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  • Day 193

    Dem Fidel sein Schniedel

    July 28, 2018 in Cuba ⋅ ⛅ 31 °C

    Zurück in Havanna bleiben uns weitere zwei Tage, ehe es zurück nach Mexico geht. Haben wir an unserem ersten Tag in Kuba den zarten Versuch, eines der inoffiziellen Taxis zur Fabrica de Arte Cubano (FAC) zu ergattern, noch nach vierzig Minuten genervt und desillusioniert abgebrochen, sitzen wir dank einem etwas forscheren Vorgehen nach rund fünf Minuten in einem furchtbar klapprigen und umso authentischeren Oldtimer-Taxi. Es stinkt, aber wir findens toll. Kostet ja auch nur einen Drittel im Vergleich zu einem offiziellen, modernen und total uncoolen Taxi. Die Heimreise um ein Uhr morgens verläuft hingegen weniger souverän. Kaum auf der Strasse, empfangen einen die offiziellen Taxi-Fahrer - ruhig und anständig. Quasi die Löwen dieser Steppe. Der aufgerufene Preis in etwa gleich stolz, zwanzig Stutz. Wir lehnen dankend ab und laufen weiter, um wenige Schritte später den Geparden über den Weg zu laufen. Etwas hektischer als Löwen und die selbsternannten „Haus-Fahrer“ der FAC. Der Preis von zehn Stutz scheint nicht verhandelbar, schliesslich haben Geparde auch einen gewissen Stolz. Die Fahrt findet in einem privaten Auto und somit wohl am Staat vorbei statt. Was den halben Preis durchaus nachvollziehbar macht. Wir lehnen erneut dankend ab - schliesslich haben wir es für fünf Stutz her geschafft - und gehen erneut ein paar Schritte zum Ende des Blocks. Und was kommt am Ende der Safari-Rangordnung? Knapp vor den Geiern? Genau, die verdammten Hyänen.

    Diese traurigen Biester mit ihren kurzen Hinterbeinen und hässlichen Fratzen. Und davon hat es hier viele. Im ersten Moment gefällt mir der Auflauf. Grosses Angebot heisst gute Preise. Die Verhandlungen bleiben für einen Moment bei acht Stutz stecken, ehe sich die hungrigen und daher teils aggressiven Hyänen anfangen zu unterbieten. Schnell geht es sieben, sechs, fünf und für einen Moment sogar runter bis vier. Die Situation wird unübersichtlich und immer mehr Hyänen mit ihren sabbernden und stinkenden Fressen wollen sich ein Stück vom von Löwen und Geparden übrig gelassenen Aas sichern. Diese Meute markiert definitiv die unterste Stufe der hiesigen Transport-Industrie. Das sind gar keine Fahrer mit eigenem Fahrzeug, sondern viel mehr ununterbrochen quaselnde Schlepper, die Fahrgäste für eine kleine Kommission bei etwas weiter entfernt parkierten Collectivos abliefern. Vielleicht wartet man dann noch eine kleine Ewigkeit, bis die Karre voll ist. Steht man dann bei einem der Gefährte, sollen es anstelle von fünf doch wieder acht Stutz sein. Verdammtes Gesindel. Kaum habe ich das System im Ansatz verstanden, gerät die Situation auch schon ausser Kontrolle. Als ich geschätzte fünfzehn Hände an und auf mir spüre - wahrscheinlich waren es nur zwei, aber ich bin bei solchen Dingen etwas empfindlich - und Sue, die ich für einen Moment aus den Augen verloren habe, ein lautes „Hey!“ von sich gibt, breche ich die Übung ab. Hände weg ihr jämmerlichen Hunde! Mit einem einzigen Roundhouse-Kick wie Van Damme in seinen besten Zeiten, strecke ich vier der dreckigen Hyänen nieder. Zumindest im Geiste. In Realität laufe ich einfach davon und verteile ein paar „heb doch d’Schnurre!“. Zurück zu den Geparden. Die hatten wenigstens Anstand. Zehn Stutz sind ja auch nicht schlecht. Ist ja schon nach Eins. Und Sue? Sue hat auch überlebt. Wie immer nur ganz knapp. Verdammte Hyänen!

