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  • Day 26

    Berg der Kreuze und Kaunas

    August 7, 2019 in Lithuania ⋅ ⛅ 20 °C

    Wir sind früh dran und können um 9.00 Uhr die ca. 350 km lange Strecke nach Kaunas mit einen Zwischenstopp am "Berg der Kreuze" in Šiauliai in Angriff nehmen. Wobei die Bezeichnung "in Angriff nehmen" den Nagel auf den Kopf trifft. Streckenweise erweist sich die Straße mit den Schlaglöchern und Spurrillen als regelrechter Angriff auf unser Wohnmobil. Das Navi führt uns so weiträumig und in einem großen Bogen aus Riga heraus, dass ich Michael schon im Verdacht habe, er könnte die falschen Koordinaten eingegeben haben. Es geht über die A10 in Richtung Jurmaala und dann auf der A5 weiter auf die A8, die dann auch nach Šiauliai zum "Berg der Kreuze" führt. Wir durchfahren Orte wie Jelgava am Fluss Lielupe mit dem schönen Schloss und dem Kirchturm der St. Triniti Kirche, der schon von weitem zu sehen ist. Oder Joniškio, dessen weiße Synago sehr bekannt ist. Dazwischen immer wieder Kilometer um Kilometer Brachwiesen, Wälder und bereits abgeerntete Getreidefelder. Dann geht es entlang des Talkša Sees, bevor wir Šiauliai erreichen. Schade, dass man nicht für alles Zeit hat, denn hier gibt es noch ein interessantes Schokoladenmuseum. Aber unser Ziel ist der "Berg der Kreuze", der kurz hinter Šiaauliai liegt. Wir fahren auf den gegenüberliegenden Parkplatz und finden ohne Probleme einen Platz für Wohnmobil und Hänger. Außer einem Reisebus und einigen PKWs ist es noch verhältnismäßig ruhig an diesem touristisch voll erschlossenen Ort. Wir könnten auch kostenlos am Straßenrand parken, wie es einige andere Campingfahrzeuge machen, aber dann fehlt uns die Möglichkeit zum Drehen. So kommen wir über den Parkplarz bequem wieder in Richtung zur A8 und die 2 Euro, die wir für das Hochgehen der Schranke bezahlen müssen, betrachten wir mal einfach als Eintritt, der eigentlich kostenlos ist. Durch einen Fussgängertunnel gelangt man auf den Weg zum Berg oder genauer zum Hügel der Kreuze, die sich auch unterhalb der Treppe zum Berg nach allen Richtungen ausbreiten . Es gibt sie in allen Größen und aus allen Materialien. Viele mit Gebetsketten behängt, mit Namen oder Wünschen beschrieben. Die Zeit und die Witterung haben den meisten Holzkreuzen eine silbergraue Patina verliehen. Wir haben Glück, dass nicht so viele Besucher da sind, und so können wir auch über die schmalen Pfade zwischen den Kreuzen gehen. Dem Beginn des Kreuzhügel soll eine Legende zu Grunde liegen. Später sollen Anwohner Kreuze für die Getöteten einer Schlacht dort aufgestellt haben und nach der Übernahme Litauens durch die Sowjets wurden für viele, der nach Sibirien deportierten und dort verstorbenen Menschen, Kreuze aufgestellt. So entwickelte sich der Ort zu einem Wallfahrtsort für viele Gläubige. Das war den Besetzern aber ein Dorn im Auge und so wurden in den 1960- und 70ger Jahre insgesamt viermal alle Kreuze verbrannt und verschrottet. Das hat die Menschen aber nicht davon abgehalten immer wieder neue Kreuze aufzustellen. Auch als ein Zeichen des inneren Widerstandes gegen die Besatzer. Wie viele Kreuze es heute sind, weiß niemand. Bei einer Zählung 1990 haben Studenten der Universität Vilnius bei 50000 aufgegeben. Da waren die vielen kleinen Kreuze, die überall an den größeren Kreuzen hängen, nicht einmal mitgezählt. Seit dem werden es immer mehr, denn viele Besucher bringen Kreuze mit, die sie aufstellen. Heute ist dieser Ort, der etwas mystisch wirkt und zum Innehalten und Verweilen anregt, eines der größten Sehenswürdigkeiten Litauens. Busseweise werden die Touristen herangefahren. Das erleben wir, als wir unseren Besuch beendetet haben. Insgesamt 9 Reisebusse stehen auf dem Parkplatz, aus denen Menschen steigen.
    Nichts wie weg, bevor wir zu geparkt werden.
