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  • Day 89

    Medellin, Kolumbien

    November 8, 2018 in Colombia ⋅ ⛅ 23 °C

    Buenos días!

    Am Busbahnhof angekommen, wird erst einmal gefrühstückt. Wir versuchen herauszufinden, wie wir am besten zu unserem Hostel kommen und stellen fest, dass es super einfach ist: Medellin hat als erste Stadt Kolumbiens eine Metro!

    Unser erster Eindruck von Medellin ist nicht der Beste. Man sieht viele Menschen, die betteln und viele Venezuelaner, die versuchen mit dem Verkauf von Lutschern oder Bonbons auf der Straße ein wenig Geld zu bekommen. Die Häuser sind einfach und überwiegend vergammelt.

    Ungefähr so ist auch der erste Eindruck vom "City-Center". Wir sitzen auf einer Bank unter dem riesigen Bauwerk einer Metrostation und müssen einfach lachen - das ist Medellin! Das Touri-Viertel "Poblado" dagegen sieht anders aus: Viele trendige Bars und Restaurants, Hotels und Hostels. Die Einheimischen nennen es Gringo-Town!

    Die Geschichte mit den Fahrrädern!

    Wir wollen mehr von Medellin sehen und was gibt es besseres als mit Fahrrädern die Stadt zu erkunden. Der Plan: wir mieten "einfach" - bicicletas publica (öffentliche Fahrräder), die wie bei car-sharing in der Stadt verteilt stehen und kostenlos ausgeliehen werden können. Klingt gut, man benötigt NUR eine Karte dazu. Hmmm-hört sich gut an, also los, Karte im Internet beantragen und...
    ...hier wird es kompliziert!

    Man benötigt für das Beantragen der einen Karte eine weitere Karte, die "Bürgerkarte", die man an bestimmten Metrohaltestellen beantragen kann. So wie dutzende Medelliner stehen wir dann also in der Schlange und füllen Formbögen aus. Dann wird der Pass natürlich wieder kontrolliert und Passnummer notiert. UND Fingerabdruck verlangt! Aber wir waren erfolgreich! Stolz mit der grünen Bürgerkarte in der Hand suchen wir uns einen Platz mit WiFi, da wir Scans dieser Bürgerkarte, unseres Reisepasses und eines Passfotos machen und all' dies im Internet hochladen müssen. Fertig!? Nö, haste gedacht! Das nächste Browserfenster ploppt auf und weitere Informationen werden abgefragt: Stromabrechnung, Wohnort, Beruf, Kontaktnummer der Arbeitsstelle, monatliches Einkommen und, wir wollen es kaum glauben, unsere Blutgruppe! Das alles nicht genug: Es wird nach dem sozialen Status gefragt - zwischen sozialer Stufe 1 und 6 kann man wählen. Unglaublich, ein Hoch auf unseren europäischen Datenschutz!

    Später bekommen wir heraus, dass alle Kolumbianer in eine soziale Stufe eingruppiert werden. Es ist wie in Indien, wo die Menschen im Kasten-System leben! Bei einer kolumbianischen Heirat müssen auch Braut und Bräutigam gleich viel Geld in die Ehe mitbringen. Man hat also eigentlich gar keine Chance, in seinem Leben in eine andere Stufe zu gelangen! Unvorstellbar! Die junge Frau, die in unserem Hostel arbeitet (sie hat 3 Jahre einen Job gesucht) hat deshalb für sich entschieden, nie zu heiraten und keine Kinder zu bekommen. Sie schläft im Hostel in einer Kajüte neben den anderen Gästen, arbeitet den ganzen Tag und wünscht sich irgendwann mal ein eigenes Zimmer mit eigenem Bett und Kochgelegenheit zu haben. Im Hostel arbeitet auch noch eine junge Frau aus Venezuela - sie erhält kein Lohn, hat aber dafür ein Dach über dem Kopf!

    Übrigens unsere Challenge mit dem Versuch der Fahradleihe haben wir verloren 😁 wir gehen zu Fuß, oder nehmen die Metro!

    Zu Hause ist uns Medellin als eine Stadt mit schlimmer Vergangenheit und extrem hoher Kriminalität im Kopf! Medellin-Kartell, Pablo Escobar, Drogenhandel, Banden und Morde. Uns interessiert wie es heute hier ist und fahren mit der Metrobahn in einen der armen Außenbezirke. Auf dem Weg, aber auch sonst in der Stadt, werden wir oft angesprochen und gefragt wie uns die Stadt gefällt. Die Medelliner sind freundlich und stolz auf ihre Stadt. Es ist ihnen wichtig, dass wir uns wohl fühlen.

    Es wird viel investiert. In den Armenvierteln wurden Schulen gebaut, Krankenhäuser und sogar eine der größten Bibliotheken Kolumbiens. Wir fahren mit einer der neuen Seilbahnen über eines dieser Viertel. Ein überaus interessanter Blick über die Stadt und die verwinkelten, in die steilen Hügel gebauten Viertel. Aber so perfekt ist es dann doch nicht. Schaut man ins Detail, zeigt sich das Leben der untersten Sozialschicht. Auch werden wir gebeten an den Zwischenstationen aus Gründen der Sicherheit nicht auszusteigen!

    Sein Name wir hier nicht offen ausgesprochen. Manche sagen nur P. E., oder nur "er". Die Rede ist von Pablo Escobar, während des Drogenkrieges der 80er und Anfang 1990 Jahre wurden fast 40.000 Menschen und pro Jahr bis zu 6.500 Menschen allein in Medellin auf sein Geheiß hin ermordet. Angeblich soll die Mordrate jedoch heute immer noch bei 700 Menschen liegen und das ebenfalls pro Jahr! Wir machen eine "free guided tour" und erfahren viel über die Historie der Stadt, interessante Orte und Geschichten aus der Zeit des Drogenkrieges.

    Obwohl der Besitz, wie auch der Konsum von Kanabis und Kokain in Kolumbien verboten ist, bekommen wir mehrfach Drogen angeboten. Erst bekommt man Früchte oder Snacks von scheinbar normalen Straßenverkäufern angeboten, dann folgt im zweiten Satz das Wort Kokain. Die junge Frau in unserem Hostel sagt, es wäre einfacher an Waffen und Drogen zu kommen, als an Kondome! Das sagt einiges...

    Die Gesellschaft Medellins ist gespalten. Diejenigen, die die Zeit Escobars miterleben mussten, erfreuen sich an der neuen Moderne der Stadt. Andererseits werden von jungen Männern auch T-Shirts mit dem Gesicht Escobars in den Straßen angeboten. Schließlich wurde er damals von vielen Robin Hood Kolumbiens genannt, da er in Armenviertel investierte (Häuser baute, Grundstücke verschenkte) um Stimmen zu fangen - hat geklappt: P. E. wurde kurz darauf in den Kongress gewählt! In diesen Armenvierteln wird er noch heute verehrt - die Infos zu den ganzen Morden seien nur "Geschichten/Gerüchte"!

    Wir sind jedoch angetan von der Historie und dem Wandel der Stadt, wie aktiv mit Sozialprojekten, Kunst im öffentlichen Raum der ärmeren Viertel, zum Teil guter Stadtplanung und Imagekampagnen, die Stadt sich entwickelt.

    Eigentlich mögen wir keine Millionenstädte, sind aber froh, die Stadt erlebt und einen Abstecher hierhin gemacht zu haben 😜

    Hasta luego
    Ariane & Marco
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