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  • Day 9

    Das kommt uns spanisch vor

    April 20, 2017 in Spain ⋅ ⛅ 18 °C

    Nach dem entspannenden Abend im Thermalbad und dem romantischen Essen am Fluß Mino packten wir wieder unseren Rucksack und wanderten weiter. Die letzte Nacht war etwas seltsam. Plötzlich ging bei uns im Zimmer das Licht im Eingangsbereich neben dem Bad an. Ich hatte natürlich zunächst Svetlana im Verdacht, stellte aber fest, dass diese neben mir lag und schlief. Auf meine Frage, warum denn das Licht brenne, kam von ihr nur die schlaftrunkene Antwort: "Was für ein Licht?". Wir waren beide auf der Stelle hellwach, bewaffneten uns mit unseren Wanderstöcken, sprangen zur Tür und waren wild entschlossen, den Eindringling zu vertreiben. Aber da war kein Eindringling. Ich öffnete die Zimmertür und kontrollierte den Flurbereich. Auch da war niemand. Wir sahen im Bad nach, wiederum Fehlanzeige. Svetlana stellte schließlich ihren Rucksack so vor die Tür, dass dieser beim Betreten von Außen zwangsläufig mit viel Getöse umfallen würde. Das gab uns ein wenig Sicherheit. Dennoch war das Rätsel noch nicht gelöst. Das Licht ließ sich nicht ausschalten. Nochmal kontrollierte ich die Umgebung. War Rauch zu riechen oder Sirenen zu hören? Nein, ich konnte nichts Auffälliges feststellen. Also legten wir uns trotz der brennenden Lampe wieder schlafen. Irgendwann bemerkte ich, dass das Licht wieder ausging und nur noch die Notbeleuchtung zum Notausgang leicht vor sich hin glimmte. Letztlich also nur ein Sturm im Wasserglas. Wir waren am nächsten Tag trotzdem gut ausgeschlafen und genossen das sehr üppige Frühstück ausgiebig. Wir widerstanden der Versuchung, noch einen Tag in diesem Hotel zu verbleiben. Gestärkt durch das Frühstück, machten wir uns wieder auf den Weg. Es ging einmal mehr über Stock und Stein die Hügel herauf und herunter. Diesmal war der Wegstrecke wieder naturnah. An kleinen Bächen vorbei durch Wald und Flur. Wir durchquerten Weinhänge und fremde Gärten sowie kleine Dörfer. An diesem Morgen hatte ich mir nun doch die Blase aufgestochen. Sie war mittlerweile so groß geworden, dass ich damit nicht mehr in meinen Schuh kam. Selbst die Sandalen stellten keine Tragealternative mehr dar. Ich hatte jetzt unter dem ganzen Fuß Blasen und auch an den Fußkanten. Also desinfizierte ich eine Nähnadel und stach die dickste Blase vorsichtig auf. Anschließend verklebte ich sie, um sie vor Schmutz zu schützen. Eine Bekannte hatte letztes Jahr ebenso ihre Blase am Fuß geöffnet. Ihre Schmerzen ließen dadurch aber nicht nach, sondern wurden schlimmer und schlimmer. Tapfer ging sie den ganzen Tag weiter. Auch am nächsten Tag startete sie mit dem eisernen Willen, durchzuhalten. Irgendwann bekam sie Fieber, Kopfschmerzen und Schüttelfrost. Total am Ende ihrer Kräfte brach sie mitten im nirgendwo zusammen. Sie konnte noch nicht mal mehr sagen, wo sie sich exakt befand. Mit Hilfe von Handy und WhatsApp sendete sie ihren Standort zu Freunden, die ihr von Deutschland aus ein Taxi organisierten. Im Krankenhaus diagnostizierte man bei ihr eine Blutvergiftung. So eine ähnliche Geschichte gibt es auch in meiner Facebookgruppe. Hier war Anne Chantal der rettende Engel. Deshalb bin ich solange wie möglich mit geschlossenen Blasen weitergelaufen. Aber jetzt ging nichts mehr. Unter dem Strich ist es bei mir gut gegangen. Ich konnte - wenn auch mit Schmerzen - unseren Weg fortsetzen. In Padron angekommen hätte ich die Schuhe am liebsten dennoch im hohen Bogen in den Fluß geworfen. Tat ich aber nicht, denn unsere Tagesetappe war erst in 8 km geschafft. Padron selbst gefällt mir persönlich nicht wirklich, die Stadt berührt mich nicht. Der Legende nach soll hier der Leichnam von Jakobus in einem steinernen und mit Jakobsmuscheln übersätem Sarg/ Schiff angelandet sein. Wir blieben nur kurz in Padron und machten uns trotz weher Füße und schmerzenden Beinen schon bald wieder auf den Weg. Vor uns lag der Aufstieg zu einer Kirche. Auch diese war - wie so viele Kirchen in Portugal und Spanien - geschlossen. Etwas seltsam für einen Pilgerweg. Nur mit Glück fand man mal eine geöffnete Kirche. Unser Weg führte uns weiter nach Picanara. Insgesamt war unsere heutige Strecke laut Reiseführer auf 26 km ausgelegt. Die Spanier rechnen aber offensichtlich anders. Wahrscheinlich haben sie eine andere Maßeinheit. 1 km ist dort bei weitem nicht überall 1 km. Nach 26 km mit brennenden Füßen erreichten wir nach einem steilen Anstieg die Spitze eines Hügels. Von dort war jedoch weder ein Dorf noch eine Siedlung in Sicht. Wandern konnte man zu diesem Zeitpunkt unsere Fortbewegungsart nicht mehr nennen. Es war eher ein vorwärts schleppen. Mittlerweile zogen die Schmerzen vom Fuß die Beine hinauf bis zum Po. Auch die Beine meiner Freudin waren wieder feuerrot und komplett mit Pusteln übersät. Nun ja, nach 32 km erreichten wir eine kleine Pension. Dort nahmen wir uns ein Zimmer. Anstatt sofort in die nahe gelegene Gaststube zum Essen zu gehen, zogen wir uns als erstes die Schuhe aus und legten uns aufs Bett. Nur fünf Minuten ausruhen, war unser Wunsch. Hätten wir das mal besser nicht gemacht. Danach wollten die Füße nirgendwo mehr hin. Ich kroch auf allen vieren ins Bad. Svetlana schaute sich das an und versuchte es dann gar nicht erst. Sehr viel später schaffte ich es doch noch bis zum Restaurant. Der Durst nach Bier trieb mich dahin. Nach zwei großen Bier und einer galizischen Suppe sowie etwas Fisch hatte ich auch wieder soviel Kraft, zur Pension zurück zu kehren. Ich ließ mir noch ein Bier und etwas für meine Freundin einpacken. In der Pension schrieb ich noch den Reisebericht über den gestrigen Tag. Danach fielen Svetlana und ich in einen tiefen Dornröschen-Schlaf. Das Haus hätte abbrennen oder einstürzen können, ich bin davon überzeugt, niemand von uns beiden hätte etwas mitbekommen.Read more