    Weiter geht es auf der A8. Wir streifen die Seenplatte hinter Bubai und können viele Störche auf den vorbeiziehenden Wiesen beobachten. Vom "Berg der Kreuze" bis Kaunas sind noch 240 km Landstraße zu fahren, die zwar als Autobahn ausgewiesen, aber holperig und geflickt ist. Da kann einem auch schon mal ein Radfahrer begegnen oder es gibt ein Wartehäuschen für den Bus am Straßenrand. Die letzten Kilometer auf der A1 sind dann besser zu ertragen.
    Es ist fast 15.00 Uhr als wir Kaunas, die zweit größte Stadt Litauens, erreichen. Schon von der Brücke, über die wir bis zur Ausfahrt fahren, sehen wir das Stadtcamping Kaunas unten am Fluss Neris liegen. Es ist wenig los, und wir können uns einen der extra langen Plätze für Gespanne aussuchen. Die Stellplätze sind super gemacht, wirken aber mit den Betonstreifen fürs Womo und den Rasengittersteinen insgesamt etwas unpersönlich. Strom gibt es an jedem Platz und auch Sanitär und Ver- und Entsorge ist vorhanden. Der Clou ist der kleine Pool mit den Liegen rundherum. Hier kann man sich nach einem heißen Stadtbesuch abkühlen. Das Wetter ist sonnig, so um 25 Grad. Deshalb nehme ich gleich nach der Ankunft mein Fahrrad und radele in die ca. 5 km entfernte Altstadt. Michael ist sichtlich geschafft von der Fahrt und will sich nur noch ausruhen. Die Stadt wäre morgen auch noch da, meint er. Die Strecke führt auf einem super Radweg zwischen Straße und Fluß entlang. Im weitern Verlauf führt der Weg in den Park, zur Burg und zum Zusammenfluß von Memel und Neris. Aber das weiß ich an diesem Nachmittag nocht nicht, und so verlasse ich den tollen Radweg, nicht ohne zwischendurch einmal an den Fluß gegangen zu sein, und schlage mich über holprige Straßen, Bürgersteige, hohe Bordsteinkanten und Fußgängerüberwege bis zur Vilniusstraße durch. Jene Hauptflaniermeile mit den vielen netten Bars, Cafés, Lädenund Restaurants, an deren Ende der Rathausplatz liegt, mit den geschichtsträchtigen Bauten, wie dem Dom zu Kaunas und der Kathedrale der Heiligen St. Peter und Paul. In der Kathedrale ist es schön kühl und ich bleibe einen Moment in der Bankreihe sitzen und schaue auf den wunderschönen Altar.Teile der Kathedrale sind eingerüstet und abgedeckt. Hier scheint man weitere Fresken frei zu legen, wie die, die ich schon einer der Wände bewundern kann. Auf dem Rathausplatz fällt mir ein prächtiges weißes Gebäude mit einem hohen Turm auf. Das muss das Rathaus der Stadt Kaunas sein, das die Einwohner liebevoll als "weißen Schwan" bezeichnen Wahrscheinlich wegen des Turmes, der sich einem ausgestreckten Schwanenhals gleich, in den Himmel reckt. Im Inneren befindet sich das Museum der Stadt und die Tourist- Information. Das gelbe mit weißen Stuckelementen verzierte Gebäude dahinter, ist der historische Präsidentenpalast der Stadt Litauen, in dessen Innenhof man die Skulpturen der ehemaligen Präsidenten sehen kann. Heute befindet sich im Palast ein Museum. Es gibt auch noch eine Fotogalerie, die in einem alten Backsteinhaus untergebracht ist.
    Kaunas ist eine Stadt der Kunst und des Designs. Einige bemalte Häuserfronten konnte ich auf meinem Weg bereits bewundern. Professionelle Künstler haben großformatige Street-Art-Kunst geschaffen. Kaunas hat nicht nur eine geschichtsträchtige Vergangenheit mit vielen Baudenkmälern sondern ist auch Unesco-Stadt des Designs.
    Ich habe für heute genug Stadt-Input gehabt und suche eines der schönen Lokale für ein Getränk auf. Dann gehts zum Wohnmobil zurück. Beinah wäre mein Fahrrad nicht ganz mitgekommen, denn an einem Fußgängerüberweg achte ich nur auf die noch grüne Ampel und sehe nicht, dass der Zebrastreifen vor einer hohen Treppe endet. Ich komme ordentlich ins Schwitzen, bis ich das schwere E-Bike von der Straße weg und die Stufen hochgewuchtet habe.
    Der Campingplatz ist inzwischen bis auf den letzten Platz gefüllt. Nichts geht mehr.
    Bei uns aber geht noch eine ganze Menge. Die leckeren Marktsachen von Riga wollen verarbeitet werden. Bei Pasta mit Pifferlingen, gebratenem Steak und Lachs lassen wir den Tag langsam ausklingen. Morgen ist auch noch ein Tag, da hat Michel schon recht.
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