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  • Day 263

    Namaste Nepal

    May 1, 2019 in Nepal ⋅ ☀️ 29 °C

    Namaste!

    Wie schnell vergeht die Zeit - 6 Wochen Nepal... Schwuppdiwupp und schon morgen geht der Flieger. Wir haben viel zu viele Fotos gemacht. Aber so bunt wie die Kleidung der Frauen, so vielfältig sind die Eindrücke, mit denen wir das Land verlassen.

    Immer wieder vergleichen wir Nepal mit den Ländern, die wir in Mittel-und Südamerika kennen gelernt haben. Guatemala hat uns dort sehr beeindruckt. Wir finden viele Ähnlichkeiten, aber auch große Unterschiede.

    Wie in Guatemala sehen wir leider auch in Nepal überall an den Straßenrändern, dass ganze LKW-Ladungen mit Müll die Böschung hinunter gekippt werden, oder dass die Menschen, die am Fluss leben, ihren Müll einfach dort hinein werfen. Wie in Guatemala sind nahezu alle Flüsse, bis auf die ganz oben in den Bergen, von Abwässern und Müll regelrecht verseucht. Nach dem morgentlichen Kehren (im Regelfall auf die Straße vorm Haus) wird erst mal der Müll vom Vortag verbrannt.

    Es muss sich einfach jeder, der als Tourist hier nach Nepal (oder in den anderen Ländern der Welt) reist darüber im Klaren sein, dass der selbst produzierte Müll an der nächsten Straßenböschung landen kann und dass das Abwasser vom Duschen das Wasser im Fluss weiter verschmutzt!

    Beide Länder haben eine wunderschöne Natur, die von den Familien landwirtschaftlich genutzt wird. Während man in Guatemala eigentlich ausschließlich Mais anbaut, wird hier neben Mais auch Reis, Getreide und viele verschiedene Gemüsearten wie Kohl, Bohnen, Erbsen, Möhren, Okraschoten, Zucchini, Salat und anderes, das ich nicht kenne, angebaut. Wir denken, dass das meiste Gemüse und einige Obstsorten, wie Bananen, Papaya oder auch Mangos hier selbst angebaut und verkauft werden, dass jedoch anderes Obst wie Äpfel aus China importiert wird. Die Äpfel sind fein säuberlich alle einzeln in ein Schaum-Plastik-Netz eingewickelt, was bei dem ganzen Plastikmüll auf der Welt wirklich zur Verbesserung beiträgt :-/

    Während in Guatemala die Hänge nach der Abholzung direkt bepflanzt werden, legen die Menschen hier in Nepal aufwendige Terrassen an, die bei Reisaussaat geflutet werden können. Gepflügt wird mit Ochsen. Weiden für die Büffel oder Ziegen gibt es nicht. Wie in Südamerika weiden sie am Feld- und Waldrand, mit dem Unterschied, dass Kühe hier heilig sind und überall herumlaufen und liegen dürfen und Büffel gegessen werden.

    Diese Kulturlandschaft sieht toll aus - und wir müssen immer wieder an die Mosel denken, wie dort mit großer Mühe ebensolche Terrassen mit Trockenmauern angelegt wurden. Und das Mauern, das können die hier in Nepal auch! Fasziniert sind wir durch ganz alte Dörfer gelaufen, deren alte Ortskerne aus akkurat gemauerten Bruchsteinhäusern mit unglaublich aufwendig verzierten Holzfenstern und Giebeln bestehen! Und das wurde von den Nepalesen hier vor Jahrhunderten angelegt...
    ... außer den Inka- und Mayabauten sind in ganz Mittel-und Südamerika nur Bauten aus der Kolonialzeit übrig geblieben.

    Wir haben es sehr genossen über eine so lange Zeit hier in den Bergen wandern zu können! Auch Guatemala hat eine tolle Bergwelt und tolle Wege! Die einzige Wandergruppe, die wir jedoch dort gesehen haben, wurden von mindestens 2 Polizisten begleitet! Wir fragen uns, warum das so sein muss?!? Wir finden es toll, an den Häusern in Nepal keine Gitter zu sehen - und wenn, sind es die alten Holzfenster, die nicht verglast sind, dafür ein Geflecht aus Holzleisten als Fenster haben.
    In Guatemala und dem übrigen Kontinent haben sich die Menschen regelrecht vergittert - neben haushohen Zäunen, kommen Stachel- oder/und Stromzaun hinzu. Wie kommt das? Sind doch in Mittel-und Südamerika auch alle sehr gläubig - katholisch gemixt mit alten Naturreligionen. Wir fühlen uns in Nepal so sicher! Übermittelt die hinduistische und buddhistische Religion so viel mehr Werte? Aber der christliche Glaube vermittelt doch auch Werte wie Nächstenliebe. Es gehört zum Alltag der Mittel-und Südamerikaner sich schützen zu müssen - wie traurig! Wird dort die Religion und was sie lehrt nicht wirklich gelebt?

