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  • Day 131

    Hop Off an der Copacabana

    May 8, 2019 in Bolivia ⋅ ☀️ 10 °C

    Nein, ich befinde mich nicht an der weltberühmten Copacabana in Rio de Janeiro, sondern im kleinen beschaulichen gleichnamigen Dörfchen am Titicacasee an der Grenze zwischen Bolivien und Peru. Die Sonne scheint, das tiefblaue Wasser reicht bis zum Horizont, an der kleinen steinigen Hafenbucht lässt sich aus einer der vielen Bars und Cafés wunderbar das Treiben der Fischerboote und Ausflugsboote beobachten. Alles wirkt wie an einem kleinen südeuropäischen Dörfchen irgendwo am Mittelmeer. Kaum vorstellbar, dass ich mich gerade auf knapp 4000 m Höhe befinde und auf den höchsten schiffbaren See der Welt blicke.

    Seit heute hat für mich erstmal eine neue Form des Reisens begonnen. Nicht nur, weil ich ja leider seit nunmehr einer knappen Woche auf mich alleine gestellt bin und ich auf die wunderbare Begleitung von Susi verzichten muss, sondern auch weil ich die nächsten Tage hauptsächlich mit Bus unterwegs sein werde. Mein Ziel ist es, in circa einer Woche in Cusco zu sein. Fliegen war mir zu teuer und ich hatte außerdem das Gefühl, dass ich bei einem zweistündigen Flug, einen Großteil des schönen Boliviens und Perus mit Sicherheit verpassen werde. Eher zufällig bin ich bei meiner Reiseplanung auf das junge Unternehmen „Bolivia Hop“ gestoßen. Dieses Busunternehmen wurde von einigen jungen Iren gegründet, die es sich zum Ziel gesetzt haben, für Reisende (und insbesondere auch für nicht spanisch sprechende Reisende wie mich) eine sichere Form des Reisens zu schaffen, um die Schönheit Boliviens und Perus ohne Bedenken in vollen Zügen genießen zu können. Schaut man nämlich in diverse Reiseberichte oder auch auf die Seite des auswärtigen Amtes, so wird immer wieder vor dem Risiko einer Busreise in diesen beiden Ländern gewarnt: unverantwortliche Busfahrer mit halsbrecherischem Fahrstil, Überfälle und sogar Entführungen von Reisebussen, Diebstahl von Gepäck, usw. . Mit „Bolivia Hop“ soll man sich über solche Ereignisse keine Gedanken machen müssen. Das Unternehmen stellt sichere bequeme Busse mit zuverlässigen Fahrern und jede Fahrt wird von einem lokalen englischsprachigen Guide begleitet, der jederzeit unterstützen kann (z.B. beim Grenzübergang, bei der Organisation von Hostels oder Ausflügen, usw.). Als Sahnehäubchen wird eine flexible Form des Reisens ermöglicht, da man an verschiedenen reizvollen Orten jederzeit aus- und zusteigen kann (Hop-on / Hop-off System) und die Aufenthaltsdauer an jedem Ort Reise und spontan wählen kann. Zudem wird der Austausch und Kontakt zwischen den Reisenden gefördert, so dass man relativ schnell Anschluss findet (sofern man das möchte). Für die insgesamt knapp viertägige Busstrecke von La Paz nach Cusco zahle ich gerade mal 79 Dollar. „Kannste nix sagen“ (um es in den Worten von Susi auszudrücken) 🙂

    Mein erster Eindruck von „Bolivia Hop“ ist durchaus positiv, als ich früh morgens in La Paz den Bus betrete. Bequeme Sitze, ordentliche Beinfreiheit, sehr gemischte Altersklasse von 18 bis 65. Die Guides sind freundlich, auch wenn sie für meinen Geschmack manchmal etwas übertrieben cool wirken wollen. Jeder Satz beginnt mit „My friends,...“ und beim dritten Mal hat es dann hoffentlich auch jeder verstanden, dass die Toiletten nur für „Number One“ sind 😂 Im Bus treffe ich auch Christoph, einen Winzer aus Koblenz, wieder, mit dem ich gestern in La Paz gemeinsam die Stadtführung gemacht habe. Anscheinend hat ihm mein Tipp mit Bolivia Hop zugesagt und wir werden somit auch die nächsten beiden Tage gemeinsam auf den Ausflügen unterwegs sein. Christoph ist bereits seit zwei Jahren auf Reisen und mir sehr sympathisch , da er nicht wie viele andere Reisende von sich aus losschießt, was er ja schon alles Tolles erlebt hat. Ich denke, wir werden auch in Deutschland in Kontakt bleiben. Zu unserem kleinen elitären Kreis gesellt sich noch eine etwas ältere Amerikanerin aus Pensylvenia (wahrscheinlich so Mitte 50, aber jung geblieben), die sehr aufgeschlossen und ebenfalls froh über Anschluss ist.

