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  • Day 20

    In the middle of nowhere - you welcome!

    September 21, 2018 in India ⋅ ☀️ 36 °C

    Wüste Thar. Irgendein Wochentag. Irgendwann mittags. Tag 3 von 4 unserer Camel Safari jedenfalls. Gefühlte 50 Grad im Schatten des Baums, unter dem wir auf unserer Pritsche liegen, halb dösend, nass nur auf den irgendwo aufliegenden Körperstellen, der restliche Schweiss verdunstet sofort im sengend heissen Wüstenwind. Unsere Kamele sind einige Sträuche weiter am stachelige Zweige fressen, um uns herum nichts als Wüste, so weit das Auge reicht. Und es ist ein Traum, ein Wirklichkeit gewordener, unfassbar schöner Traum. In den meisten Momenten.

    Seit vorgestern morgen sind wir in der Wüste Thar unterwegs. Mit vier
    Kamelen und zwei Camel guides, 40 Litern Wasser, etlichen Säcken mit Nahrungsmitteln und zwei richtigen „Betten“. Ansonsten? Sand, Gräser und Sträucher, einige Adler, Gazellen und riesige Käfer. Ab und zu ein Hirte mit seiner Ziegenherde, sonst nichts. Meistens.

    Wir waren uns einig, dass wir nach den ersten zwei Wochen Indien dringend mal in die Natur müssen! (Luxusprobrobleme, jawohl, aber andere haben wir eben nicht.) Irgendwo hin, wo kein Autogehupe jeden Schritt begleitet, wo niemand ein Selfie oder zumindest einen Smalltalk will. Wo keine Häuser zu sehen sind und kein Müll. Wir sind Chapati über Chai verliebt in Indien mit all seinem Zauber und Wahnsinn, aber wir wollten eine Pause. So sind wir hier gelandet.
    Kein Gehupe und keine einzige Strasse, keine Menschen und kein Müll. Dafür diese Wüste!
    Die Wüste Thar ist keine reine Sandwüste, es hat Vegetation, bestehend aus Sträuchern, immer wieder Bäumen und Gräsern. In vereinzelten Dörfern leben Menschen, die sich trotzig und stolz den widrigen Bedingungen angepasst haben, aber auch dem Dreck und dem Chaos der Stadt beinahe fernbleiben können.

    Wir warten gerade unter unserem Baum darauf, dass die sengendste Mittagshitze vorübergeht und wir auf unseren Kamelen in wunderbarer Langsamkeit weiter durch diese endlose Weite und Stille schaukeln können.
    Unser dritter Tag begann -wie bereits der zweite- nach einer Nacht unter einem unglaublich schönen Sternenhimmel, eingemummelt in richtiges Bettzeug auf einer Metallpritsche und bewacht von unseren Kamelen mit Sonnenaufgangsyoga auf einer Sanddüne. In dieser Zeit hatten Dagga und Puna, unsere Guides, bereits Feuer gemacht und den wohl besten Chai aufgekocht, den wir in Indien bis jetzt getrunken haben. Nach einem stärkenden Frühstück packten wir alles zusammen, beluden und sattelten unsere Kamele und machten uns auf in einen weiteren Tag voller stiller Weite und unberührter Natur.

    Dieser Wüsten-Trip ist voller bezaubernden Momenten; am Mittag und Abend kochen wir gemeinsam über dem offenen Feuer. Gemüsecurry, Reis mit Kreuzkümmel und Chapati. Als erstes aber wird immer Chai zubereitet, der hier in der Wüste als Stärkung sogar in noch grösseren Mengen als in den Städten getrunken wird. Während unseren Rasten wird unseren Kamelen das Zaumzeug abgenommen und sie werden frei gelassen. Nicht ganz zwar, die Vorderbeine werden ihnen mit einem Strick lose zusammengebunden, aber nach erstem Unverständnis wird uns dessen Notwendigkeit bewusst. Bereits nach einer Stunde sind sie nämlich in der Weite der Wüste verschwunden und es kostet Dagga lange, bis er mit ihnen wieder zum Lager zurückkehrt.
    Unsere Kamele, genauer gesagt Dromedare, denn sie haben nur einen Höcker, sind faszinierende Wesen. Gross, anmutig und sanft wirken sie, wenn sie auf ihren riesigen Samtpfoten durch den Sand stolzieren. Ungelenk und ulkig, wenn sie abliegen und den Kopf auf den Sand betten.
    Heute führen wir sie alleine oder sie führen uns, das ist schwierig festzustellen, aber so oder so ist es ein unglaubliches Gefühl, auf so einem anmutigen Tier durch die Wüste zu schaukeln!

    Neben all diesen Kostbarkeiten gibt es aber auch hier schwierige Situationen; unsere Guides sprechen kaum Englisch. Ihre meist geäusserte Floskel ist ein unbeholfenes „You welcome.“ und sie sind sofort sehr gestresst, wenn uns etwas nicht gefällt. Dies war der Fall, als wir gestern in einem Village waren, um die Kamele zu tränken... Selbst hier, weit ab von moderner Zivilisation häuft sich der Abfall, sobald wir uns dem Dorf nähern. Eine Schar Kinder kommt auf uns zugerannt, sie betteln um „Chocolate, Chocolate!“ oder „Rupies, Rupies!“, sie fassen uns an und wollen unseren Schmuck. Es ist erschreckend zu erleben, was der Tourismus selbst hier anrichtet und ein kleiner Schock für uns nach zwei Tagen in der einsamen Wildnis. Wir brauchen wohl nicht zu sagen, dass wir froh waren, als unsere Kamele mit trinken fertig waren und wir wieder in die Weite hinausreiten konnten.

    Einmal mehr ist es faszinierend, dieses Indien! Es zeigt sich uns so voller Schönheit und Zauber und so voller Elend und uns überfordernden Momenten... Es lässt uns staunen und jauchzen und im nächsten Augenblick stolpern und straucheln...aber eines dürfen wir einmal mehr zugeben: Diese Reise, unser Leben, ist einfach wunderbar!
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