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  • Day 131

    Nordmazedonien - Eine Neuentdeckung

    June 17, 2022 in North Macedonia ⋅ ⛅ 19 °C

    Die Einreise nach Nordmazedonien, ein Land von dem ich mir vorher kein Bild gemacht habe, könnte nicht schöner sein. Der Weg am Prespasee führt uns zu unserem nächsten Ziel, dem Ohridsee, der von seinem Nachbarn gespeist wird. Beide Seen haben einen Höhenunterschied von über 100m und zählen zu den Ältesten Europas. Der Ohridsee ist 3-5 Millionen Jahre alt und weißt mit bis zu 300m eine beachtliche Tiefe auf. Wir fahren direkt in einen Nationalpark rein und rollen über den Berg zur anderen Seite. Am höchsten Punkt der Straße, auf ca. 1600m Höhe, hat man einen phänomenalen Blick auf diesen Schatz von Europa. Bevor wir den Stellplatz ansteuern, schauen wir uns noch ein winziges Dörfchen an, das eigentlich nur aus einem Kloster besteht. Hier ist der kulturelle Mix sehr interessant: Badegäste am Strand, touristische Bummelgasse, Militärgelände auf einem Camper-Lost place und eine Klosteranlage direkt bei einander und am See gelegen. Hier kann man mehrere Quellen sehen, die den Ohridsee speißen und ihn mit glasklarem Wasser versorgen. Viele Sand- und Kiesstrände säumen das Ufer des Sees und laden samt Beachbars zum Verweilen ein. Hier finden auch wir, an einer Klippe mit Blick über den See, einen wunderbaren Stellplatz. Neben unserem Platz gibt es ein Museum auf dem Wasser, in dem nachgestellt wird, wie die Menschen früher auf Stelzen ihre kleinen Siedlungen gebaut haben. Man könnte hier auch denken, dass man in der Karibik ist, so traumhaft ist das Wasser, sodass wir uns schnell eine Badestelle suchen und bei einer Beachbar reinspringen. Guten elektronischen Musikgeschmack haben die Mazedonier auf jeden Fall.
    Am nächsten Tag gehts nach Ohrid, weiter nördlich vom See. Eine recht moderne Stadt, die eine süße kleine Altstadt auf einem Hügel hat und eine schöne Uferpromenade zum schlendern einlädt. Abends finden wir einen Stellplatz weiter nördlich neben einer kleinen Kapelle, den wir wieder ganz für uns haben. Die Stadt war eher ein kleiner Zwischenstopp, um weiter nach Krushevo zu gelangen. Ein Dörfchen, dass zu einem der Höchsten im Balkan zählt und sich auf ca. 1400m befindet. Die Stadt ist die einzige in der Aromunisch als Amtssprache zugelassen ist. Aufgrund eines Anti-Osmanischen Aufstandes 1903 war die Stadt ganze 10 Tage eine eigene Republik. Den Nationalstolz über den Sieg kann man bei den großen Flaggen kaum übersehen. Als Symbol dafür wurde in den 70igern ein Denkmal gebaut, das wirklich nicht von dieser Welt ist. Ein sehr futuristisches Gebäude, dass vermuten lässt als UFO gleich abzuheben. Eigentlich kann ich mich für diese Architektur nicht sonderlich erwärmen aber dieses Denkmal ist sowohl von Innen als auch von Außen, und akustisch ein spannendes Objekt. Gleich nebenan liegt der See von Krushevo, an dem wir ein Plätzchen zum Schlafen finden. Die Seen ersetzen nun schon seit einigen Wochen unsere Dusche und es ist so angenehm immer und überall reinspringen zu können. Dieser See sieht irgendwie auch wie nicht von dieser Welt aus: kleine Wolken die an Brokkoli-Bäumen hängen und sich im Wasser spiegeln. Ein wunderbar friedlicher Ort. Wir wollen noch mehr von dieser Natur aufsaugen und laufen am nächsten Tag einfach mal los und schauen, wohin uns die Wege führen. Ein kleiner, höhergelegenen See ist auf jeden Fall ein erster guter Stopp. Allerdings ist das wohl ein Regenwassersammelbecken, das umzäunt ist und wir uns ein wenig reinmogeln müssen. Da aber sowieso nirgends irgendjemand ist, können wir ein Bad genießen und uns auf den aufgewärmten Planen am Rand Sonnen. Die liebe Sonne zeigt sich allerdings nicht allzu lange, sodass wir bei leichtem Schauer unter einer kleinen Espe Unterschlupf suchen. Da der Regen doller wurde, mussten wir uns etwas besseres suchen und fanden unweit ein kleines Häuschen zum Unterstellen. Von hier aus konnten wir das Wolkenspektakel gut beobachten und hörten ein erstes Grummeln am Himmel. Das Licht-Schatten-Spiel war einfach fantastisch und die Wolkenformationen sehr beeindruckend. Das kleine Häuschen gehört zu einer größeren Anlage mit Aprés-Ski-Charakter. Krushevo hat einen Lift und ziemlich schneereiche Winter, sodass man hier