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  • Day 89

    The Unbelievable II

    October 30, 2021 in the United States ⋅ ☀️ 23 °C

    Jenny hätte lieber räuchern sollen, denn der Tag der nun folgt, hielt erneut einige unangenehme Überraschungen bereit und sollte unsere Pläne für den Tag völlig durcheinanderbringen. Am Ende hängen wir 45 Minuten in einer Kundendienst-Warteschlange, fahren 2 Stunden auf die andere Seite der Insel, kaufen ein billiges genmanipuliertes Hähnchen bei Cosco und verlaufen uns fast bei Dunkelheit in einem Vulkankrater. Aber gut, auf der anderen Seite sehen wir wunderbare Orte hawaiianischer Kultur, retten eine kleine Familie davor, nachts womöglich in Spalten und Löcher zu fallen und so legen wir einfach fest, dass alles genau so hat kommen müssen, wie es nun kommt.

    Morgens bin ich einfach nur froh, packen zu können. Dennoch habe ich mich aber mit der Gegend, der Unterkunft und den Menschen hier in den letzten zwei Tagen auch versöhnt, sodass ich die Erlebnisse auch in guter Erinnerung behalten kann. Ich rechne gar nicht damit, dass Jenny noch einmal mit mir on Tour gehen würde, aber so ist es. Vielleicht bin ich aber ihr kleines „Projekt“, überlege ich, mein Leben ist ja im Moment eine große Wundertüte und hält nicht nur Süßigkeiten bereit. Da Jenny einen Ausweis für die Nationalparks hat und sonst keine Pläne, wollte sie mit mir im Volcanos Nationalpark noch durch den zweiten, erkalteten Krater wandern. „Jackpot!“, denke ich, „das wollte ich sowieso noch machen!“

    Wir starten also mit beiden Autos und parken wieder dort, wo ich auch die anderen letztes Mal getroffen habe. Ich hole noch die Sandwiches für uns aus dem Kofferraum, mache ihn kurz zu ohne Nachzudenken – uppss... Schlüssel noch drin. „Macht ja nichts, ist ja nicht verschlossen...“, habe ich gedacht. Aber der Kofferraum ließ sich nicht mehr öffnen. „Egal, ich habe ja nichts abgesperrt, also klettere ich kurz von der Fahrertüre aus nach hinten!“, dachte ich noch... Bis ich nach Luft schnappe, denn ich finde alle Türen verriegelt vor. Für ein paar Augenblicke bin ich starr. Kann das denn jetzt wirklich sein? Ich hatte extra verschiedene Modalitäten bezüglich Auto, automatisches Verschließen und Schlüssel zu Beginn der Reise ausprobiert (gut, natürlich ohne Schlüssel im Auto, versteht sich). Und das Fahrzeug hatte sich niemals – auch nach 10 Minuten nicht – von alleine verschlossen! „Jenny hält mich für den totalen Freak, wenn ihr das jetzt noch beichten muss...“ Aber ich muss. Wir umschreiten das Auto, können nicht glauben, was gerade passiert ist – was nicht passieren sollte! Dann sagt sie ganz lapidar: „Well, so we are going to Kona today to get a second key.“ Ich wünschte innerlich so sehr, es würde sich noch alles geben und die Türe aufgehen oder der Schlüssel aus meiner Tasche fallen – aber wir befinden uns nun einmal im Kapitel „The Unbelievable“ und daher bleibt uns nichts anderes übrig als uns nach einem relativ erfolglosen Gespräch mit dem Kundendienst, der mich einfach 45 min. in die Warteschlange geschoben und dort vergessen hat, auf den Weg nach Kona zu machen. Es stellt sich heraus, dass diese Situation natürlich „unmöglich“ eintreffen hätte können und es sich niemand erklären kann. Jens Fahrt erspart mir aber 400 USD für den Schlüsseldienst-Taxi und ebenso den Eintritt in zwei Nationalparks heute (50 USD). Ich bin ein unfassbarer Unglücks-Glücks-Rabe, man kann es gar nicht anders sagen!

