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  • Day 273

    Willkommen in der Sowjetunion

    May 11, 2019 in Georgia ⋅ ⛅ 7 °C

    Gamarjoba :-)

    In 'Signagi' angekommen ist erst einmal angesagt eine Unterkunft zu suchen. Wie fast immer sind unsere Kriterien: erstens, es muss günstig sein, was heißt 10 € ist die Obergrenze und zweitens, eine Kochmöglichkeit haben. Wir fragen uns mit unserer Übersetzungs-App auf Russisch durch und werden auch bald bei einer alten Frau fündig. Es geht erst durch ein Tor in einen Hof und dann über alt, nein, sehr alt erscheinende und knarksende Treppenstufen von außen in unsere Stube im Obergeschoss. Es scheint, als wäre es mal eine 3-Zimmer-Wohnung gewesen, die nun als Hostal umfunktioniert wurde und jetzt mit mehr als 10 Betten fast komplett vollgestellt ist. Aber die Kriterien sind erfüllt: günstig und einer Küche in Form eines Waschbeckens, welches am Geländer des Balkons angeschraubt ist, einem kleinen Schränkchen mit Geschirr und einem 2-Plattenkochfeld auf einem Schemel. Perfekt! Ein toller Ort mit Blick auf die gepflasterte Straße 'Signagis' :-)

    Das Städtchen wurde ganz ordentlich herausgeputzt. Bunt leuchtende geschnitzte Holzbalkone der beschaulichen Häuser aus dem 19. Jahrhundert, die kopfsteingepflasterten Gassen und die kilometerlange mittelalterliche Stadtmauer sind schön anzusehen und auf den von Platanen gesäumten Dorfplätzen kommt bei uns sogar ein wenig mediterrane Stimmung auf. Lustig ist nur, dass durchgehend nur die Fassaden der Häuser saniert wurden und das mit nur mehr oder weniger Erfolg. So wird beispielsweise nur der Teil eines Balken gestrichen, der von der Straße aus zu sehen ist..:-)

    Schaut man jedoch in die Hinterhöfe, so zum Beispiel in den unserer Unterkunft, wird es schnell farblos und sehr ärmlich. Der Schein reicht zumindest, um jährlich tausende meist russische Touristen anzulocken. Uns ist es hier etwas zu touristisch...

    ...und nachdem wir bekanntlich bei 'Pito' unser Verlangen nach Wein bereits gestillt haben, verlassen wir nach 3 Nächten die Hauptstadt des georgischen Weines in Richtung Westen. Wir suchen nochmal mehr "Rauszeit": raus aus den Orten voller Menschen. In den Borjomi-Kharagauli-Nationalpark soll es gehen. Mit der 'Mashrutka' geht es zuerst nach Tbilisi, wo wir mit einem wohl aus den 70ern stammenden "Schnellzug" nach Borjomi fahren. Seinen Namen verdient der Zug jedoch nicht wirklich. Ganze 5 Stunden braucht der Zug für die gerade mal 170 Kilometer. Naja, ist halt alles relativ ;-)

    Es ist eine Fahrt vorbei an unzähligen riesigen Industriebrachen und alten, von der Natur wieder eingenommenen Eisenbahnwagons. Rost und Grün sind die dominierenden Farben. Wir fragen uns, warum im Zug, aber auch zuvor in den Mashrutkas die Menschen sich ständig bekreuzigen! Zugegeben, das größte Vertrauen haben auch wir nicht immer in die Fahrer und deren Fahrweise! :-/ Doch stellt sich später heraus, dass man sich immer dann bekreuzigt, wenn man eine Kirche passiert! Hätten wir uns ja auch denken können.

    Wir werden bereits am Bahnhof in Borjomi von einer Frau empfangen. Welch ein Service, denken wir uns und so gehen wir gemeinsam zu unserer gebuchten Unterkunft. Und schnell wird uns klar, weshalb wir diesen Service erhalten haben. Nie im Leben hätten wir dieses Haus, sowjetischer Bauart, etwa 15 Stockwerke hoch und diesem außergewöhnlich vernachlässigten Anblick betreten. Im Hauseingangsflur erleuchtet eine einsame Glühbirne das Dunkel und nach dem drücken auf den Aufzugknopf geschieht nichts... Also gehen wir die Treppen! (vielleicht auch gut so!) Im Treppenhaus fehlen die Fenster, oder es sind lediglich Folien in die Öffnungen gespannt. Auch das ist wohl eher positiv zu betrachten, denn die abenteuerliche Gasinstallation lässt uns auch beinahe bekreuzigen ;-) Wir öffnen unsere Wohnungstür und siehe da: eine ordentliche und sehr saubere Wohnung. Ausgestattet mit dunklen Möbeln aus glänzend lackiertem Holz, einem für unseren Geschmack beeindruckend altmodischen mit goldfarben verzierten Lampenschirm und weiterer außergewöhnlicher Details. Toll! - "Willkommen in der Sowjetunion" :-)

    Auf den Straßen sieht es nur etwas anders aus. Ladas und uns unbekannte sowjetische Marken prägen das Straßenbild gemeinsam mit deutschen Kastenwagen der 80er und 90er Jahre. Scheinbar wird hier jedes ausgediente Auto eines mittelständischen deutschen Handwerksbetriebes nach Georgien exportiert und das ohne die Werbungen zu entfernen. So fährt hier eben Schreinermeister Schmitt und Klemptner Becker über Georgiens Straßen.

    Borjomi liegt an den Nordausläufern des kleinen Kaukasus. Wir packen unsere Rucksäcke, denn wir wollen für 3 Tage in die üppige Natur des größten zusammenhängenden, unberührten Waldstücks Europas wandern gehen. Bevor wir aber die Aussicht von den Bergen genießen können, müssen wir uns über 1.000 Meter mit Sack und Pack die wunderschönen Wege hinauf kämpfen. Unser Zelt haben wir auf einer Lichtung nahe einer Rangerhütte aufgeschlagen, wo wir es für 2 Nächte stehen lassen möchten. So können wir am folgenden Morgen ohne groß Gepäck weiter hinauf wandern.

    "Schön ist es auf der Welt zu sein, sagt die Biene..." Mein Morgen beginnt mit einem Ohrwurm, der mich für den Rest des Tages nicht mehr loslassen wird :-) Aber er spiegelt unsere Stimmung wieder. Unser Ziel ist heute eine alte Kapelle auf einem kleinen Plateau. Als wir dort ankommen, sind wir begeistert. Wir lassen uns im Schatten der Kapelle nieder und atmen den wunderschönen Blick auf die umliegenden Berge regelrecht ein. Im Süden der kleine Kaukasus, die Grenze zur Türkei, Armenien und Aserbaijan, im Norden die schneebedeckten Gipfel des großen Kaukasus an der Grenze zu Russland. Wir bleiben über 4 Stunden an diesem selten schönen Ort, schlafen ein und fühlen uns frei und glücklich.

    Der große Kaukasus im Norden, wo Swanetien liegt, dort an der Grenze zu Russland, von wo die Menschen aus nach 'Udabno' umgesiedelt wurden, soll unser nächstes Ziel sein...

    Viele Grüße aus Borjomi
    Ariane & Marco

    PS: Leider hat unsere Kamera den Geist aufgegeben..., also müssen wir mit dem billigen Chinesenhandy weiter knipsen :-(
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