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  • Day 22

    Manchmal ist Fortschritt Mist

    January 22, 2018 in Peru ⋅ ⛅ 23 °C

    Es steht ein spektakulärer Fahrtag an. Wir wollen uns von 0 m auf 3.000 m hinaufschrauben und dabei dem Rio Santa folgen, der sich durch den engen Canon de Pato bzw. die Entenschlucht seinen Weg bricht (im wahrsten Sinne des Wortes, der Fluss ist ungezähmt und führt braune Gesteinsmassen mit). Einspurig, mit ausgesetzten Stellen, nicht geteert und in jedem Reiseführer sowie in unserem Roadbook als abenteuerlichste Straße Perus gefeiert. Dabei sind die Voraussetzungen gar nicht gut, denn Manfred und Phil haben sich den Magen verdorben und kommen blass, aber fahrbereit zum Frühstück. Als ich Phil frage, ob er etwas aufgeregt sei, lerne ich ein schönes neues englisches Wort: Er wäre immer "a bit apprehensive". Wie übersetzt man das? In Alarmstimmung? Besorgt?

    Beim letzten Stopp vor Einfahrt in die Schlucht kaufe ich einmal wieder Bananen, weil ich denke, dass man damit magenmäßig nichts falsch macht. Gestern hatte ich allerdings Kochbananen erwischt, die gut aussahen, aber eben roh nicht genießbar waren. Man macht als Reisender unglaublich viel Unsinniges. Aber die heutigen Bananen erfüllen ihren Zweck, obwohl sie in Farbe und Krümmung nicht der EU-Norm entsprechen. Der Blick hinter die Obsttheke zeigt im Übrigen, dass auch einfache Pappkartons ein idealer Lauftstall-Ersatz sind.

    Und dann, nach gut 100 km Anfahrt, geht es endlich los. Der Auftakt ist vielversprechend, die Felsen hängen über, einige Flüsse suchen sich den Weg über die Fahrbahn und es geht eng zu. ALLERDINGS: Bis vor zwei Jahren war hier noch eine astreine gravel road, doch nun ist der Fortschritt eingezogen, alles geteert. Das ist durchaus auch schön, aber eben nicht so abenteuerlich wie vermutet. Eher auf dem Niveau korsischer Nebenstraßen, und das hatten wir ja schon (ich ahne Euer Aufstöhnen: verwöhnt, nichts kann man ihm recht machen usw.) Aber so ist es eben im Leben: Enttäuschung ist die Folge zu hoher Erwartungen ...

    Immerhin: Liebhaber unbeleuchteter Tunnel kommen auf der Strecke voll auf ihre Kosten. Phil, der bei BMW USA nach meiner Einschätzung die Sonderausstattung Fanfare XXXL gebucht hat, hupt uns durch alle Tunnel. Da er außerdem die mit Abstand hellsten Front- und Rücklichter der ganzen Gruppe hat, darf er vorne fahren und den (seltenen) Gegenverkehr einschüchtern. Morgen kleben wir ihm seine Lichter aber wieder zu (wie schon in den letzten Tagen), denn es ist unerträglich, ständig von seiner Weihnachtsbaumbeleuchtung geblendet zu werden.

    Weitere Enttäuschungen hält das Wetter für uns bereit, denn es fängt an zu regnen, und vor Huaraz sorgt LKW-Baustellenverkehr dafür, dass sich das Visier durch einen braunen Film verdunkelt. Meine Stimmung steigt auch im Hotel nicht, denn die 6.000er, die hier in der Cordillera Blanca dicht an dicht stehen und die ich doch sehr gerne gesehen hätte, sind vollständig in Nebel eingehüllt.

    Statt Heldentour also Reiseblues in den Anden. Ich bitte alle geneigten Leser um Aufheiterung,
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