beim Skifahren gut einkehren kann. Für den Sommer stehen Kletteranlagen, Baumwipfelpfade und ZIP Lines zu Verfügung, die wir uns aus der Nähe ansehen. Es scheint, als wäre da ein riesen Spielplatz in den Wald gebaut, der nur auf uns gewartet hat. Ein paar Männer, die offensichtlich keine Termine hatten und ein wenig rum hantierten, nahmen Notiz von uns aber sagten nichts, als wir uns aufmachten die Geräte auszuprobieren. Auch hier zeigt sich mal wieder, was wir schon den ganzen Balkan beobachten können, die Leute lassen einen machen, man kann alles selbst erkunden, es gibt kaum Regeln und Vorschriften. Es interessiert schlicht weg keinen, was man so treibt. Wir schwingen uns also auf die kleine Zipline und fliegen von einem Baum zum anderen, klettern auf die Kletterspinne und spielen ein wenig Basketball. Es macht irre Spaß, einfach mal alles auszuprobieren und sich wie ein Kind zu fühlen. Um anschließend unsere Wasserflaschen aufzufüllen, suchen wir eine Quelle und laufen erstmal auf den höchsten Punkt vom Berg, wo auch die Liftanlage ankommt. Auch hier, kein Mensch, man ist alleine über den Bergen, dem Himmel so nah und kann die frische Luft aufsaugen. Man schaut von hier aus über die ganze Weite und hat einen tollen Blick auf die Stadt. Die Wolken hatten sich mittlerweile immer weiter verdichtet und zu großen schwarzen Wattetürmen aufgebaut. Am Himmel war nicht nur ein Gewitter zu sehen und zu hören, sondern gleich drei. Es war irgendwie klar, dass das noch zu einem Spektakel am Himmel führen würde. Etwas weiter den Hügel hinunter gab es eine kleine Kapelle, die eine kleine Quelle hatte. Von der Kirche aus konnte man in ein weiteres Tal schauen, dass nicht dramatischer von den Wolken hätte eingerahmt sein können. Die Berge stuften sich in graugrünen Tönen immer weiter gen Horizont ab und man sah dichte Regenschauer zum Boden strömen. Das Donnern und Blitzen wurde immer lauter. Voller Ehrfurcht vor dieser einmaligen Natur standen wir da und konnten nur stauen. Die kleine Kapelle gab uns wenig später Unterschlupf, als es erneut heftig anfing zu regnen. Die Gewitter hatten sich vereinigt und zeigten ihre ganze Dramatik über uns. In Wolldecken eingekuschelt warteten wir geschützt und mit tollem Blick darauf, das es aufhören würde. Aber die Wolken hingen irgendwie fest, der Regen wurde stärker und der Abend rückte näher. Irgendwann entschieden wir uns dafür, doch los zulaufen und schlitterten talabwärts durch den angrenzenden Buchenwald, der uns ein wenig Schutz gab. Wir glitten querfeldein durch Kiefernwälder, Gebüsche, entlang auf Feldwegen bis wir richtig nass waren. So machte es erst richtig Spaß in die Pfützen zu springen und sich einen Weg zum Mobil zu suchen. Als wir endlich am See angelangt waren, hatte der Regen nachgelassen, ein rötlicher Himmel zeigte sich über den Bergen und über dem See hingen im letzten Abendlicht zauberhafte Nebelschwaden. Die Hügel und Berge sind alle unglaublich grün in diesem Land und werden wohl durch immer wieder kehrende Regen- und Gewitterschauer gepflegt. Ein wundervoller Tag ging zu Ende, der sich so frei angefühlt hat und in Erinnerung bleiben wird!

    Am nächsten Tag ging es nur unweit in die nächste Stadt, da vermutlich Öl unter der Motorhaube tropfte und das kein gutes Gefühl hinterlassen hat. In der Werkstatt werden wir freundlich empfangen und uns wird sofort geholfen, dazu erfahren wir noch etwas über das Land und die Menschen. Das tropfende Öl stellt sich als Diesel heraus und der poröse Zulassungsschlauch vom Tank zum Motor wird direkt ausgetauscht. Die Beratung, die Arbeitskraft und das Material kostet uns dann unglaubliche 15€. Wir erfahren, dass die Arbeitskräfte ca. 500€ pro Monat in der Werkstatt verdienen. Seit Coroni sind die ohnehin wenigen Touristen ausgeblieben und die Mazedonier, die z.B. in Deutschland leben, kommen über den Sommer aufgrund der unsicheren Zeiten nicht in ihr Heimatland zurück. Das erklärt, warum wir das Land als so leer empfinden und es gibt auch keine Camper weit und breit. Der Mechaniker klang nicht sehr optimistisch und meinte, in diesem Land gäbe es nichts zu sehen und wenig Zukunft. Ersteres kann ich nicht bestätigen aber die Perspektive über das eigene Land bringt mich zum nachdenken.
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