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  • Day 20

    Wo sich Elch & Bär gute Nacht sagen

    September 30, 2019 in Canada ⋅ ☀️ 3 °C

    2 Tage ohne Blogeintrag! Haben einige von euch schon das kanadische Notstandsamt am Telefon, so können wir euch beruhigen: wir leben noch! Wir haben bisher in so hoher Frequenz mit Einträgen um uns geschossen, dass wir feststellen mussten, dass das auf Dauer wohl nicht so durchgehalten werden kann. Die Impressionen der letzten beiden Tage ermüdeten so dermaßen, dass man am Abend nicht mal mehr seinen Namen buchstabieren konnte. Aber sehen wir mal wie das in Zukunft laufen wird und genießen erstmal den morgendlichen Moment der Produktivität!

    Wir sind zwar gerade im Banff Nationalpark und haben den Jasper verlassen - um die Eindrücke allerdings mit der angemessenen Supermäßigkeit beschreiben zu können, wird er seinen eigenen Eintrag bekommen.

    Nachdem wir von unserem Gastgeber (dessen Namen ich vergessen hatte) noch ne ganze Stange Bananen und 100 Müsliriegel geschenkt bekommen hatten, haben wir nach ein paar Stunden wirren Umherirrens in Edmonton (inklusive mehrmaligem Aussteigens, Googlens und Nachfragens von Passanten und Supermarktverkäufern) endlich irgendwann unsere Autovermietungsstation finden können. Während in unserer Buchung ein "Chevrolet Spark" vermerkt war, haben wir laut Mitarbeiterin ein "Upgrade" bekommen - einen Kia Niro. Hab ja keine Ahnung von Autos, aber sah schon nach na ziemlich coolen Karre aus. 😅 Automatik (ich konnte nebenbei stets genüsslich meinen Kaffee trinken, ein Traum) und wir konnten über Bluetooth unsere Musik hören. Da sei darüber hinweggesehen, dass das vermeintliche "Upgrade" letztlich wohl auch mehr schluckt.
    Als wir nochmal einen Blick auf unsere Schriebsel warfen, fiel auf, dass eine Selbstbeteiligung vom 300$ vermerkt war, wo wir uns doch als das personifizierte Chaos vor allem potenziellen Schaden abgesichert hatten. Die Dame sagte, es wäre im PC so vermerkt und sie hätte nichts daran verändert. Also rief Puml bei check24 an und der Irrtum wurde schnell aufgeklärt.
    Die Dame schien dennoch etwas verwirrt oder nicht ganz kompetent.. Vllt auch einfach nur faul, wie uns ihre Mitarbeiterin anschließend erzählte. Das Auto sei so weit nämlich in Ordnung, keine Kratzer etc, wenn wir aber dennoch einen Blick drauf werfen und irgendwas vermerken wollen würden, könnten wir das tun. Ließen wir uns natürlich nicht zwei mal sagen. Das Auto hatte nämlich tatsächlich schon den ein oder anderen Kratzer und Steinschlag aufzuweisen.
    Etwa 11:30 haben wir uns mit unserem Straßenkreuzer auf den Weg gemacht. Zunächst allerdings nochmal in den Supermarkt, dessen Mitarbeiter wir zuvor nach dem Weg gefragt hatten, um uns mit Wasser, Batterien für die Taschenlampe und Koffein einzudecken. Dann startete endlich der langersehnte Weg zum Jasper Nationalpark. 💕 Der Yellowhead Highway führte uns im Grunde nur 300km geradeaus, aber die Fahrt war grandios! Die Bäume wurden von km zu km farbenprächtiger und dichter! Irgendwann fielen sogar die ersten Schneeflocken! Wir waren so glücklich und aufgeregt und als der erste schneebedeckte Berg am Horizont erschien mussten wir anhalten, um ein Foto zu machen. Wir kamen etwa gegen 15:30 am Park an und haben direkt für Sonntag bis Donnerstag gezahlt (56$). Die Berge sind inzwischen größer geworden, die Sonne schien und wir konnten unser Glück kaum fassen! Wir haben alle hundert Meter angehalten, um Fotos zu machen (und das ist keine Übertreibung, wir haben für eine Strecke von 40km etwa 2 Std gebraucht). Unsere Begeisterung kann man nicht in Worte fassen. Es geht einfach nicht. Das Wort "Begeisterung" klingt viel zu zivilisiert und beherrscht. Wir sind DURCHGEDREHT! Alles was wir hervorbringen konnten, waren quietschende, kreischende, fluchende Interjektionen und Ausrufe! Und vllt kamen 50% unserer Gruppe auch die ein oder andere Träne. 😂 Für vollständige Sätze hat es auf jeden Fall lange Zeit nicht mehr gereicht. Um irgendwie auch mal vorwärts zu kommen, hatten wir uns folgende Taktik überlegt: auf einer Skala von 0-10 wird ab 7 langsamer gefahren, ab 8 angehalten und erst ab 9 ausgestiegen. Die 10 ist Ausnahmezustand. Viel gebracht hat es jedoch nicht, für unsere endorphin- und adrenalinbehangene Wahrnehmung war alles eine 10.🤦‍♀️ Wie dem auch sei, nachdem wir noch paar Mal ausgerastet sind, weil wir enorm große Rehe+einen wunderschönen Hirsch, goldfarbene Felder und Bäume, mit türkisem Wasser und schwarz-weiße Berge im Hintergrund gesehen haben und das Wetter einfach so perfekt war, haben wir es irgendwann doch bis Jasper City geschafft und uns dort ein Bier gegönnt, um runterkommen (Puml gab wieder aus✨😌) . Wir wollten am liebsten direkt all unsere Liebsten anrufen und unsere Freude teilen! Wir waren seelisch auf Schönheit vorbereitet, aber nicht auf solche Perfektion! 😍 Und so wie es auf den Fotos wirkt, sieht es auch real aus!! Es ist unbeschreiblich..
    Die Sonne ging langsam unter, und ich bat Puml ihr zweites Bier etwas zügiger zu trinken, da ich in unserer Unterkunft ungern im Dunkeln ankommen wollte. 😅
