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  • Day 29

    Tunnel des Todes

    June 11, 2017 in Norway ⋅ ⛅ 13 °C

    Eigentlich könnten wir hier noch ne Weile bleiben, denn wir schauen etwas Träge aus der Wäsche. Die nächste Unterkunft haben wir blöderweise gestern Abend schon gebucht - stornieren ist nicht. Also dann los.

    Es gibt 2 Möglichkeiten Nordnorwegen zu durchreisen: Entweder auf der (relativ) vielbefahrenen E6 oder auf der über 600 km langen Küstenstraße Fv17, die sich immer schön am Ufer entlangschlängelt. Wir nehmen natürlich die zweite Option, denn die Reifen müssen wieder rundgefahren werden. Auf dem sehr guten Straßenbelag, oftmals sogar mit eigener Fahrspur je Richtung brausen wir Richtung Süden.
    An einer Tankstelle treffen wir dann drei Schweizer die mit ihren Vespas unterwegs sind. Vollbepackt und noch ne Angelrute hintendrauf war das schon ein sehr skurriles Bild.

    Das erste Ziel ist eine Staumauer und eine Felstreppe. Beides ist nur über eine kleine Straße zu erreichen, deren Benutzung ausdrücklich auf eigene Gefahr geschieht. Nanu, die Norweger haben es doch sonst nicht so mit Warnschildern - ist doch alles ganz nett hier, geteert und Platz für ein Auto und ein Zweirad. Es geht den Berg hinauf, durch einen ca. 2 Kilometer langen, unbeleuchteten Tunnel. Das schockt uns doch nicht. Dann gabelt sich die Straße rechtsrum alles voller Schnee, linksrum eine Absperrung, wo wir gerade noch dran vorbei passen.
    Also da lang! Nach ein paar Kilometern dann der nächste Tunnel natürlich wieder dunkel - kennen wir, also rein da. Aber dann die Überraschung: der Straßenbelag war nicht mehr vorhanden. Nur Matsch und Eis. Umkehren ist keine Option, also versuchen wir uns durchzukämpfen. Im 1. Gang, steil bergauf, versuchen wir im funzeligen Licht der Scheinwerfer die optimale Spur zu erkennen. Die Füße kurz über dem unwegsamen Untergrund, um Falle des Wegrutschens die Maschine wenigstens kontrolliert zu Boden gehen lassen zu können. Es rutscht und schlingert, dass es nur so eine Freude ist.
    Genug der Dramatik. Wir haben es geschafft. So ganz erleichtert sind aber noch nicht, denn wir müssen da auch wieder zurück. Aber beim zweiten Mal geht alles besser.

    Die Felstreppe mit ihren über 1.100 Stufen sparen wir uns. Einerseits, weil wir schon ordentlich Puls nach der Tunnelaktion haben - andererseits, weil die Hütte oben nur Donnerstags bewirtschaftet ist. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht ist da Wandertag in der Schule.

    Nun steht noch der Engabreen-Gletscher auf dem Programm. Der wird sehr komod besichtigt: anhalten, absteigen, staunen, kurz über die Klimaerwärmung nachdenken, Foto machen. Auf älteren Bildern sieht man, wie der Gletscher in den Fjord kalbt. Heute ist zwischen Gletscherzunge und Wasser schon ein deutlicher Abstand.

    Nur noch wenige Kilometer trennen uns von unserem Tagesziel. Es wird Zeit, einmal kurz über unsere Lebensmittelsituation nachzudenken. Denn so schön das Reisen mit dem Motorrad ist, so nervig ist es auch, ständig einkaufen zu müssen. Freude, ein Ort kommt des Weges - mit zwei Supermärkten. Beide zu. In einem Land ohne Ladenschlussgesetz hätte ich das jetzt so nicht erwartet. Auf der Fähre dann denn Kassierer gefragt, wo man denn hier noch was einkaufen könne. "Es ist Sonntag in Norwegen" war seine leicht süffisante Antwort. "Aber im letzten Ort vor 70 Kilometern war doch auch was offen..." - "Das ist ja auch eine Stadt". Andere Länder, andere Relationen.
    Wir müssen aber trotzdem nicht hungern, denn unsere schweizer Mitbewohner teilen ihr Abendessen mit uns. Wir revanchieren uns mit Mückenspray.
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