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  • Day 15

    Raum und Zeit.

    May 13, 2021 in Croatia ⋅ ⛅ 16 °C

    Woran merkt man, dass man wirklich Zeit hat? Meine Antwort ergibt sich aus den Eindrücken der letzten Tage: Man muss sie sich nicht nehmen. Sie ist da, einfach so. Nirgendwo muss man sich Zeit abknapsen oder sich Freiräume schaffen. Es gibt keinen Plan, kein Muss. Die Taktung des Tages beschränkt sich auf das ganz Grundlegende. Aufstehen. Mit etwas Abstand dazu Frühstücken, vorher eben in aller Ruhe noch ein kleiner Einkauf im Supermarkt. Lange nichts. Sehr lange. Bis es irgendwann wieder zum Grundbedürfnis Essen kommt und die Entscheidung, wie man dazu kommt eigentlich keine ist. Sind wir unterwegs, lassen wir uns irgendwo nieder. Alternativ schauen wir halt, was unsere Vorräte im Wohnmobil so hergeben. Gegebenenfalls ist dazu wieder ein kleiner Einkauf nötig. Dann ist es eben so, es gab bisher immer einen Supermarkt in unmittelbarer Nähe unserer Stellplätze.
    Und das war es dann auch schon. Der Rest ist: nichts. Nichts, oder das, worauf wir Lust haben. In diesem Rhythmus sind wir seit einigen Tagen. Und er wird einem bewusst, wenn man so wie ich gestern ungefähr eine Stunde damit verbringt, den Teppich zu säubern. Diese gut zwei Quadratmeter grüner Outdoorteppich, der dankenswerterweise zur Ausstattung des Wohnmobils gehört und immer vorm Einstieg liegt, um die Chance zu wahren, nicht die ganze Natur des Campingplatzes direkt ins Wohnzimmer zu treten. Und wenn man sich irgendwann diesen Teppich anschaut, sieht, dass er wirklich eine Säuberung bräuchte um oben genannte Funktion noch irgendwie erfüllen zu können und dann nach einer Weile mit dem Besen drüber kehren feststellt, dass man doch wunderbar mit der Plastekehrschaufel den ganzen Dreck aus dem Teppichgewebe herauskratzen kann, dies in aller Ruhe in der Sonne und mit Freude über das sich einstellende Ergebnis tut, dann, ja dann weiß man, dass man Zeit hat.
    Wir sind angekommen in Omis, auf das "s" gehört noch ein nach unten zeigender Haken, den meine Handytastatur nicht kennt. Verbringen hier jetzt die vierte Nacht und haben uns heute entschlossen, noch eine weitere anzuhängen und Samstag weiterzureisen. Die Fahrt von Trogir nach Omis nicht weiter der Rede wert, es war etwa eine Stunde entspannt an der Küstenstraße entlang, dabei Split passiert. Trogir war sehr sehenswert, wir sind zweimal in die historische Altstadt gelaufen. Sie ist klein (wirklich klein) und, ja, historisch. Enge kleine Gassen, hier ein kleiner Platz vor einer Kirche, dort ein Café, Eisladen, Restaurant, ein winziger Souvenirladen mit Dingen die keiner braucht, in dem sich die Jungs trotzdem handbemalte Steine mit Magnet dran ausgesucht haben. Auf der einen Seite Hafen mit Promenade zum alten Festungsbau, auf der anderen Seite eine schöne Parkanlage. Das familiengeführte Restaurant, eine Konoba, also klein, einfach, mit landestypische Gerichten, haben wir an beiden Tagen besucht. Möglicherweise spielte der Familienhund Lu, ein junger italienischer Wasserhund, eine entscheidende Rolle dabei. Es war nicht viel los, wir kamen mit dem Wirt und seiner Frau ins Gespräch, die Tochter hat bedient, der Sohn schmeißt mit der Mutter die Küche. Sehr nett, gutes Deutsch zwar, aber mit furchtbarem Mannheimer Einschlag. Was es nicht alles gibt. Zum Abschluss selbstgemachter Likör aufs Haus. Ich habe ewig nicht mehr meine Mosaik-Hefte gelesen, aber als die Abrafaxe ihre Abenteuer in Dalmatien erlebten, hätte ein Wirt genau so ausgesehen.
    Auch in Omis kamen mir die Erinnerungen an die Mosaik-Abenteuer. Die Stadt ist nur an einem schmalen Streifen am Meer gebaut, dahinter erheben sich direkt hohe Felswände, weiter ins Land wird es richtig gebirgig. Nur etwa 200 Meter vom Campingplatz mündet die Cetina ins Meer, um diese Mündung herum wurden die Altstadt und der Hafen erbaut. Hoch oben auf einem der Felsen thront die alte Festung der Stadt, die wir gestern erklommen haben. Steiler, felsiger, bewaldeter Aufstieg, etwa eine Stunde, die Jungs motiviert dabei, es half, dass man durch die Bäume immer gut erkennen konnte, dass die Festung näher kam. Wunderbarer Ausblick von oben, wir waren allein und konnten ein sonniges Picknick genießen. Der Abstieg entspannter über einen anderen Weg, auch hier eine ganz eigene felsige Landschaft mit niedrigem Bewuchs, Sträucher, wilde Blumen, ich habe die Bilder aus den Mosaik-Geschichten im Kopf. Es ist eine ganz eigene Landschaft und das Frühjahr eine wunderbare Zeit um all das Grün und buntes Blühen, die Düfte der ganz verschieden Blüten zu genießen.
    Unser Campingplatz ist groß, eine riesige Fläche unter hohen Bäumen, natürlich am Wasser. Es gibt einen Sandstrand, der allerdings nicht das strahlende Weiß hat, das man sich vorstellen mag, wenig anziehend für die Jungs. Macht nichts, sie lieben den Platz für seine Weite, sind ständig auf ihren Fahrrädern unterwegs. Es ist wenig los, wir haben direkt am Wohnmobil jede Menge Platz zum Fussballspielen.
    Oder was wir eben sonst so tun den ganzen Tag. Wir haben ja Zeit. Jede Menge Zeit.
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