    Drei Stunden später waren wir plötzlich immer noch im Hotspot der Stadt, in dem alle Restaurantbetreiber ein und ausgingen und ein sehr betrunkener Italiener mit dem wir zu Beginn nicht ein Wort gewechselt hatten uns ein Bier und Schnaps nach dem nächsten ausgab. Auch der unfassbar ulkige und an eine Mischung aus einem für die Vogue geeigneten Quasi Modo und Gollum erinnerte, hatte offenbar seinen sozialen Abend und spendierte Pizza und Schnaps 🍕 Für den Fahrer Nate gab s Cola, Kaffee, O Saft und Wasser ☕🍵😏
    Die Musik wurde aufgedreht, die Stimmung brodelte und die Reizüberflutung sowie die Frage, womit wir das verdient hatten, endeten nicht. Die Musik wurde ausgedreht und Nate hatte ein absolut romantisches Klaviersolo, während der Italiener ihn anschmachtete. 💕 Obwohl so solo war s gar nicht, wenn man bedenkt, dass Paulina die wir inzwischen Peppa genannt hatten, auch 2 Tasten drückte und ich so tat als würde ich mit der Gitarre begleiten können 🎶🍻🍷
    Nach einer sehr italienisch dramatischen und herzlichen Abschiednahme, machten wir uns zügig auf den Weg. Bei offenen Dach folgte eine ebenso unfassbare Fahrt, nämlich am nächtlichen Gardasee lang. Der Gardasee ist ja wohl echt die Great Ocean Road 🇦🇺 bzw. Der Highway No. 1 🇺🇸 Europas.

    👨🏼‍🏫Nathanael der Weise: "Leute, das war geil!"

    Uns so unversehens, wie der 4 tägige Trip begonnen hatte, endete er, als Peppa und ich voller Erstaunen nach 10h Schaf plötzlich vor unserer Haustür in Kassel standen. Nate war wirklich ein Wunder🛣
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