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  • Day 80

    Titicacasee

    December 29, 2018 in Bolivia ⋅ ☁️ 9 °C

    Achtzehntgrößter See der Erde, dreimal so groß wie Luxemburg 😬, höchster schiffbarer See der Welt, einzigartige schwimmende Dörfer (und wahrscheinlich die meisten Kinderschmunzler, wenn der Name bei Stadt-Land-Fluss benutzt wird 😉) - der Titicacasee ist weltweit ein Begriff und darf auf unserer Reise nicht fehlen.

    Wir starten auf der peruanischen Seite in Puno. Die Stadt selbst ist nicht gerade eine Perle, aber besitzt durchaus einen gewissen Charme. Schnell wird uns klar, dass die ganzen Touristen auch nicht wegen Puno an sich hierher kommen. Alles dreht sich um den See und die nahen Uros-Inseln. Auch wir buchen eine Tagestour dorthin und erkunden diese künstlichen, aus Schilf hergestellten Inseln, die von kleinen indigenen Familien bewohnt werden.

    Es gibt leider nicht wirklich individuelle Möglichkeiten, Uros zu besuchen und somit landen wir auf unserer ersten touristischen Kaffeefahrt dieser Reise mit Souvenirverkauf, hochmotiviertem Guide und Pseudo-Folklore. 😂
    Aber ganz so schlimm, wie wir befürchten, ist es dann doch nicht.
    Zuerst geht’s mit einem kleinen Boot von Puno zu den Schilfinseln. Schon unterwegs wird uns der Tagesablauf detailliert und mit allen Möglichkeiten, Souvenirs zu kaufen, vom Guide erklärt. Als wir skeptisch auf der ersten Insel ankommen, werden wir allerdings ganz herzlich von den dort lebenden Familien empfangen. Der Insel-Präsident (so hat er sich tatsächlich vorgestellt😬) erklärt uns ausführlich, wie die Inseln und die darauf stehenden Häuser aus Seegras gebaut werden und wie die Familien hier leben. Wir sind beeindruckt, dass wir auf meterdickem, sich selbst kompostierendem Schilfboden stehen, den die Uros regelmäßig mit frischem Gras von oben erneuern. Das Gefühl, über die weiche Oberfläche einer schaukelnden Insel zu gehen, nur wenige Zentimeter über dem durchsickernden Wasser, ist einzigartig. Wir dürfen sogar ins Haus des „Präsidenten“ und bekommen von seiner Frau erklärt, wie die Familie hier wohnt.
    Danach gibt es selbstgebastelte Souvenirs aus Schilf zu kaufen. Tatsächlich sind einige süße Spielzeugboote und interessante Instrumente dabei. Schade, dass die Sachen unsere weitere Reise im Gepäck nicht überleben würden.
    Als wir dann ein traditionelles Schilfboot besteigen, der Präsident seinen Sohn nötigt, uns Kinderlieder vorzusingen und wir erleben, dass die Frauen egal welcher Insel für alle Touristen das gleiche Abschiedslied anstimmen, bekommen wir wieder eine Ahnung, wie kommerziell diese einst traditionelle Lebensart vermarktet wird. Auch wenn die Uros damit ihren Lebensunterhalt verdienen, bleibt doch ein kleiner bitterer Beigeschmack.

    Auf der Rückfahrt nach Puno halten wir an der Insel Taquile. Diesmal eine echte Insel 😉 mit toskanischem Charme und einem Dorf, in dem wir allerlei Sachen aus Alpaka-Wolle kaufen können. Das ist nämlich hier die Hauptbeschäftigung der Männer (!). Nach einem ausführlichen Inselspaziergang gibt’s zur Stärkung ein traditionelles Mittagessen aus Quinoa-Suppe und hervorragender Forelle aus dem See. Wer allerdings denkt, im Titicacasee wimmelt es nur so von Fischen, der täuscht. Zum einen ist es hier sehr kalt, zum anderen ist das Ökosystem leider durch jahrzehntelange Verschmutzung erheblich gestört. Beim Gedanken daran, dass fast jede Touristengruppe Forelle serviert bekommt, macht sich doch wieder ein bisschen Nachdenklichkeit breit.

    Einen Tag später verlassen wir dann Peru und fahren mit dem Bus nach Copacabana, einem kleinen Urlaubsort im Süden des Titicacasees und schon auf der bolivianischen Seite gelegen.
    Außer, dass wir im Bus gefragt werden, ob dieses Luxemburg denn tatsächlich ein richtiges Land ist, verläuft auch dieser Grenzübertritt wieder reibungslos. 😂
    In Copacabana angekommen beziehen wir eines der gemütlichsten Hotelzimmer der bisheriges Reise, mit Blick über die Bucht und einem eigenen kleinen Kamin. Auch das Essen im Hotelrestaurant ist gut und wir haben einen großen Garten über dem See mit Alpacas und Hängematten (www.hotelcupula.com). Nur beim Pisco Sour merken wir, dass wir nicht mehr in Peru sind. 😉

    Ansonsten ist der Ort ein kleines Touristenstädtchen mit einer Armada an Tretbooten am Seeufer und auch hier dreht sich fast alles um eine einzige Sehenswürdigkeit: die Isla del Sol.
    Auch wir statten der schönen Insel am nächsten Tag einen Besuch ab, wandern durch die fast schon mediterrane Landschaft und genießen die Ausblicke.
    Eigentlich alles wunderschön hier und mit viel Potential. Allerdings streiten sich seit mehr als einem Jahr im Norden der Insel zwei Gemeinden um die Einnahmen aus dem Tourismus. „Streiten“ ist dabei nicht richtig formuliert: die angeblich benachteiligte Gemeinde zerstört mutwillig Unterkünfte, Boote und jegliche touristische Infrastruktur. Man bewirft sich mit Steinen und sogar Dynamit und anfangs wurden schon mal Touristenboote, die noch im Norden anlegen wollten, gewaltsam in eine der Gemeinden umgelenkt. Der Status quo ist nun, dass der Norden der Isla del Sol für den Tourismus komplett unerreichbar ist. Boote fahren nur noch den Süden an und Wanderwege werden von der angeblich benachteiligten Partei blockiert. Man wird durch Posten am Weg aufgefordert, umzukehren und darf nicht passieren. Die bolivianische Regierung hält sich übrigens komplett aus diesem Streit heraus, was mit einer Verfassungsklausel zu tun hat, die indigenen Gruppen Boliviens weitgehende Autonomie zusichert und die hier anscheinend nur zu gerne herangezogen wird.
    Somit haben nun beide Konfliktparteien keine Einnahmen mehr, die halbe Insel ist bis aufs Blut zerstritten und die Touristen verlieren die Lust, überhaupt den Norden zu besuchen. Traurig und wenig intelligent...

    Wir hatten keine genauen Vorstellungen vom Titicacasee und sind nicht mit hohen Erwartungen hierher gekommen. Verglichen mit anderen Erlebnissen dieser Reise, belegt der See allerdings nicht einen der besten Plätze. Aber es waren auch keine verschenkten Tage. 😉

    Morgen fahren wir weiter nach La Paz und sind gespannt, was die Hauptstadt Boliviens für uns bereit hält. 🙌
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