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  • Tag 6 - Abschied vom GR11

    March 23, 2018 in Spain ⋅ ☀️ 13 °C

    Mit einem Tag Verspätung hinter dem Plan ist mein Ziel heute Oix - und damit die letzte Etappe auf dem GR11. Die Wettervorhersage für die nächsten Tage, zwei weitere Etappen mit Campingplatz und Zelt sind gruselig: In den Pyrenäen bis runter auf 600 Meter Schnee, den ganze Samstag Regen, Temperatursturz um mindestens 8 Grad. Als ich mit Claudia gestern kurz telefoniert habe und sie mich wie üblich "Soll ich Dich abholen?" gefragt hat, habe ich diesmal kurzhand bejaht, d.h. heute wird es die letzte Etappe sein! Ja, leider ist diese Wanderung damit vorzeitig beendet, sorry lieber Leser, aber ich möchte mit etwas Spaß an der Sache vorangehen und die "Schnee-Etappe" nach Espolla hat mir recht deutlich gezeigt, was um die Jahreszeit noch möglich ist. Und ich bin jetzt nochmal deutlich tiefer in den Bergen, es geht halt nicht, Punkt.
    Ich habe etwas unruhig geschlafen, ein Kauz oder Uhu hat mich mehrmals in der Nach geweckt bis ich mir ein paar Ohrstöpsel ins Ohr gestopft habe. Es war auch ziemlich kühl, eine kleine Pfütze dicht am Zelt war am nächsten Morgen leicht angefroren, also etwas kühler als meine Ausrüstung zulässt. Ich habe daher in Klamotten geschlafen und stehe kurz nach 7 auf, als die Sonne aufgeht. Uff, ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer sein kann, sich aus dem warmen Schlafsack in die Kälte zu quälen, aber als die ersten Strahlen der Sonne rauskommen, wird es schlagartig erträglich. Mein Mini-Brenner funktioniert erstaunlich gut, und während der Fertig-Cappucino abkühlt nehme ich mein Frühstück zu mir: 6 Schokokekse und ein Energieriegel - zumindest ebenso nahrhaft wie manches Hotelfrühstück ,-) Alles abgebaut, eingepackt und um um kurz nacht acht starte ich meine letzte Etappe. Auch die Füße sind wieder gut, ich kann heute mit meinem linken Fuß zum ersten Mal wieder ohne Schmerzen in den Schuh. Beim Refugio komme ich nach 2 Minuten vorbei und frage, weil die Schulklasse noch da ist, ob ich kurz das Bad benutzten könnte. "Hay no lavabo" ist die Antwort - kein Bad. Während ich mich frage, wie die 42 Schüler und Lehrer das zwei Tage lang ausgehalten habe, sehe ich das Ergebnis direkt auf dem Wanderweg, grade mal 10 Meter hinter dem Haus. Pfui deibel, leider ist auch das Spanien, die Refugios nicht viel mehr als ein Steinhaus mit Schlafplätzen und die Spanier, tut mir leid, oftmals lauter kleine Ferkel. Egal, Waschen wird eh' überschätzt, kann ich Abends immer noch nachholen denke ich und mache mich auf den Weg. Da ich heute keine Rücksicht auf die nächsten Tage nehmen muß, beschließe ich den neben dem GR11 liegenden "Puig de Bassegoda" noch raufzuklettern. Das sind knapp 90 Minuten Umweg mit Päuschen oben drauf, und nicht mal 300 Höhenmeter extra. Der Puig ist mit knapp 1400 m der höchste Berg in der Garrotxa, wie die Gegen hier heißt. Der Weg geht anfangs noch quer durch den Wald aber lichtet sich dann bald. Kleinere Schneefelder links und rechts im Schatten der Bäume säumen den Weg, kurz vor dem Gipfel ein phantastischer Platz, der offenbar im Sommer auch zum Campen genutzt wird. Die Aussicht auf die Pyrenäen Richtung Frankreicht haut mich hier schon um und so geht es weiter bergauf. die letzten 30 Meter müssen gekraxelt werden, davon ungefähr die Hälfter fast senkrecht. Allerdings ist diese Stelle mit Ketten und Hand/Fußgriffen gesichert, die in sehr gutem Zustand sind, so daß man sicher den recht langgezogenen Gipfel erreicht.
    Eine schöne Überraschung, oben treffe ich den ersten Wanderer seit Tagen, Jorgi aus Figueres. Ich kratze alle meine Spanischkenntnisse zusammen und wir tauschen uns über das Woher und Wohin aus, wie toll und ruhig ("tranquillo") es hier ist usw. Jorgi zeigt mir alle umliegenden Berge, wo man Skifahren kann usw. - ein echter Bergfex eben! Selbst Montseny und Matagalls sind von hier aus klar zu erkennen, knapp 60 KM Luftlinie entfernt sieht man deutlich eine Decke aus Neuschnee auf beiden Bergen. Ich mache noch ein paar Fotos - Jorgi fotografiert mich wiederum vor der prächtigen Kulisse - esse in Ruhe noch eine Wurst, die ich in La Jonquera zur Verstärkuing des Proviants gekauft hatte als 2. Frühstück. Mir fällt zudem auf, dass keinerlei Wind geht, selbst oben auf dem Gipfel ist es nahezu windstill. der Himmer ist blau und die Sonne kommt so langsam richtig in Fahrt. Angesichts der tollen Kulisse um mich herum mache ich mich schweren Herzens, aber glücklich, auf den Rückweg den Berg runter und dann weiter auf dem GR11.