    Bei dieser Unterkunft handelte es sich in der Tat um eine kleine, rustikale, authentische Waldhütte, mit Plumpsklo, ohne Dusche und WLAN. Traumhaft! Wir stellten unser Auto ab und gingen ins Haupthäuschen. Es wirkte einem Bilderbuch entsprungen, wie einfach alles in diesem Park! Alles war aus Holz, in der Mitte war ein kleiner Ofen, wodurch es kuschelig warm war (draußen waren es schon nur noch - 3°). Am Eingang wurde man gebeten die Schuhe auszuziehen. Wir checkten ein und der Besitzer erklärte uns alles. Zu der Haupthütte gehörten 3 weitere, in denen jeweils etwa 12 Leute Platz hatten. Das "Bad" befand sich innerhalb der Hütte, bestand aus einem Waschbecken mit Wasserkanister. Die Küche befand sich auf der gegenüberliegenden Seite und bestand aus einem Waschbecken und Wasserkanister. 😂 Da schlug mein Camperherz natürlich höher, so authentisch. 😅 Herd, Strom und Geschirr etc, gab es natürlich dennoch.
    Wir brachten unsere Rucksäcke und Fresstüten in unsere Zimmer und entspannten noch etwas im Haupthäuschen. Dort kamen wir ins Gespräch mit einem netten Pärchen, das versuchte uns bei unserer Entscheidung der Planung des nächsten Tages zu helfen, da wir total geblendet waren von all der Schönheit und Einzigartigkeit und gar nicht mehr klar denken konnten. 😅 Letztlich waren wir aber noch überforderter als vorher - zu viel zu sehen, zu wenig Zeit. So entschieden wir uns dazu früh erstmal zu den nahegelegenen Athabasca-Wasserfällen zu laufen und uns vom Tag bisschen treiben zu lassen.
    Als wir nächsten Morgen aufwachten, schien Puml etwas zu kränkeln. Sie hatte Halsschmerzen und ging direkt ins Haupthaus, um sich einen Tee zu machen. Ich machte mich auch fertig, räumte das hinterlassen Chaos schon etwas zusammen und ging mit der Fresstüte hinterher, damit wir erstmal frühstücken konnten. An der Eingangstür fiel mir zum ersten Mal das angeklebte Bären-Warnschild auf, inklusive Verhaltensgebote. Als letzter aufgeführter Punkt: "ABSOLUTELY NO FOOD IN ROOMS". Hoppla. 😂 Aber es sollte sich ohnehin noch zeigen, dass wir im Umgang mit Verbots-/Gebotsschildern nicht ganz geschult zu sein scheinen. Womöglich war das auch der Grund warum etwa eine Std später ein hübscher Schwarzbär seine Runde um unsere Hütte zog. 😅 Puml sah ihn, als wir gerade von unserem Zimmer zurück zur Haupthütte liefen und hat schnell Zuflucht auf der Veranda gesucht. Ich bin vollkommen ausgeflippt und von Fenster zu Fenster, von der forderen Veranda zur hinteren Terrasse, nur um so nah wie möglich dran zu sein. Soooo beeindruckend!!! Wunderschönes Tier! Er war sooo flauschig und knuffig, kaum auszudenken, dass diese Tiere jemals aggressiv werden könnten. Er graste ein bisschen die Gegend um die Hütte ab und verschwand irgendwann wieder im Wald. Hab den ganzen Tag gar nicht wirklich verarbeiten können, dass ich tatsächlich einen Bären in freier Wildbahn gesehen hab.. So cool! Nach unserem Frühstück checkten wir aus, ließen aber unser Auto noch dort stehen und machten uns auf den Weg zu den Wasserfällen. Nicht weit von der Unterkunft war ein Fluss, der in Kombination mit den Bergen und der aufgehenden Sonne einfach wie ein Traum wirkte. Wir kletterten den kleinen mit Büschen besetzten Hang runter, um so nah am Wasser zu sein wie möglich. Der Fluss war nicht ganz voll, sodass wir auf den steinen rumspazierten. Es war so atemberaubend schön, wir verfielen wieder in einen "AHH, OH MEIN GOTT! OH GOTT ES IST SCHÖN, GUCK DIR DIE SONNE AN, SIEHST DU DEN VERDAMMTEN SCHNEE DA OBEN? UND DIESES KLARE WASSER, EKELHAFT WIE WUNDERSCHÖN ES IST!!" - Modus. Tja, in diesem Land stößt man schnell an die Grenze der sprachlichen Ausdruckskraft. Während wir so vor uns hinquietschten und fluchten, hüpften wir von Stein zu Stein am Fluss entlang, bis wir schon den Wasserfall hörten. Am Rand sahen wir bereits einige Touristen langlaufen und einen Zaun über den wir scheinbar klettern mussten, sofern wir nicht die ganze Strecke zurücklaufen wollten, um auf den regulären Weg zu gelangen. Also hin und rüber da, wo uns direkt das zweite Schild auffiel. Denn die halsbrecherische Abkürzung, die wir dorthin genommen hatten (für unsere Mütter: keine Angst, klingt jetzt nur aus dramaturgischen Gründen so gefährlich), war nicht erlaubt gewesen. Uppsi. 😅
    Die Wasserfälle waren ebenfalls sehr schön anzusehen. Wir stiegen noch die Stufen hinunter, wo der Fluss wieder ruhiger wurde, und sahen einige von Touristen gebaute Steinmännchen am Ufer. Wir bauten ebenfalls eins dazu und machten uns anschließend auf den Rückweg zum Auto. Auf dem Weg dahin, gingen wir zwar nur einen Weg entlang, der parallel zur Hauptstraße führte - aufgrund der Bärenbegegnung am Morgen waren wir dennoch etwas nervös. 😅 Und da ich gelesen hatte, dass Bären keine Überraschungen mögen würden und man sich bei einer Wanderung als Mensch erkenntlich zeigen und ankündigen solle, sei eine der folgenden Maßnahmen empfehlenswert: 1. Eine Bärenglocke benutzen, 2. Laut unterhalten oder 3. Singen. Da wir ohnehin ständig am Singen sind, entschieden wir uns für drittens und haben dafür sogar einen eigenen Bärensong geschrieben (bitte mit der Melodie von "Bruder jakob").

