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  • Day 299

    Auf Messers Schneide

    November 11, 2018 on the Philippines ⋅ ⛅ 28 °C

    Nach der analytisch-depressiven Grundstimmung zum Schluss des letzten Beitrags, setze ich in diesem Post wieder verstärkt auf Fassade. Gibt erwiesenermassen mehr Likes und darum geht es ja im Leben. Zumindest im virtuellen und für Influencer relevanten Teil. Wir reisen also total entspannt nach El Nido auf der Insel Palawan. Ein Paradies für Schnorchler, Taucher und Partygänger gleichermassen. Die sechs Stunden im viel zu kleinen Shuttle-Bus sind total gemütlich und die übrigen teils übel riechenden Passagiere nerven kein bisschen. Wirklich tolle Stimmung kommt auf, als zuletzt ein älterer Herr - er erinnert entfernt an einen etwas abgehalfterten Richard Gere - mit Sohn, Tochter, Lover oder was weiss ich zusteigt und den Bus somit voll macht. Auch das Alter der asiatischen Begleitung gibt uns Rätsel auf. Könnte von zehn bis dreissig eigentlich alles sein. Ich tippe auf zwölf. Trotz der Tatoos. Ich erwähne diese Details wie schon bei Mr Sumo aber keinesfalls, um selber irgendjemanden aufgrund von Äusserlichkeiten zu diskreditieren oder zu verurteilen. Ich nutze die übertrieben bildliche Sprache lediglich, um dem aufmerksamen Leser - und Kurt - dies zu ermöglichen. Ich finde das furchtbar. Shame on you!

    Kaum sitzt Richard Gere neben mir im Bus, will der lustige Vogel auch schon wieder raus. An seine Tasche im Kofferraum. Kaum hält er diese in der Hand, lässt er den verdutzten Fahrer mit ernster Miene wissen, dass er den nächsten Flug nach El Nido nehmen wird. Sei ihm alles viel zu eng und so. Seine Begleitung würde aber mitfahren. So so. Ich denke noch, du übertrieben unflexibler Pinkel! Machst einen auf Etepetete und lässt deine Begleitung einfach so zurück?! Ich komme mit. Tschüss Sue. Da der Fahrer dem feinen Richard aber umgehend „shotgun“ - also den Beifahrersitz - anbietet und dieser das an den hinteren Sitzen gemessen überaus grosszügige Angebot mürrisch annimmt, bleibe ich bei Sue sitzen. Schade. Wie sich im Laufe der Fahrt dann herausstellt, handelt es sich beim zugestiegenen Jungen um Richards gleichermassen asiatisch-androgyne wie bezaubernd burschikose Tochter, die zusammen mit ihm für einen Urlaub aus Australien angereist ist. Ich freu mich total für die zwei. Ich bin etwas überrascht, aber ich freue mich. Es heisst ja nicht um sonst, man soll ein Buch nicht nach seinem Umschlag werten. Ausser beim Wein im Supermarkt, da stecken hinter den schönsten Etiketten auch immer die besten Tropfen. Und umgekehrt.

    Neben Löffel und Gabel - wieso gibt es in diesem Land nie Messer zum Essen?! - sind Alter und Geschlecht die Tage des Öfteren eine Herausforderung. Bei gefühlten fünfzig Prozent der Menschen, sind wir uns gendertechnisch unsicher und verweigern die Einschätzung. Und da es auf den Philippinen keine Pinguine gibt, droht unser Aufenthalt hier ein erfolgloses Desaster zu werden. Pinguine gefunden? Fail! Alter ansatzweise erraten? Fail! Geschlecht erkannt? Fail! Wenigstens jemanden influenced? Kaum. Doch zum Glück gibt es noch diese eine, universelle Mission, die uns Disney schon vor Jahren mit auf den Weg gegeben hat. „Finding Nemo!“ Und was soll ich sagen? Ja! Wir haben ihn gefunden! In seiner Amemome. Mit seinem grenzdebilen Papa. Total süss. Nach einigen wunderschönen Schnorchel- und Tauchgängen sind wir uns allerdings nicht ganz sicher, welcher der vierhundertfünfundsechzig gesehenen Clownfische nun der echte Nemo war. Aber er war ganz sicher dabei! Egal was Sue sagt.

    Zum Essen händigt man den Menschen hier wie gesagt keine Messer aus. An schlechtem Essen und möglicher Konsequenzen für den Koch, kann es aber meiner Meinung nach nicht liegen. Uns schmeckt eigentlich alles. Ist wohl eher so eine kulturelle Sache. Von daher auch ok für mich. Die zwei mehrheitlich sympathisch lächelnden Saudis auf dem Schnorchel-Schiff essen sowieso lieber nur mit den Händen. Verdammte Tiere! Hätte ich das laut gesagt und es wären Messer auf dem Tisch, würde mich wohl ein ähnliches Schicksal ereilen, wie den armen Khashoggi in Istanbul. Das war ja auch so ein Influencer. So gesehen bin ich froh, dass das einzige Messer an diesem Tag in der Hand vom Kokosnuss-Jungen am Strand liegt. Doch auch der philippinische Bengel schafft es, mich zu verunsichern. Während er in Sue's Coco Loco - ein Drink in einer Kokosnuss, deren Wasser mit Rum verfeinert wurde - ein normales, gleichmässiges Loch schneidet, schnitzt der kleine Romantiker in meine Nuss ein verdammtes Herz. Echt jetzt?! Ich sehe also trotz der schönen Sue an meiner Seite aus, als ob ich was für philippinische Jungs übrig hätte?! Unangenehmer sind eigentlich nur nach die Bettwanzen, die mich mit Stichen übersät aus El Nido abreisen lassen. Keine Ahnung wer mir die schon wieder untergejubelt hat. Wahrscheinlich die grinsenden Saudis.

    Bevor wir die Philippinen wieder verlassen, bleiben uns noch eine Nacht in Puerto Princesa und zwei Nächte in Cebu, von wo wir dann ungewohnt spät - erst um sieben Uhr in der Früh - nach Taiwan fliegen. Vorausgesetzt die Saudis und andere Verehrer lassen das zu. Wir werden sehen.
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