    Nach wenigen Stunden Busfahrt und einer kurzen Überquerung des Titicaca-Sees auf einem Holzfloß (!!!) erreichen wir unser erstes Ziel. Copacabana entpuppt sich als absolut positive Überraschung für mich. Ich bin ohne Erwartungen angereist, aber ich fühle mich von Anfang an wohl. Das liegt mit Sicherheit auch am sonnigen warmen Wetter, an der schönen Szenerie mit Blick auf den See, den überschaubaren Gassen mit netten Bars und Restaurants und auch an meiner Unterkunft, die ein echter Glücksgriff ist. Für knapp 17 Euro die Nacht habe ich ein schönes geräumiges Einzelzimmer und kann in den Hängematten des kleinen schön gepflegten Gartens verweilen. Highlight ist die kleine Alpaca-Familie, die den Garten mit mir teilt und mich freundlich begrüßt. Ich könnte stundenlang einfach nur hier „abhängen“ und das Treiben dieser putzigen Tiere beobachten (übrigens scheinen sie den Rasen auf perfekter Länge zu halten, besser als jeder Rasenmäher. Vielleicht eine Überlegung für zu Hause wert... 😉).

    Am Nachmittag erwartet mich dann noch eine kleine Bootstour zur Isla del Sol, der angeblichen Geburtsstätte der Inkas. Hier soll der Sonnengott die ersten Inkas erschaffen haben, Auf der Insel befindet sich daher auch ein kleiner Inka-Tempel zu Ehren des Sonnengottes, eine schnörkellose Steinhütte, die für meinen Geschmack wenig spektakulär ist (dafür, dass hier der Ursprung des Inka Reiches war?!). Der Ausflug ist trotzdem schön, ein kleiner einstündiger Spaziergang mit doch recht steilem Aufstieg (auf 4000 m muss man da schon etwas mehr Luft holen) verschafft uns ein tolles Panorama über die Insel, welche mich ein wenig an die schönen Mittelmeerinseln Griechenlands erinnert.

    Am späten Nachmittag wieder zurück in Copacabana beschließen Christoph und ich, den Abend mit einem kühlen Bierchen auf einer Anhöhe neben der Hafenbucht abzuschließen, ein Tipp von Christophs Superhost Maria für einen wunderbaren Sonnenuntergang. Es heißt also nochmal tief durchatmen und die steilen Treppen auf einen hohen Felsen erklimmen. Wie so oft in Südamerika werden wir bei unserem Ausflug von einem treuen Straßenhund begleitet, der immer wieder geduldig auf uns wartet. Der Aufstieg lohnt sich. Auf dem Gipfel befindet sich eine kleine Kapelle, mehrere große geschmückte Kreuze und Marienstatuen (wie ich später erfahre, ist dieser Gipfel ein wichtiger Wallfahrtsort der Katholiken in Bolivien). Und wir haben natürlich auch einen wunderbaren Ausblick auf Copacabana und den riesigen Titicaca-See. Ich kann immer noch nicht realisieren, dass wir auf 4000m sind. Tief unter uns können wir die kleinen Bootchen verfolgen, die friedlich ihren Weg zwischen der Isla Del Sol und Copacabana absolvieren. Ein chilenisches Pärchen nimmt auf den Stufen vor uns Platz und gibt melodische Gitarrenmusik mit Gesang von sich, welche nur kurz vom erfrischenden Zischen beim Öffnen unserer Bierdosen unterbrochen wird. Ein meditativer Ort, der mir in Erinnerung bleiben wird.
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