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  • Day 16

    Wilson der alte Kiffer

    March 12, 2019 in Iran ⋅ ☀️ 23 °C

    Nach weiteren sieben Stunden Busfahrt stehe ich endlich am persischen Golf. Genauer gesagt in Bandar Abbas, von wo mich eine Fähre zur Insel Hormuz bringt. Also bringen sollte. Heute Abend aber nicht mehr. Zu viel Wind und somit Wellen. Verdammt. Dem Florian aus Stuttgart geht es ähnlich beschissen und so teilen wir uns ein mittelmässiges Zimmer in einem mittelmässigen Hotel, um unser Glück am nächsten Morgen nochmals zu versuchen. Nach den romantischen Stunden haben wir es dann auch, dieses Glück. Noch eine kurze Umarmung nach der ersten - und wahrscheinlich letzten - gemeinsamen Nacht und wir besteigen verschiedene Boote in verschiedene Richtungen. Bye Flo. Hallo Mostafa. Mein nächster Gastgeber und Zugang zur iranischen Subkultur. Knapp fünf Minuten nach meiner Ankunft und somit noch vor dem Mittag, macht der erste Joint die Runde. Hier sind sie also, die iranischen Kiffer. Ich lehne dankend ab. Noch. Mostafas Mitbewohner hat die letzten acht Monate in einer Höhle irgendwo auf dieser Insel gewohnt. Er sieht daher auch ein wenig nach Tom Hanks in „Cast Away“ aus. Im Nebenamt sammelt der äusserst liebenswerte Cave Man ausserdem ausländisches Geld. Ein durchaus beliebtes Hobby im Iran. Auch wenn ich keine Münzen und lediglich ein Zehner-Nötli habe, erweitere ich seine Sammlung mit Selbigem gerne. Ihn haut das total aus den Socken und er verbringt eine ganze Stunde mit der Begutachtung des Schatzes. Sogar eine Lupe kommt zum Einsatz. Mir wird dabei bewusst, dass unser Geld im Vergleich - und dank eines sympathischen Le Corbusier anstelle eines grimmigen Ajatollahs - wirklich extrem schön ist. Auch unbekifft. Ich muss es aber genau wissen. Ein paar Minuten später halte ich die Lupe selber in der Hand und grinse wie lovely Cave Man vor mich hin.

    Ich schlafe die Tage in einem Sechserschlag auf dem unteren Brett - genau, mit „r“ - eines Kajütenverschlags. Unbequem aber gut für den Rücken. Cave Man schläft über mir. Als ich mich gegen Mitternacht ins Bett lege, scheint der Typ noch lauthals zu telefonieren. Er erzählt, lacht und hüpft grotesk herum. Ich hau die Kopfhörer und ein Hörbuch rein. Nach knapp einer Stunde immer noch die selbe Scheisse. Doch dann fällt es mir wieder ein. Der lustige Vogel hat mir zuvor erzählt, dass er seit zehn Jahren kein Telefon mehr hat. Also nix telefonieren. Höchstens mit sich selber. Oder mit Wilson, dem ollen Volleyball. Gegen zwei Uhr ist dann irgendwann Ruhe und seine Diskussion beendet. Wilson ist wohl zu bekifft und eingeschlafen. War das Einschlafen doch ziemlich langwierig und schräg, geht das Aufwachen ganz zügig und zum Dahinschmelzen süss. Auch für Hunde-Menschen. Schau Foto. Cave Man ist natürlich schon wieder am Kiffen. Und am Diskutieren. Hmm, liebenswert aber definitiv einen an der Klatsche. Und wenn der nächste Nacht wieder so abgeht - liebenswerter Mensch hin oder her -, ich schwöre, ich lass seinem imaginären Wilson die scheiss Luft raus. Verdammter Volleyball.

    Hormuz wird auch Rainbow Island genannt. Wegen den Gesteinsfarben, Einhörner soll es hier keine geben. Wobei meine Freunde Cave Man und Virtual Wilson das wahrscheinlich anders sehen. Wie auch immer. Mir fallen in erster Linie die Unmengen an Fliegen auf. Nicht ganz so schlimm wie Mücken, aber auch scheisse. Die Insel hat man mit dem Rad in wenigen Stunden umrundet, was ich die Tage neben lässig chillen und lecker kochen auch mache. Radfahren ist schliesslich auch eine meiner Paradedisziplinen. Wie Yoga und am Boden essen. Ein paar Grappas, „Rauchis“ und ein Space-Gugelhupf später bin ich aber schon wieder unterwegs. Auf einer Fähre zum Festland, von wo es nach Kish Island soll, meiner letzten Destination im Iran. Hormuz hat durchaus Spass gemacht und mir Zeit zum Denken gelassen. Es hat aber ohne zu werten auch gezeigt, dass mich ein solches - täglich berauschtes - Leben definitiv nicht erfüllt. Zu viel Flucht. Zu wenig Aktivität und Jetzt. Und ja, die Kätzchen sind zuckersüss. Aber stubenrein? Noch lange nicht ... Kleine Scheisserlein.
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