    Das Leben findet in beiden Ländern auf der Straße statt (wörtlich). Annähernd jedes Haus hat einen kleinen Laden, wobei die angebotenen Produkte denen in Guatemala sehr ähneln: Cola oder Pepsi, Chips in kleinen Tüten verpackt, Süßigkeiten und Eier. Andere Häuser bieten Essen und Trinken an, es gibt Läden für Töpfe oder kleine Werkstätten. Gewaschen wird meist vor der Haustüre auf dem Boden, wenn es dort einen Wasserschlauch mit fließendem Wasser gibt, ansonsten im nächstgelegenen Bach. Die Wäsche wird auf der Hecke oder der Wiese zum Trocknen ausgebreitet. Einige haben auch eine Wäscheleine. Rolltore sind hier total "in" - dahinter können sich kleine Geschäfte, kleine Restaurants oder auch mal das Schlafzimmer verbergen:-) Wie in Guatemala sind die Fassaden einiger Häuser mit Werbung gestrichen und gesponsert. Während es in Mittel-und Südamerika überall kleine Plätze als Treffpunkte gibt, sehen wir hier, dass viele der riesigen, ausladenden Bäume rundherum hüfthoch einbetoniert sind - tolle Sitzplätze im Schatten der Bäume.

    Möchte man mit dem öffentlichen Bus von einem Ort zum anderen, muss man für 150km ca. 7 Stunden einrechnen. Da hat man genügend Zeit um sich die Gegend anzuschauen! Die LKWs sind fantasievoll geschmückt und angemalt. Damit sie nachts besser gesehen werden, dekorieren sie Warndreiecke als Sterne, Zacken oder Ecken an ihren Kühlerhauben. Auf den LKWs wird alles transportiert, was sich nicht wehren kann - so auch auf der eigentlichen Ladung noch obendrauf eine handvoll kleiner Büffelkälber - hat wohl noch drauf gepasst! Zur Sicherheit sitzt noch ein Mann daneben. Die Reifen werden bis zum Platzen abgefahren - Reifenwechsel findet also in der Regel erst dann statt, wenn es zu spät ist - am Straßenrand. Während wir in Deutschland dann hupen, wenn Gefahr im Verzug ist, wird hier auch die guatemaltekische Variante angewendet: es wird dann gehupt, wenn gefahren wird... also praktisch immer... vor einer Kurve, hinter einer Kurve, beim Vorbeifahren an anderen Autos, Fußgängern, Kühen oder Mofas - es gibt tatsächlich ein Schild, durch das in bestimmten Gebieten das Hupen verboten wird - das wird aber einheitlich von allen Verkehrsteilnehmern pflichtbewusst übersehen. Den Kühen auf den Straßen macht die ganze Huperei anscheinend gar nichts mehr aus - sie schlendern in aller Seelenruhe weiter, oder legen sich mitten auf die Straße zum Verdauungsschläfchen. Oft sehen sie besser aus als so mancher Hund.

    Aufgefallen sind uns die Häuser direkt an der Straße. Hier leben die Menschen in großer Armut. Sie versuchen Kleinigkeiten zu verkaufen, manche bieten auch Essen an. Wenn sie einen Wasserschlauch bis zu ihrem Grundstück haben, so waschen sie sich direkt am Straßenrand. Sie haben noch nicht einmal ein kleines Stück Land, das sie bewirtschaften können - Land ist auch hier sehr wertvoll!

    Wir haben in den verschiedenen Gebieten unterschiedliche Kulturen kennengelernt. Jede hat eine typische Kleidung. Die Frauen der Tamal in Gebiet Helambu/Langtang tragen zum Beispiel eine lange bunte Schleppe über ihrem Rock am Hintern, wenn sie verheiratet sind - sie möchten Fremden ihren Hintern nicht zeigen. Die traditionellen Kleidungen sind sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen faszinierend! Und wie hübsch sie aussehen! Babys und Kleinkinder werden, wenn es Mädchen sind, an den Augen ganz dunkel geschminkt. Frauen, die Saris tragen, tragen diese bei allen Arbeiten - so auch auf dem Feld oder auf dem Bau. Hier tragen sie wie die Männer Körbe voll geladen mit Steinen auf dem Rücken, gehalten durch ein Band am Kopf - Wahnsinn! Die jüngere Generation, vor allem in Kathmandu, trägt eher Jeans und "Markenklamotten"!

    Markenklamotten?! Naja, wo Adidas draufsteht, muss kein Adidas drin sein. Markenpiraterie ist hier sehr groß geschrieben. Eigentlich gibt es hier gar keine Waren aus dem Westen! So gibt es hier Sachen von den Marken 'Wolfskin Jack', oder man findet nicht FILA, sondern Schuhe von FILB :-) Es gibt unzählige Beispiele...

