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  • Day 7

    Radeln gegen den Wind

    June 29, 2020 in Germany ⋅ ⛅ 20 °C

    Von Großenbrode über Kellenhusen, Grömitz und Neustadt i. H. nach Scharbeutz; 71 Kilometer, 390 Höhenmeter

    Abseits des offiziellen Ostseeradwegs verläuft unsere heutige Tour größtenteils in unmittelbarer Nähe der Küste. Zahlreiche Campingplätze liegen auf unserem Weg. Fast immer können wir sie durchqueren oder küstenseitig an ihnen vorbeifahren. Selten wird unser Weg durch private Wege oder Absperrungen blockiert, so dass wir ins Landesinnere ausweichen müssen. Gelegentlich müssen wir Fahrradverbotsschilder ignorieren. Unser Ziel eines grenznahen Tourverlaufs macht das einfach notwendig. An einigen Steilküsten bewegen wir uns auf Mountainbikerouten, eine Herausforderung für unsere Trekkingräder. Immer wieder müssen wir heute gegen den Wind ankämpfen.

    Vom Südstrand in Großenbrode verläuft der Weg zunächst nach Feldkamp, um den Binnenhafen herum und dann am Meer entlang bis Sahna. Nach dem Campingplatz in Sahna endet der Pfad. Wir fahren ein Stück landeinwärts und bei Süssau wieder ans Meer. Ab jetzt werden werden wir für die nächsten 40 Kilometer die Küste nicht mehr verlassen.

    Vier Kilometer hinter Dahme steht gegenüber der Mecklenburger Bucht der Leuchtturm Dameshöved. 29 Leuchttürme gibt es zwischen Flensburg und Travemünde. Dieser 1879 (1880 in Betrieb genommene) auf einen erhöhten Landvorsprung („Höved“) in der Lübecker Bucht in Schleswig-Holstein erbaute Turm hat geschichtliche Bedeutung, weil er den mit 30 Kilometer kürzesten Weg von Boltenhagen in der DDR nach Westen über die Lübecker Bucht anzeigte. Nach dem Mauerbau 1961 probierten mindestens 6500 Menschen die Flucht über die Ostsee, nur ca 900 waren erfolgreich und mindestens 189 Frauen, Männer und Kinder ertranken bei dem Fluchtversuch. Das Leuchtfeuer des Turms wurde später als „Licht der Freiheit“ bezeichnet, und zwei Gedenksteine erinnern heute noch daran. Einer steht im „Westen“, auf unserem Weg südlich des Leuchtturms, der andere im „Osten“ auf der Seebrücke in Boltenhagen in Mecklenburg - Vorpommern.

    In Grömitz erwartet uns am Ende des Yachthafens eine kleine Herausforderung. Wir wählen den küstennahen Pfad über die Steilküste nach Rettin, auch wegen der tollen Aussicht auf das Meer und die stellenweise steil abfallende Küste. Die Tour führt teilweise auf verschlungenen „Wurzelpfaden“ durch ein längeres Waldstück, in unserer App als Mountainbikeweg tituliert. Die Aufgabe ist aber mit unseren Trekkingrädern recht gut zu bewältigen, bei weitem nicht so schwierig zu fahren wie frühere Passagen vor Heiligenhafen. Am Ende des Waldes ein Campingplatz - die Besitzer(?) des „Privatweges“ haben eine Absperrung angebracht, die allerdings leicht zu überwinden ist. So können wir ungehindert am Meer entlang weiterfahren über Pelzerhaken nach Neustadt. Am Ende des Neustädter Hafens müssen wir ein militärisches Sperrgebiet umfahren. Kurz vor Sierksdorf ein kurzer Regenguss, wir können uns an einer Brücke unterstellen.

    Die Ostsee hat auf Künstler des Expressionismus große Reize ausgeübt. In Sierksdorf wirkte Karl Schmidt-Rottluf, wie der Aschaffenburger Kirchner ein Mitbegründer der Brücke. Bekannt ist sein Gemälde „ Seehofallee in Sierksdorf“. Deshalb gibt es hier auch ein Schmidt-Rottluf-Allee.

    Am Strand entlang sind es nur noch wenige Kilometer zu unserem heutigen Etappenziel Scharbeutz.
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