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  • Day 131

    Fazit Kolumbien

    August 12, 2019 in Colombia ⋅ ⛅ 20 °C

    Man kann sie nur lieben, die Kolumbianer. Nirgendwo wurde ich so herzlich begrüßt und verabschiedet - mit Umarmungen und Küsschen.
    Vielleicht ist das der Grund dafür, dass alle Langzeitreisenden so begeistert von Kolumbien sind. Hier freut man sich noch über Touristen und hilft immer gern.

    Besonders in Medellín spürt man das. Die Einwohner sind so stolz auf den positiven Wandel der Stadt und ihre heutige Kultur. Von der gefährlichsten Stadt der Welt zu einem Ort an dem sich viele Besucher wohlfühlen. Das ist wirklich bemerkenswert!
    Der Hostelbesitzer hat mir den Wandel ausführlich erklärt. Verstanden habe ich nicht alles. Mein spanisch ist zu schlecht für politische Diskussionen. Dafür hat es gereicht:

    Der Bau der Metro war ein ganz wichtiger Faktor. Die Bevölkerung hat diese sehr geschätzt und liebt sie noch heute. Plötzlich kommt man günstig und deutlich schneller sowie bequemer zur Arbeit. In der Metro gab es anfangs konsequent Ansagen wie man sich verhalten soll, z.B. dass man seinen Müll nicht einfach in die Gegend wirft. Wenn man es täglich hört, prägt es sich irgendwann ein. Das hat tatsächlich funktioniert und die Leute wurden somit nach und nach zu einem besseren Verhalten erzogen.

    2) Kunst und Bildungsstätten
    Insbesondere in sozial schwachen Gebieten wurden Bibliotheken und Kunstwerke gebaut. Außerdem wurde der Zugang zu Bildung extrem erleichtert. Wenn ich es richtig verstanden habe, gab es sogar Gutscheine für einen kostenlosen Transport zur Uni.

    In Summe scheint die Stadt über Jahre in die richtigen Dinge investiert zu haben (und das unter wechselnden Bürgermeistern). Es war das erste und einzige Mal, dass Menschen in Südamerika sich mir gegenüber positiv über ihre aktuellen Politiker geäußert haben.
    Anmerkung: das gilt nur für Medellín, nicht für Kolumbien als Nation und auch nicht für andere Städte wie Bogotá. Über den aktuellen Präsidenten wird ordentlich geschimpft und Bogotá versucht seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten eine Metro zu bauen. Doch irgendwie verschwindet das eigentlich dafür bereitgestellte Geld immer...

    In Bogotá habe ich eine Stadtführung zum Thema Konflikte und Frieden in Kolumbien mitgemacht. Auch die war total spannend. Nicht, dass ich jetzt alles wiedergeben könnte, aber im Grunde hat man seit der Unabhängigkeit von Spanien kontinuierlich politische Konflikte gewalttätig ausgetragen und immer wieder Gewalt mit Gewalt bekämpft. Viele Gruppierungen wurden zunächst mit guten Absichten und Ideen gegründet und unterstützt, entwickelten sich dann jedoch schnell negativ.

    Auch heute hat Kolumbien (inkl. Medellín) noch genug Probleme und ich bin wirklich gespannt wie sich das Land weiterentwickelt.

    Die Kolumbianer sind übrigens keine Fans der Netflix-Serie Narcos. Im Gegenteil: sie möchten diesen Ruf gern loswerden. Dazu muss man jedoch sagen, dass nie so viel Kokain produziert wurde wie heute. Demnächst werde ich auch Narcos schauen. Ob es sich mit dem deckt, was ich gehört habe?
    In der Bevölkerung herrschen die verschiedensten Meinungen über Escobar: Vom größten Verbrecher aller Zeiten bis zum gefeierten Helden. Er hat für hunderte arme Menschen, die auf Müllkippen lebten, Wohnungen gebaut. Demgegenüber stehen soo viele Tote und Terror im ganzen Land.
    Unterhaltsame stories gibt es viele. So hat er angeblich der kolumbianischen Regierung folgendes Angebot gemacht: Er zahlt die kompletten Staatsschulden (!!!), wenn Kolumbien kein Gesetz mit den USA zur Auslieferung von Drogenhändlern abschließt. Getreu seinem Prinzip "plata o plomo" (Silber oder Blei) startete er nach der Ablehnung des Angebots einen Krieg gegen den Staat. Er zahlte z.B. ein Kopfgeld in Höhe von mehreren Tausend US-Dollar auf jeden getöteten Polizisten.
    Auch nett: Nach Verhandlungen mit der kolumbianischen Regierung ging Pablo tatsächlich für ca. 1 Jahr ins Gefängnis. Gefängnis ist hier eigentlich der falsche Ausdruck. Er baute das Gebäude selber, brachte seine eigenen Wächter mit und lebte dort weiterhin in Saus und Braus. Das Kartell wurde von ihm weitergeführt, er konnte Besuch empfangen, u.a. Prostituierte. Als er in ein anderes Gefängnis verlegt werden sollte, floh er. Fliehen heißt in diesem Fall: zur Vordertür herausgehen.
    Man kann das alles kaum glauben...

    Themenwechsel
    Die Latinas mit ordentlich Busen und Hintern gibt es tatsächlich vielerorts. Um diesem Ruf gerecht zu werden stehen SchönheitsOPs an der Tagesordnung. Das führt zu Absurditäten wie Brustimplantaten von Papa zum 15. Geburtstag. Ich hab noch nie so viele Dekolletés gesehen, die offensichtlich unnatürlich sind. Auch bei den Hintern wird angeblich gern nachgeholfen. Das ist mir aber nicht aufgefallen, vielleicht weil es nicht so unserem Schönheitsideal entspricht.

    Landschaftlich hat Kolumbien auch viel zu bieten. Kaffeeregionen, Amazonasregenwald, Karibikküste, Pazifikküste,...
    Es ist etwas schade, dass ich nach 3 1/2 Monaten genau mit Ankunft in Kolumbien etwas reisemüde wurde und somit nicht immer allem vor Ort die verdiente Wertschätzung entgegen bringen konnte. Dazu kamen zwischendurch Magen-Darm-Geschichten und Nesselsucht (hatte ich noch nie, kein Plan, auf was mein Körper da reagiert hat).

    Trotzdem hatte ich eine gute Zeit und empfehle Kolumbien uneingeschränkt jedem. Jetzt ist genau die richtige Zeit.

    Und was kommt als nächstes?
    In ein paar Stunden geht es Richtung Heimat. Es war eine grandiose Auszeit! Trotzdem freue ich mich inzwischen auf Alltag, Struktur und Gewohnheit und das ist auch gut so. Und natürlich auf Familie, Freunde und Kollegen!!!
    Wir sehen uns :-)
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