    Bärenbrüder, Bärenbrüder
    Hört ihr uns, hört ihr uns?
    Bitte fresst uns nicht auf, bitte fresst uns nicht auf
    Wir haben Bärenspray, Bärenspray!

    Für den Fall, dass die Bären kein Deutsch verstehen, haben wir die zweite Strophe auf Englisch verfasst:

    We are humans, we are humans
    Don't eat us, don't eat us
    We don't want to hurt you, we don't want to hurt you
    Peace, peace, peace - peace, peace, peace! (mittels gestischer Peace-Zeichen die Ernsthaftigkeit gegenüber der Bären untermauern!✌️)

    Da sind ganz klar zwei Poeten an uns verloren gegangen! Wie dem auch sei, die Songs haben ihre Wirkung nicht verfehlt - wir leben nämlich noch!
    Als wir dann im Auto saßen, sind wir den Icefields Parkway entlang gefahren, Richtung Banff Nationalpark. Wir hatten schon von so vielen Leuten gehört, wie wunderschön diese Strecke sein soll und waren uns einig, dass wir mehr Schönheit gar nicht ertragen und verarbeiten konnten. Aber da mussten wir jetzt durch, das Leben ist schließlich kein Ponyhof!
    Diesen Teil der Reise möchte ich demzufolge auslassen und nur Bilder sprechen lassen, denn jedes Wort und jede Beschreibung würde dieser Landschaft nicht gerecht werden können. 😌 Man muss es selbst erlebt haben..
    Erwähnenswert wäre aber noch unser kleiner Athabasca Glacier Hike, der mit Schildern markiert war, bis wohin der Gletscher zu welchem Jahr noch reichte.. Traurig zu sehen und seinen Rückgang mal so vor Augen geführt zu bekommen.
    Die Weiterfahrt nach Banff war vor allem zwei Dinge: atemberaubend und vielseitig. Man hatte das Gefühl, man hätte 3 verschiedene Länder oder gar Klimazonen durchfahren. Aber schaut euch die Fotos einfach an, die Landschaft ist malerisch schön und genau so wie sie auf den Fotos zu sehen ist! Neid ist angebracht, aber nicht zu empfehlen - in Mecklenburg Vorpommern & Brandenburg gibt es schließlich auch schöne Ecken. 😇😅
    Also macht euch eure Lieblings-Modern Talking CD an, lasst die Welt da draußen mal kurz hinter euch und begebt euch auf eine Traumreise (hab ich gerade von einem angehenden Pädagogen gelernt ;D) in das wundervolle Land jenseits des großen Teichs, in dem Bär und Elch noch friedlich nebeneinander grasen. Viel Spaß und Bussi, hab euch lieb. 😘
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