    Ich halte ständig Ausschau nach einem Hähnchenstand, um mich zumindest ein wenig erkenntlich zu zeigen, aber dann wird es doch nur eines aus dem Supermarkt – die Hähnchen sind nicht auf unserer Seite. Wir nehmen unser Lunch am Strand ein, bester Blick, und begeben uns dann auf die Spuren der polynesischen Ureinwohner im unaussprechlichen Pu'uhunua o Honaunau National Historic Park („Zuflucht von Honaunau“), der zu früheren Zeiten Regelübertretern als Fluchtort diente, wo er von seiner Schuld freigesprochen werden konnte . Geschnitzte Holzfiguren, Boote und Werkzeuge, traditionelle Hütten, Erzählungen von Königen und Königinnen. Es ist ein wunderschöner Rundgang, sehr pittoresk, die Umgebung einladend und nicht so unwirtlich wie an anderen Stellen. Leider sehen wir wieder keine Schildkröten, dafür umso mehr Fische im königlichen Teich.

    Mit Zweitschlüssel im Gepäck wollen wir nun doch versuchen, noch die Vulkantour nachzuholen und fahren wieder zurück in den Osten. Es beginnt schon leicht zu dämmern, als wir den Kilauea Iki Trail betreten, aber Jen war schon hier und weiß, wie wir am besten vorgehen, damit alles gut geht und wir auch im Dunkeln sicher zurück finden. Daher gehen wir entgegen des Uhrzeigersinns in den Krater hinunter, lassen das schwierigere, zerklüftetere Terrain noch im Hellen hinter uns. Es fühlt sich aufregend an, in einem erkalteten Krater zu spazieren, vom Rand sieht jeder Mensch klein wie eine Ameise aus, die Ausmaße des Kraters sind enorm! Erneut zeigt es, welch unbändigen Mächte die Natur hat und wir Menschen nur ein winziges Körnchen auf der Erde ausmachen. Mich lässt das Gefühl nicht los, auf heiligen Boden zu gehen.

    Im zweiten Teil des Weges finden sich keine Spalten, Hügel und Auswürfe mehr, alles ist fast so eben wie Asphalt. Steinhügel zeigen uns den Weg, und da es nun langsam dunkel wird, leuchten uns noch die Handy-Lichter – sonst umgibt uns die Dunkelheit der Lava von unten und der Nachthimmel von oben. Ein wenig ist uns schon unheimlich hier im Dunkeln zu spazieren... Als wir dann die Steinhügel nicht mehr finden können, wird Jen etwas nervös. Uns fehlt die Übersicht, aber dank Googlemaps finden wir wieder schnell auf den befestigten Pfad, der nach oben und uns zum Parkplatz führen wird. Ein Familienvater mit zwei Kindern kommt uns entgegen und will eigentlich zum anderen Krater, um die glühende Lava zu beobachten. Er ist genervt und pampig, als wir ihm sagen, dass sie hier völlig falsch sind und der Weg in die andere Richtung gefährlich im Dunkeln. Nur widerwillig dreht er um, grummelt, dass er sich nicht verlaufen würde, er wohne schließlich hier. Nun ja, wir sind jedenfalls sehr erleichtert, als er und seine zwei Kinder umkehren und nicht mit nur einer Stirnlampe den Krater betreten. Auf dem Weg nach oben meint Jen noch, dass das Unterwegssein mit mir auf jeden Fall immer ein kleines Abenteuer ist. Langweilig hatten wir es wirklich nicht, dennoch könnte die Pechsträhne nun auch einmal aufhören, denke ich. Und dann gehen wir tatsächlich noch am "Glow" vorbei, dem roten Glühen des Vulkans und plötzlich erscheint mir der Tag fast vollkommen.
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