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  • Day 73

    Road Runner auf Hochtouren

    March 11, 2019 in New Zealand ⋅ ⛅ 14 °C

    Zentimeter für Zentimeter setze ich meinen Campervan (der übrigens in großer Beschriftung den Namen Road Runner trägt) vorwärts, schaue immer wieder aus dem Fenster nach oben, halte an, steige aus, begutachte die Lage. Ich bin dabei, meinen Campervan sorgsam unter einem Stahlbarren hindurchzuschieben, der als Höhenbegrenzung für Fahrzeuge auf den Weg zum „Oparara Basin“ fungiert und ungeeignete Fahrzeuge für die Strecke ausmustern soll. Nicht ganz einfach für mich, Fahrer und Beobachter gleichzeitig zu sein. Schließlich kann ich die Situation gut überblicken; „Hat noch eine daumenbreite Luft, passt perfekt!“ murmel ich zufrieden vor mich hin und setze unter der Barriere ohne Kontakteinwirkung hindurch. Vor mir liegt eine enge, holprige Schotterpiste, häufig nicht mehr als einspurig, maximal eineinhalb spurig, Steigungen bis zu 15%, kurvig, die Fahrbahnränder überwiegend stark zugewachsen oder leicht abschüssig, keinerlei Wendemöglichkeiten entlang des Weges. Ein gelbes Warnschild signalisiert unverständlich „Not suitable for campervans!!!“. „Gut, nun ist so ein Warnschild ja kein Verbotsschild“ denke ich. Außerdem bin ich ja nur ein „kleiner“ Campervan und habe die Messlatte doch sichtbar unterschritten. Vielleicht hätte ich an diesem Punkt tatsächlich umgedreht, wenn ich nicht am Tag vorher mit dem netten Kollegen des Infocenters gesprochen hätte. Er war zuversichtlich, dass ich es mit meinem Campervan schaffe. Ist ja nicht viel breiter als ein normales Auto, ich müsse halt schön vorsichtig fahren und keine ruckartigen Ausweichmanöver starten. Seine Worte noch in meinem Ohr beginne ich also mit gemischten Gefühlen die abenteuerlich Weiterfahrt. Ich bin extra früh aufgestanden und habe das Frühstück ausfallen lassen, um der erste mutige Fahrer an diesem Morgen zu sein und mir Zeit lassen zu können. Die Strecke schüttelt mich ordentlich durch, das Geschirr im Rückraum klimpert ordentlich, die Fahrerkabine gerät in den engen Kurven ordentlich in Seitenlage, so dass ich mich instinktiv in die Mitte lehne um Gegengewicht zu schaffen, und der Motor läuft auf Hochtouren, sobald ich mich im ersten Gang einen steilen Anstieg emporkämpfe. „Geht eigentlich, hätte schlimmer sein können!“ beruhige ich mich selbst. Allerdings ist mir im gleichen Moment auch bewusst, dass ich momentan die Strecke für mich alleine habe, keinem Gegenverkehr begegne, dem ich ausweichen muss. Das wird auf der Rückfahrt leider anders sein. An einigen Stellen graut mir die Vorstellung, hier einem anderen Fahrzeug auf der Rückfahrt zu begegnen und ich spiele bereits in meinem Kopf das Disaster durch, sollte ich an einem steilen kurvigen Anstieg zurücksetzen müssen um einem Hindernis auszuweichen. Aber soweit ist es ja noch nicht und nach etwa 30 Minuten Fahrzeit erreiche ich erstmal sicher den großzügigen Parkplatz des Oparara Basins, der trotz seiner Abgelegenheit offensichtlich für eine große Zahl von Besuchern ausgelegt ist. Jetzt gerade, gegen 8:20 Uhr morgens, steht neben mir nur ein weiteres Fahrzeug auf dem verlassenen Gelände. Sehr schön, somit kann ich also in aller Ruhe diese Natursehenswürdigkeit entdecken. Das Oparara Basin ist letztlich ein kleines Flussbecken innerhalb eines dichtbewachsenen Regenwalds. Zur Touristenattraktion ist es allerdings durch seine monströsen Gesteinsbögen geworden, die der Fluss in unermüdlicher Arbeit geformt hat. Der größte unter Ihnen, der sogenannte Oparara Arch, überspannt den Fluss in einer Breite von knapp 50 Metern mit einer Höhe von knapp 40 Meter. Beeindruckende Maße.

    Ich verbringe meinen Vormittag mit ein paar kleineren Wanderungen, die mich zu den verschiedenen Highlights bringen werden. Neben den berühmten Archs führt mich der Weg entlang eines Mirror Tarn, einem seichten kleinen See, in dem ich sich der umliegende Regenwald in unglaublicher Weise spiegelt und den Augen ein mehr als surreales Bild liefert. Für mich das wirkliche Highlight des Oparara Basins. Am Schluss meiner Entdeckungstour wage ich noch einen kurzen Ausflug in eine dunkle Höhle. Mit Stirnlampe bewaffnet begebe ich mich die steilen Stufen ins lichtlose Gewölbe hinab. Laut Infotafel erwarten einen tierische Höhlenbewohner wie zum Beispiel eine seltene Spinnenart. Ich selbst entdecke nur Leere und bin um die ausbleibende Begegnung mit den Mehrbeinern auch nicht wirklich traurig. Trotzdem war der kleine Ausflug in das dunkle verlassene Höhlensystem ein spannendes Abenteuer, weil ich nicht wirklich wusste, was mich erwarten würde.

    Die Wanderwege sind sehr schön, extrem grün umwachsen, die Temperatur belebend frisch und feucht und die Stimmung im Morgengrauen wunderbar ruhig. Trotzdem fühle ich eine innere Unruhe und hetze die Strecke schnellen Schrittes entlang. In meinem Hinterkopf kreist ständig noch die bevorstehende Rückfahrt. Ich habe mir ausgerechnet, dass die meisten Besucher sich etwa gegen 11 Uhr auf den schottrigen Weg zum Oparara Basin begeben werden. Das heißt für mich bis 10:30 Uhr die Rückfahrt antreten, um die Rush Hour und damit zu viele Begegnungen auf der Rückfahrt zu vermeiden. „Zügig, zügig“ schallt es in mir innerlich und ich gönne mir daher selbst an den Sehenswürdigkeiten nicht allzu lange Verschnaufspausen. Mein Plan geht aber wenigstens auf, ich verlasse rechtzeitig das Gelände und begegne auf der gesamten Rückfahrt an glücklicherweise gutmütigen Stellen nur einer Handvoll von Fahrzeugen, so dass ich wenig später erleichtert und ohne Zwischenfälle wieder auf der großzügigen gutbefestigten Hauptstraße einbiegen kann. Rückblickend bin mir nicht sicher, ob ich den Weg für das Oparara Basin ein zweites Mal auf mich nehmen würde, aber insgesamt gesehen war die Tour ein spannendes Abenteuer, welches ich bestimmt in Erinnerung behalten werde...

    Meinem Road Runner bin ich jedenfalls dankbar, dass er der Zerreißprobe Stand gehalten hat. Immer wieder bemerke ich beim Aussteigen, dass der Gute ganz schön schnauft und der Motor ordentlich heiß gelaufen ist. Als meine Augen zufällig auf den Kilometerstand schweifen, wird mir noch viel mehr klar, dass der alte Greis eine rollende Zeitbombe ist und am Ende seines Lebenszyklus angekommen ist: 250000 km sind für einen Benziner ein gutes Alter. Ich bin mir sicher, er hat bisher ein spannendes Leben hinter sich... 😄
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