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  • Day 42

    Tag 3 Salar de Uyuni

    November 14, 2018 in Bolivia ⋅ ☀️ 14 °C

    Der letzte Tag beginnt turbulent. Im Traum nicht hätten wir gedacht, was uns erwartet:
    Um kurz nach 4 klopft es an unserer Tür, Dino und die Frau des Paraguayaners stehen da und bitten um Hilfe - sein Zustand hätte sich über Nacht verschlechtert. Rasch ziehen wir uns eine Hose und dicke Jacke an (die Temperaturen draußen sind am Gefrierpunkt oder drunter) und finden den Mann quasi bewusstlos im Bett vor. Im Alpinmedizinkurs wurde uns mehrmals ein Video von Gerlinde Kaltenbrunner und ihrem japanischen Freund, der irgendwo in irrsinnigen Höhen ohne Hilfe weit und breit ein Hirnödem entwickelt hat, gezeigt. Diese Bilder spielen sich vor Franzs und meinem inneren Auge ab, und die Ähnlichkeit lässt uns schaudern... wir wissen, was wir zu tun haben. Oder - wissen wir es wirklich?

    Wir erfahren, dass in der Nacht der Sauerstoff zu einem anderen Mitreisenden gebracht wurde, seither ging es dem Paraguayaner schlechter. (Anmerkung: Fakt ist eigentlich, dass unsere Agentur keinen eigenen Sauerstoff mitführt, teurere Anbieter dies jedoch durchaus als zusätzlichen Sicherheitsfaktor bewerben. Der Sauerstoff war also nur „geliehen“, und nun, da ihn jemand brauchte, der dafür bezahlt hat, wurde er diesem gebracht. Ich habe den anderen nie gesehen, was vermuten lässt, dass es ihm nicht ganz so schlecht ging, sonst hätte uns, da wir nun ja schonmal geoutet waren, wohl jemand um Hilfe gebeten. Money wins, afterall.)
    Franz und ich kümmern uns darum, den Sauerstoff wieder zu kriegen und dem Mann mühselig einige Cortisontabletten in den Mund zu schieben und ihn zum schlucken zubringen. Gar nicht so leicht, denn Mithilfe kann er so gut wie gar nicht bieten. Sein Blick ist, wenn er die Augen aufmacht, starr, reden kann er nicht, bewegen auch nicht. Nur etwa eine Viertelstunde nachdem wir ihn wieder an den Sauerstoff gehängt haben, ist dieser dann auch noch leer - und weit und breit keine zweite Flasche mehr zu finden. Nächste Quelle: 1,5-2 Stunden Fahrt. Es ist wie im Albtraum.
    Im Everestgebiet würde man jetzt den Rettungshubschrauber rufen - dieser existiert hier jedoch nicht. Es gilt keine Zeit zu verlieren, das ist uns klar, und zusammen mit unserem Guide organisieren wir, dass die Gruppe sich aufteilt: aus einem unserer drei Jeeps wird ein notdürftiger Krankentransportwagen gebaut, um ihn so schnell wie möglich ins nächstgelegene Spital (in sechs Stunden Fahr Entfernung) zu bringen. Mit vereinten Kräften tragen wir den stattlichen (oder eher ziemlich übergewichtigen) Mann ins Auto und zusammen mit seiner Frau und unserem Guide sind sie auch schon weg.