    Es geht nun überwiegend bergab, immer tiefer um Berghänge herum in die tiefen Täler. Auch der Wald hat sich inzwischen sichtbar geändert: Auf der Südeseite der Hänge (Sonne!) überwiegen Nadelhölzer und bedingt durch den Kalkstein der Berge sieht die Landschaft sehr ähnlich aus wie im Pinzgau beispielsweise. Auf der Norseite dagegen dominieren immer noch Laubbäume und entsprechend ist auch der Boden feuchter und dunkler. Mit am tiefsten Punkt des Abstiegs führt der GR11 an der Ermita de Sant Aniol d'Aguja vorbei. Hier stünde theoretisch auch ein Refugio zur Verfügung, das aber gerade umgebaut wird. So wie der Umbau aussieht, sollte man allerdings nicht vor 2021 damit rechnen, hier unterzukommen... Es führt jedoch ein wunderbar klarer und recht großer Bach direkt an der Ermita vorbei, selbst eine kleine Hängebrücke über ihn gibt es. Ich fülle nochmal meine Wasserblase auf und ziehe dann weiter.
    Kurz vorher hatte ich auf einem Wegweise gelesen, dass es bis Oix noch fast 5 Stunden seien. Kann nicht sein, ich hatte von das aus nur rund 3 Stunden ausrechnet! Ein Blick auf den Wandercomputer zeigt das Problem: Durchschnittsgeschwindigkeit von grade mal 2,7 KM/h bis dahin, normal für mich sind 4 bis 4,5 KM/h. Der Weg bis dahin war jedoch so geröllig und allgemein schwierig, dass ich die notwendige Zeit völlig unterschätzt hatte. D.h. ich würde mich auch mit Claudia ungefähr zwei Stunden zu spät treffen....au weia. Ich gebe daher richig Gas und mache mich jetzt auf ein weiteres Teilstück auf:
    Es geht nochmal über 300 HM bis zum Coll d' Talaixa rauf, was sich jedoch durch den wellenförmigen Weg auf über 500 gelaufene Höhenmeter summieren wird. Der Weg ist jedoch spektakulär und gehört mit zu den schönsten Kilometern auf meiner ganzen Wanderung. Während auf der rechten Seite der Berg teilweise fast senkrecht mehrere hundert Meter ansteigt, fällt das Tal nach links neben dem Weg immer mehr nach unten zurück. Die Ausblicke entlang des Tals, auch auf die umliegenden Berge sind einfach atemberaubend schön. Ein bischen Schwindelfrei muss man allerdings sein, da sich der Weg teilweise an einzelnen Stellen bis auf rund einen Meter verengt (wieder vorbildlich mit Ketten abgesichert) und links davon sich inzwischen bis zu 200 Luft bis zum Boden befinden, ist ein sicherer Tritt gefragt. Das sind aber immer nur sehr kurze Stellen, so daß man relativ sicher unterwegs ist. Angekommen am Coll findet sich eine kleine Kapelle, kurz dahinter wieder ein Refugio und nun kommt der Abstieg durch den Wald bis auf 300 Meter runter. Meine Knie knacken, die Fußsohlen brennen und ich sprinte weiter Richtung Oix. An einer weiteren Kapelle, Sant Miquel d'Ortmoier befindet sich erneut ein größerer Bach. Hier ist auch mein Abschied vom GR11, ein schnöder Wegweise nach rechts - ich aber werde noch knapp 5 KM bis nach Oix laufen.
    Am Ende habe ich die spanische Wegzeit um über eine Stunde unterboten. Ich komme mit qualmenden Sohlen an und sehe - nichts. Claudia hat in einem anderen Teil von Oix, rund 15 Autominuten auf mich gewartet. Während ich auf sie warte erhole ich mich im Hostal d' Rovira bei einem kühlen und sehr großen Radler. Sehr nettes Hostal, das wäre heute eigentlich meine Übernachtungsmöglichkeit gewesen, aber nur mit Radler lässt es sich dort auch hervorragend genießen. Die TÜr geht auf, Claudia kommt herein und wir freuen uns beide einander zu sehen.

    Mein GR11 findet hier erstmal ein Ende. Mit 155 KM in 6 Tagen habe ich etwas mehr als 1/6 des GR11 zurückgelegt. Der Tag heute, wenn auch nochmal sehr anstrengend, hat jedoch Lust auf den Rest gemacht, sehr viel Lust. Daher entscheide ich mich, dass das Ende heute nur eine Pause ist, mal schauen, wie lange sie dauern wird.
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