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  • Day 70

    Dampf ablassen

    March 24, 2020 in Guatemala ⋅ ⛅ 21 °C

    Bis jetzt war ich immer guten Mutes. Ich bin ja sehr privilegiert.
    Das Geld kommt rein ohne das ich dafür arbeiten muss, ich muss nicht nach Hause hetzen in gefährlichen Zeiten um arbeiten zu können.
    Ich bin Schweizerin.
    Ich habe eine sehr gute Krankenkasse.
    Der Sohn meiner, nun ehemaligen, Gastgeberin ist der ärztliche Direktor einer Privatklinik, welche meine KK bezahlen würde.
    Ich habe ein Dach über dem Kopf, gutes Essen, eine eigene Dusche und Toilette.
    Zwei sehr hässliche Räume aber mit viel Licht und ich habe sie mit meinen Kleidern dekoriert! Most importantly - Super-Duper-WIFI. TOTAL PRIVILEGIERT

    Das einzige nicht gar so Lustige ist meine Lungen Fibrose, sie heisst Pheebe, wie die stimmlich und musikalisch überaus unbegabte Blondie aus Friends.

    Pheebe kommt jetzt gerade sehr ungelegen. Sie macht mich sozusagen zu einer Zielscheibe auf welche eine blinde Person drauf ballern kann und immer noch ins Schwarze trifft. Sie verbietet mir das Reisen. Irgendwie blöde, oder? In der Regel haben wir ein gutes Verhältnis aber im Moment mag sie nicht sehr. Ich rede manchmal mit Pheebe aber sie hat zur Zeit keine qualifizierte Meinung.

    Ich muss mal Dampf ablassen, dafür schreibe ich lieber in meiner ersten Fremdsprache. Auf schweizerdeutsch schreibe ich ungerne.

    Ich bin sauer über kriminelle Presidenten welche durch ihre Untätigkeit/Nachlässigkeit und/oder ihre geisteskranke Persönlichkeit Leute umbringen. Jawohl, ich schlage vor den Begriff Mörder zu benutzen. Am Ende dieser weltweiten Tragödie sollten Sie vor das internationale Gericht gestellt werde.
    Ich bin wütend über Politiker welche Ökonomie höher bewerten als Gesundheit und Menschenleben.
    Ich bin entsetzt über Menschen welche sich in in einer solcher Situation nicht an Anweisungen halten können oder wollen.
    Ich rege mich total auf über Opportunisten welche Geld machen wollen aus der Not anderer.

    Das alles setzt mir zu.

    Mir setzt auch zu, dass hier viele Menschen gerade ihre Arbeit verloren haben oder verlieren und nicht wissen wie sie Ihre nächste Miete bezahlen sollen.
    Wie sie bald nicht mehr wissen wie sie Ihre Kinder ernähren können.

    Das es viele indigenous Menschen gibt welche nicht zum Arzt gehen; Entweder weil sie sich nur von traditionellen Mediziner behandeln lass und/oder sich den Arzt nicht leisten können.

    Darf ich eigentlich wütend sein über Menschen in Dörfern welche keinerlei Hygiene Regeln beachten (immer schon, nicht erst seit Corona) und so den Virus umso schneller zirkulieren lassen? Armut schließt Sauberkeit nicht aus.
    Ist das sich nicht sauber zu verhalten eine Tradition/Wert/Norm einer indigenous Gesellschaft welch zu kritisieren politisch unkorrekt wäre?

    Soll ich schweigend hinnehmen wenn Guatemalteken Ausländer belästigen weil Sie denken alle Ausländer sind infiziert?

    JA, ich verstehe die Psychologie, Soziologie und Ökonomie hinter kollektivem und individuellen Verhalten - die Zusammenhänge zwischen Armut, mangelnder Bildung und Arbeitslosigkeit und den Konsequenzen alledem.

    Ich bin grad trotzdem 😡. Ich gehe mich jetzt besser abregen.

    Zum Glück gibt es viele Menschen welche sich kümmern, sich engagieren, helfen usw. Spitalpersonal welches sich unter Gefährdung der eigenen Gesundheit halb zu Tode arbeiten.

    Diesen Menschen möchte ich von Herzen Dankeschön sagen.
    🙏

    Claudia
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