    Im Vergleich zu den anderen Ländern haben wir hier in Nepal sehr viele junge Menschen aus anderen Ländern getroffen, die als Volunteers "arbeiten" wollen, deren Berichte und Erzählungen mich und meine Meinung zur Freiwilligenarbeit weiter skeptisch betrachten lassen. Wir trafen z.B.2 junge Frauen, die über eine Organisation "an Projekten" teilnehmen konnten. Es gibt dort wohl eine ganze Liste an Projekten, aus denen sie sich auch für nur 2 Tage etwas aussuchen können. Eine der beiden hat aber bis jetzt noch kein Projekt gefunden, was ihr gut gefällt. So war sie mal 2 Tage in einem Kinderheim, aber mit Kindern will sie eigentlich nichts machen. Sie hat dann geholfen die Betten zu beziehen. Die andere junge Frau war dann mal 5 Tage in einer Bauernfamilie - aber zu tun gab es irgendwie nichts. Was bringt es an einem "Projekt" 2 oder 5 Tage teilzunehmen? Eine andere junge Frau erzählte, dass sie auch auf einem Hof als Volunteer nichts gearbeitet hat, es aber soooo schön war - sie habe mit den ganzen anderen Volunteeren abends zusammengesessen und gesungen. Ein junger Mann, der als Volunteer auch im Bereich der Landwirtschaft nichts zu tun hat, sieht die 200 Rupies (ca. 1,60€), die er an die Familie pro Tag für Kost und Logie zahlt, als günstige Unterkunft um dann immer wieder in einem anderen Gebiet wandern zu gehen. Auf der anderen Seite stehen für mich die zahlreichen Organisationen in der Kritik, die die offensichtlich gut gemeinten Hilfen als Produkt ansehen, horrende Summen als Gebühren verlangen und sich somit die eigenen Taschen füllen - gerne kann ein Volunteer für 10€ (!) am Tag in der Familie des Chefs der Organisation übernachten und essen... Ich schätze die Menschen, die ihre Zeit und ihren Arbeitseinsatz für einen guten Zweck einsetzen möchten - das ist wirklich eine tolle Sache! Ich kritisiere jedoch die Umsetzung sowohl auf Seiten der Volunteers als auch auf Seiten der Organisatoren und frage nach der Nachhaltigkeit. Und aus der Erfahrung aus Mittel- und Südamerika heraus sehe ich es mittlerweile einfach so, dass man durch die Freiwilligenarbeit auch eventuelle Arbeitsplätze (und mögen sie noch so klein oder wenig bezahlt sein) wegnimmt!
    Ein wirkliches Projekt wäre die Aufforstung der zahlreichen mittlerweile baumlosen Hänge, die so der Erosion schutzlos ausgeliefert sind! Da würde sich eine ganze Horde Volunteere wirklich nützlich machen!

    Interessant sind für mich auch die Kommentare, die man manchmal beim Buchen von Unterkünften lesen kann - Kommentare wie "das Badezimmer war zu klein" oder "ich hatte kein warmes Wasser beim Duschen" können doch nur von Reisenden kommen, die in einem Land mit hohem Lebensstandard leben - wie wir in Deutschland. Ich muss über solche Kommentare mittlerweile lachen und finde sie auch schon echt dumm! Haben die sich überhaupt damit auseinander gesetzt, in welches Land sie reisen? Wie reisen sie hier? Mit geschlossenen Augen in Touritaxis von einem Luxushotel ins andere?
    ...und sehen nicht, dass die Menschen hier mit Kanister an Brunnen in der Schlange mit zum Teil 30 anderen stehen um sich die tägliche Wasserration abzuzapfen und auf dem Rücken nach Hause zu schleppen? Wenn ich dann als verwöhnter Tourist morgens auf warmes Wasser warte, aber Wasser aus der Solaranlage angeboten wird (was ja wirklich eine tolle Sache ist!), kann das auch nicht funktionieren! Und wenn man dann noch sieht, dass die ganzen Brunnen leer sind, weil hier in Nepal der Wasserverbrauch sehr viel höher ist als früher und der Grundwasserspiegel bereits erheblich gesunken ist, dann bekommt der ganze Wasserverbrauch der Touristen ebenfalls einen negativen Beigeschmack - wie das Abholzen der ganzen Bäume in den Bergen, damit die Touris warm sitzen!

    Nepal ist ein kulturell sehr vielfältiges Land - und das schätzen auch so viele Menschen, die aus den Industrieländern hierhin kommen. Mich bestätigt das aber wieder in meiner Meinung, wie wichtig auch Kultur für uns zu Hause sein sollte - dass wir z.B. unsere Kirmes nicht vergessen und dass die Jugend für den 1. Mai einen Maibaum stellt...

    Uns hat die Vielfalt dieses Landes fasziniert. Es wird sich in Zukunft sicherlich verändern. Hoffentlich kann es viele seiner Traditionen und vor allem Werte auch in Zukunft beibehalten!

    Namaste!
    Marco und Ariane
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