    In gedrückter Stimmung quetscht sich der Rest von uns in die zwei verbleibenden Autos und verspätet düsen wir los. Erster Stop sind die Geysire, geplant wäre ein Sonnenaufgang dort gewesen - die Sonne steht aber bereits hoch am Himmel. Beschwerden? Kein Mucks. Von niemandem. Andächtig bewundern wir die Dampfsäulen und hoffen indes inständig, dass es unserem Mitreisenden besser geht und er dies alles übersteht (ja, besonders Franz und ich machen uns echte Sorgen). Dennoch beeindrucken uns die blubbernden Löcher und teufelsartig Dampf spuckenden Spaltenim Boden zutiefst, und wir sind uns nicht ganz sicher, ob uns derer wegen oder wegen der 5000m Höhe die Luft fast wegbleibt...
    Die Stopps verbleiben etwas kürzer heute, wir haben schließlich einen Zeitplan einzuhalten. Die Abholung an der chilenischen Grenze sowie Übernahme der Leute für die nächste Tour sind strikt geplant und eng berechnet, und die Fahrer drängen zur Aufholung der verlorenen Zeit.
    Um einen Stop lassen wir uns alllerdings nicht bringen: die heißen Quellen! Die tiefen Temperaturen haben unsere Zehen bereits tiefgefroren und trotz Sonne ist die Überwindung, sich bis auf den Bikini auszuziehen, recht groß. Als wir uns langsam ins 40 Grad warme Wasser gleiten lassen glauben wir erst, unsere Zehen verbrennen - doch rasch gewöhnt man sich an die Hitze und wohlig warm suhlen wir uns im Thermalbad, bis wir wieder gut aufgewärmt sind!
    Der letzte Stop vor der Grenze ist ein weiterer See - auch wunderschön, auch mit ein paar Flamingos. Der wechselt mit der Tageszeit und Windrichtung anscheinend sogar die Farbe... und ich weiß nicht, ob es wegen des schlechten Schlafs, der Müdigkeit oder der allgemeinen Aufregung ist, aber irgendwie ist es (auch im Vergleich zu dem, was wir schon gesehen haben) irgendwie halt nur „noch ein See“. Trotzdem schön. Aber wir sind nicht böse, dass wir hier nicht lange bleiben können.

    An der Grenze geht alles sehr schnell, der Fahrer des Abholtransportes wartet schon und macht Stress, wir werden zum abstempeln geschickt während unsere Rucksäcke (etwas achtlos) schon aus dem Jeep geworfen werden. Schnell schnell wird verabschiedet, Trinkgeld vergeben - und bevor wir es uns versehen, sitzen wir schon im Bus Richtung chilenische Seite der Grenze.
    Danach wieder das übliche Grenzprozedere: Formulare ausfüllen, warten, aussteigen, alles raus, stempeln, warten, Rucksäcke durchsuchen lassen, wieder alles einpacken, warten - und schließlich endlich rein in den Bus und weiterfahren. Eine übelst steile Straße bringt uns in einer halben Stunde von der Grenze auf 4700m nach San Pedro auf 2400m - wo wir uns einfach nur noch auf eine Dusche und einen ausgiebigen Mittagsschlaf freuen!

    Auf dem Weg zum Hostel (mit unsere großen Rucksäcken) bleibt sogar ein netter Typ in ungefähr unserem Alter stehen und bietet an, uns mitzunehmen. Wir springen dankbar ins Auto, und er erzählt uns auf der kurzen Fahrt, dass sein Name Angelo sei und er vor drei Monaten sein Business aufgemacht habe und sowohl Zimmer als auch Bergtouren anbiete. Er sieht schon wie ein richtiger Bergsteiger aus (Hut, Gletschersonnenbrille - und natürlich klettert er!), doch ein Hostel haben wir und für heute haben wir nur noch relaxen vor.
    Er gibt uns seine Karte und lässt uns bei unserem Hostel aussteigen - wo wir uns erstmal im Bad von gefühlt der halben Wüste entledigen. Wie kann man in nur zweieinhalb Tagen so dreckig werden??

    Nach Erfrischung, Schläfchen und kurzem Check-up mit der Außenwelt (WLAN) treffen wir uns abends nochmal mit allen, die aus unserer Gruppe übrig geblieben sind, zum Essen und ausklingen unserer Tour. Und, ich kann nach kurzem Whatsapp-Kontakt die erfreuliche Botschaft bringen: auch Paraguay gehts besser! Offensichtlich wurde er nicht mal im Krankenhaus über Nacht behalten - nach der Behandlung haben sie sich wohl ein Hotel gesucht wo er sich ausruhen kann, bevor sie weiter in eine tieferliegende Stadt fahren.
    Das ist ein Grund, anzustoßen!
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