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  • Day 8

    Rettung dank roter Regenjacke

    July 1, 2015 in Greenland ⋅ ⛅ 11 °C

    Guten Morgen aus unserer roten Hütte. Kurzzeitig fühlen wir uns wie die Einheimischen. Kein Wasser, kein Strom, aber Millionen Mücken. Wir machen uns frisch und stapfen zu Uta & Ingo, wo schon das gemeinsame Frühstück wartet. Wieder kommt uns der Ort mit seinen 46 Einwohnern und den bunten Häusern gespenstisch vor. Blauer Himmel, Sonnenschein und kein Mensch zu sehen. Wir empfinden dies hier sehr befremdlich.
    Bei Uta und Ingo herrscht Gemütlichkeit und gute Laune. Wir könnten noch ewig quatschen, doch wartet ein weiter Heimweg auf uns. Aber ein wenig Zeit nehmen wir uns dann doch, da uns ja keine dunkle Nacht überraschen kann. Meine Freundin verpasst Uta noch einen schicken Kurzhaarschnitt. Dann starten wir an unserer roten Holzbehausung. Einen Weg gibt es nicht. Vor uns liegen ca. 18 Kilometer Wildnis. Hin und wieder treffen wir auf Steinmännchen, die uns den richtigen "Weg" weisen. Es gestaltet sich schwierig, einen optimalen Pfad zu finden. Alles ist nass und patschig, rundherum taut es bei dieser grönländischen Hitze. Wir stiefeln durch eine kniehohe, vollgesaugte Moos - und Heidelandschaft. Das Gehen ist anstrengend, wir schwitzen fürchterlich, doch es gibt keine Chance uns den langen Klamotten zu entledigen. MÜCKEN MÜCKEN MÜCKEN. Sie schwirren in Scharen um uns herum. Das erste Mal haben wir unsere Mückenkopfschutznetze aufgesetzt. Bei jeder Trinkpause schlüpfen ein paar dieser penetranten Viehcher tatsächlich hinein. Alles Schimpfen nutzt nix, wir können es nicht ändern und müssen es annehmen. Ab und zu erleichtern ein paar glattgeschliffene Felsen unsere Schritte. Wir sind die einzigen 2 Menschlein hier. Manche Stunde stapfen wir vor uns hin...jeder hängt seinen Gedanken nach. Aber einen Gedanken haben wir beide. Was würden wir tun, wenn wir einen Eisbären sehen würden? Hier an der Westküste gibt es keine, aber es kam schon vor, das sich einer auf einer Eisscholle hierher verirrt hat. Hier gäbe es kein Entkommen. Das steht fest! Irgendwie ist es uns bei diesem Gedanken schon ein klein wenig mulmig. Trotzdem genießen wir diese Tour. Fernab jeglicher Zivilisation...nur wir und die grandiose Natur. Rechter Hand haben wir immer einen freien Blick auf die Eisberge. Ab und zu bricht unter lautem Getöse ein Stück ab oder ein Eisberg dreht sich. Bald muss der Bach kommen, der unseren Weg quert. "Ja schau mal. Da vorn!" Doch was ist das denn jetzt? Ein Bach? 5 Meter breit? Die warmen Temperaturen lassen alles schmelzen. Wir beratschlagen und müssen irgendwie rüber. Nach ein paar Anläufen balancieren wir unsere Rucksäcke und uns ans andere Ufer. Ein falscher Tritt und wir liegen im eiskalten Wasser. Unser Teamwork funktioniert. Das soll das einzige Hindernis auf dieser Tour sein! Toll. Jetzt wissen wir auch auf der Karte wieder wo wir genau sind. Wir picknicken gemütlich, füllen unsere Trinkflaschen auf und machen uns auf zur letzten Etappe.
    Bald muss wieder ein Fluss kommen- laut Karte- den wir auf einer Brücke überqueren können. 6 Stunden sind wir nun schon ununterbrochen unterwegs...und werden langsam fußlahm. Ah, ich höre Wasser rauschen...ich auch, Juhu, dann haben wir es bald geschafft! Doch das Rauschen wird stärker und stärker und dann sehen wir das Dilemma...die Brücke hat der enormen Taugeschwindigkeit der Gletscher nicht standgehalten! Wir beratschlagen, versuchen ein Seil herauszufischen, doch das Wasser ist knapp über Null und würde uns mitreißen.
    Okay, nochmal 6 Stunden zu Uta & Ingo zurück...Nein, schaffen wir nicht. Wir können ja mal anrufen...Kein Netz weit und breit. Schitt! Wir müssen irgendwie an die Küste gelangen. Also stapfen wir zurück und dann durch Wasserlöcher und Morast, bis wir am Ufer sind. Wollen wir erstmal was essen? Nein!!! Wir wissen ja nicht, wie lang wir hier festhängen.
    ...irgendwann hören wir ein Boot, rennen zu einem Felsen, schwenken unsere bunten Jacken und rufen SOS! Tatsächlich, wir können es kaum glauben, dreht er bei und fährt direkt auf uns zu. Ein junger Grönländer, unser Retter. Wir erklären unsere Misere, steigen aufs Boot und sind sooo glücklich und dankbar! Doch will er uns nur über die Einmündung des Flusses bringen...nun streiken wir und überreden ihn, uns zum Hafen nach Ilulissat zu bringen. Okay, im Harakiritempo fliegen die Eisberge an uns vorbei, doch uns ist alles egal, wir wollen "heim". Kurz vor dem Hafen ist ein Polizeiboot hinter uns und er erklärt, dass er nicht hierherfahren darf und Anlegen schon gar nicht...also springen wir unter Polizeiaufsicht vom Boot und haben nicht mal Zeit, um Danke zu sagen...weg war er, unser Retter!
    Eine halbe Stunde, dann sind wir an der Unterkunft...wollen wir uns heute Rotwein gönnen? Egal wie teuer? Jupp! Also noch in den Supermarkt, der 24h geöffnet hat...doch Hoppla, um die Sprituosen sind rot-weiße Absperrbänder...ab 13 Uhr darf hier am WE keiner mehr Alkohol kaufen! Wir schlüpfen durch, legen die 2 Flaschen aufs Band und werden natürlich nicht abkassiert. Mist! Es gibt noch einen 2. Supermarkt. Diesmal betreten wir ihn mit Plan. Die Kassierer waren immer zu zweit...also 2 Flaschen ins Körbchen...ich hab auf einmal Hilfe beim Obst gebraucht und Sylke hat der einen Kassiererin unsere Story erzählt und schwupps ging der Wein übers Band!
    Abend gerettet! Haben wir uns verdient!
    Trotz Sonne schlafen wir heute wie die Murmeltiere!
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