    Mein Fazit zu Kuba fällt trotzdem durch und durch positiv aus. Das Land in dem die einfache Taxi-Fahrt zum Flughafen mit fünfundzwanzig Stutz mehr kostet, als die achtzehn Stutz Rente, die unsere Casa Mama im Monat bekommt. Ich war von Beginn weg überrascht, wie viele der alten amerikanischen Karossen noch immer das Strassenbild prägen. Nostalgiker kommen auch in diesen Tagen noch auf ihre Kosten. Viele der ausladenden Strassenkreuzer aus den Vierzigern und Fünfzigern sind aufwändig restauriert und dienen für überteuerte Stadtrundfahrten, die meisten sind aber einfach nur alt. Ausserhalb Havannas dient aber erstaunlich oft das Pferd, mit oder ohne Wagen, als Fortbewegungsmittel. So steht auch an überfluteten und schlammigen Wanderwegen ein Kavalier, der einen für ein kleines Entgelt auf die andere Seite bringt. Vervollständigt wird das Bild von unzähligen Ladas und anderen unaussprechlichen Fabrikaten aus sowjetischer Produktion, gemischt mit ein paar moderneren Gefährten und mehr Elektro-Scootern, als in jedem anderen Land, das wir bisher besucht haben. Keine Ahnung woher die alle kommen. Wohl von unseren kommunistischen Freunden aus China. Eine skurrile Mischung. Das gilt auch für das restliche Erscheinungsbild Kubas. Eine farbige und oft widersprüchliche Optik aus mondäner, kolonialer Prunk-Ästethik, einer grossen Prise sowjetischer Kälte und einem ordentlichen Schuss kommunistischem Zerfall. Dafür machen sie gute Zigarren die Kubaner.

    Das gilt irgendwie auch für Pizzas. Zumindest wenn man den Preis von vierzig Rappen und Volltrunkenheit beim Verzehr mitberücksichtigt. Daran könnten wir uns gewöhnen. An den vorübergehend exorbitant gestiegenen Zigarrenkonsum eher nicht. Ich wollte das mit den Zigarren ja selber herausfinden. Gekauft habe ich auf und vor Farmen, in Küchen, in offiziellen sowie weniger offiziellen Läden und auf der Strasse. Mit echten Labels, mit offensichtlich falschen Labels und gerne auch ganz ohne Labels. Geraucht habe ich nicht selten drei am Tag und ich komme zum Schluss, es stimmt. Obwohl die beste Zigarre, die ich hier geraucht habe, kein Label darauf hatte und sieben anstatt dreissig oder mehr Stutz gekostet hat, sollte man in offiziellen Läden kaufen. War ja klar. Denn es gab auch diverse grenzwertige Exemplare, die ihren Preis nicht wert waren. Kann man rauchen, will man(n) aber nicht. Nicht gut für die Stimmung. Und kosten auch. Bananenblätter oder mit Verschnitt gedrehte Zigarren wurden mir allerdings nie angedreht. Immerhin. Schlussendlich habe ich meinen Humidor - und auch sonst jede freie Ecke im Rücksack - mit Originalware aus Casas de Tabacos gefüllt. Nicht die billigste Variante, dafür mit Genuss-Garantie. Wieder was gelernt.

    Und was hat das jetzt mit dem Schniedel von Fidel zu tun? Hm, nichts. Ich fands trotzdem lustig. Wobei, welches Bier importieren die Kubaner am Liebsten? Natürlich, Heineken. Roter Stern auf grünem Grund! Das hatte der Fidel ja auch auf seinem ... äh, nein, auf seiner Kappe! Oder auf beidem.
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