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  • Day 31

    Montbrison - La Chapelle-en-Lafaye

    June 26, 2010 in France ⋅ ☀️ 19 °C

    Weil ich bei den Kölnerinnen gesehen habe, dass es nicht so einfach ist, den Aufenthalt im Kloster zu verlängern, entschliesse ich mich am Ruhetag, mir auf dem hiesigen Campingplatz einen Wohnwagen zu mieten. Das hat obendrein den Vorteil, dass ich dadurch schon ein Paar Kilometer der nächsten Etappe vorwegnehme.

    Am Vorabend der Etappe gibt es dann auf dem Campingplatz ein unschönes Erlebnis: Der Platz hat drei Sterne und ist wirklich super. Ich habe eingekauft und bin gerade dabei mir das Essen zu bereiten als ich vom „Swimmingpool“ des Campingplatzes ein Stöhnen vernehme.

    Ich verlasse das Vorzelt und sehen, wie zwei Franzosen gerade eine alte Frau aus dem Pool ziehen. Diese hatte beim Schwimmen wohl eine Herzattacke. Ich frage ob ich helfen kann. Das verneinen die beiden jedoch. Die Dame ist bei Bewusstsein. Auch noch, als der Notarzt eintrifft. Sie hat wohl Wasser eingeatmet und stöhnt fürchtelich.

    Der Zustand der Dame verschlechtert sich.
    Irgendwann wird das Stöhnen immer leiser und durch mein Vorzelt sehe ich, wie der Notarzt die Dame wiederbeleben muss. Eine ganze Weile wird die Dame reanimiert. Nach einiger Zeit wird sie dann abtransortiert. Am Abend ist die Stimmung auf dem Campingplatz ziemlich bedröppelt. Mir erzählt man, zumindest verstehe ich das so, die Dame hätte überlebt....ich glaube jedoch, dass man uns da nicht die Wahrheit sagen möchte.

    Am nächsten Morgen gehts dann los.
    Die Etappe wird schwer werden. Sie ist lang und es geht laut Führer ziemlich bergauf. Am Anfang der Etappe ist dies allerdings noch garnicht zu ersehen: Es geht über Wiesen und Felder dahin.
    Nach St. Thomas la Garde gehts dann zum ersten Mal richtig bergauf. Hinauf auf den Montsupt. Ebenfalls ein kleiner Hügel vulkanischen Ursprungs, wie der in Montverdun.

    Hinter einer kleinen Kapelle auf dem Berg finde ich einen tollen Rastplatz mit prima Aussicht. Ich mache dort die erste Pause des Tages.

    Kaum vom Montsupt herunter gehts alsbald wieder aufwärts. Ich decke mich nochmals mit Wasser ein, denn ich weiss nicht, wo ich das nächste Mal welches bekommen kann.

    Der Aufstieg nach St.Jean Soleymieux ist dann wirklich hart: steil, lang, geradeaus den Berg hinauf. Serpentienen sind hier wohl unbekannt. Völlig erschöpft komme ich um 12.25 Uhr in St.Jean an. Mein Glück! Denn im Ort ist die einzige Epicerie auf dem Weg – und die schliesst um 12.30 Uhr.
    Ich kaufe Nudeln, eine Zuchini, Birnen, ein Reis-Fertiggericht, Tomatensauce, Wurst und Brot. Das alles muss auch für morgen reichen. Denn in der morgigen Herberge muss ich ebenfalls selbst kochen – morgen ist jedoch Sonntag, da wird es schwer etwas einzukaufen.

    Der Rucksack ist also bis zum Ziel in La-Chapelle-en-Lafaye extra schwer, da ich für zwei Tage einkaufen muss.

    In Marols muss ich den Jakobsweg kurz verlassen, da dieser wegen einer Jagd von der Gemeinde gesperrt ist. Als ich der steil ansteigenden Strasse folge sind dann durch den Wald tatsächlich Schüsse zu vernehmen.

    Ziemlich erschöpft und nach weiteren 300 Höhenmetern an Aufstieg erreiche ich schliesslich das Dach der diesjährigen Tour: „Le Creux du Cerf“ mit 1165 Metern.

    Kurz darauf höre ich im Wald deutlichen Motorenlärm. Schon sausen an mir vier Cross-Motoräder vorbei. Ich denke sofort "Dass muss doch verboten sein" – doch ich liege falsch! Denn wenig später sausen einige Quads an mir vorbei. Das scheint wohl hier gang und gebe zu sein.

    Schliesslich erreiche ich mein Ziel für den heutigen Tag: La Chapelle-en-Lafaye. Die Herberge ist wieder eine Wucht: Selbstversorger, gut ausgestattet, sauber.

    Ich habe bis zum Etappenziel heute 3,5 Liter Wasser getrunken.

    Der Herbergsvater erscheint eine Weile später. Er hat unterwegs noch einen weiteren Pilger aufgelesen. Dominique, so sein Name, will von hier aus nach Le Puy-en-Velay und weiter über die Via Podiensis und den Camino del Norte bis nach Santiago wandern. Super – bin ich nicht alleine hier oben und kann mich unterhalten. Dominique ist ein Ultraleicht-Wanderer. Seine Ausrüstung ist erste Sahne. Dabei beschränkt er sich auf das absolut Notwendige. Sein Rucksack wiegt zusammen mit sämtlichen Sachen und Essen gerademal 6 Kilo – wobei er nichts vermisst.

    Nach meinen Erfahrungen auf dem Westweg und auch im Vergleich mit den anderen Leuten, die ich unterwegs getroffen habe, dachte ich eigentlich, ich wäre in diesem Jahr sehr leicht unterwegs. Zumal ich mich ja auch schon vom Zelt getrennt habe.

    In Sachen Leichtgewichtswandern kann ich mir aber noch einiges bei Dominique abschauen.
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