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  • Day 379

    Nepal - ACAP fünfte Etappe

    October 16, 2019 in Nepal ⋅ ☀️ 8 °C

    TAL nach DANAQU (von 1700 auf 2200 Höhenmeter)

    Der Morgen startet direkt am Rand des Tals. Es läuft am Ende wieder spitz zusammen, sodass wir wie gewohnt parallel zum Fluss laufen.
    Was ich bisher nicht erwähnt habe: der komplette Annapurna Trek läuft am Fluss ' Marasyangdi' entlang. Er trennt die massiven Berge voneinander, sodass auf der einen Seite immer die Jeeps ihren Weg erkämpfen und wir auf der anderen Seite unseren Weg an den Klippen finden.
    Oft müssen wir Brücken überqueren und laufen auf der Jeep-Straße. Das macht den Weg etwas mühselig, da durch die Jeeps extrem viel Staub aufgewühlt wird und uns nichts anderes übrig bleibt total vermummt, mit Schal vor dem Mund, unsere Route zu finden.
    Der Weg nach Danaque startet bereits mit einer Herausforderung. Wir müssen einen etwas steileren, schmalen Weg nach unten abfallend antreten. Da auf dem Massiv hier das Wasser von einem Wasserfall rausbricht, ist der komplette Weg nass und mosig. Eine sehr komplizierte Kombination. Moos, Wasser, unebener Weg und Abstieg. Ich trage etwa 8 Kilo und Ralf etwa 15 Kilo. Damit auszurutschen ist keine gute Idee. Also müssen wir uns stark konzentrieren. Ich befolge die wichtigsten Regeln, die Ralf von seinem Vater gelernt hat:
    1. Mit der Spitze auftreten und wenn ich rutsche mit der vollen Fussfläche abbremsen
    2. Die Wanderstöcker dienen als zusätzliche 'Beine'. Von vier Beinen darf immer nur eines in der Luft sein! Die anderen stabilisieren den Abstieg.
    3. Niemals auf Moos oder nasse Blatthaufen treten.
    4. Die Steine mit einem Stock kontrollieren, ob sie lose sind.
    Sobald man das verinnerlicht hat, nimmt man ziemlich schnell an Geschwindigkeit zu. Teilweise springen wir die Wege entlang. Ich liebe es, wenn es technisch anspruchsvoller wird, solange die Höhe nicht noch dazu kommt.
    Mein Adrenalin steigt als wir den Abstieg machen. Für Ralf kein Problem, bei mir spielt die Höhe wieder etwas mit rein. Wir kommen aber gut an der Brücke an und wechseln die Seite zu den Jeeps. Ich gewöhne mich immer mehr an die Brücken. Kontrolliere aber jedes Mal, ob Esel in der Nähe sind. Um die Brücke zu überqueren habe ich einen Trick. Ich singe im Takt, wie die Brücke schwingt: "We will, we will rock you."
    Keine Ahnung warum dieser Song, aber es war der erste der mir in den Sinn kam und so werde ich zu Freddie Mercury und trete jedesmal mit geschwellter Brust und ausgebreiteten Armen auf die Brücke. Wie eine Königin, aber froh, dass mich durch den Wind niemand hört: "We will, we will rock you. Schritt. Schritt. We will, we will rock you. Schritt. Schritt."
    Auf der Seite der Jeeps wartet eine weitere Herausforderung: Etwa 50 Meter der Straße werden überspült von einem Wasserfall. Für die Autos kein Problem, da das Wasser nur etwa 10 Zentimeter hoch ist. Für uns schwierig, weil das Wasser von oben in die Schuhe läuft, auch wenn die Schuhe wasserdicht sind. Einzige Möglichkeit: genau am Rand der Straße mit Blick auf den Fluss und Aussicht auf den stark abfallend Abhang von Stein zu Stein hüpfen. Na klar.
    Ich fluche. Wer denkt sich 'son Scheiß' aus.
    Einmal tief durchgeatmet und mit Laserblick auf die Steinchen gerichtet überquere ich den Wasserfall. Die Frustration ist besonders groß, wenn Ralf mit einem Schritt zum nächsten Stein findet und ich durch meine kürzeren Beine einen zwischen Schritt machen muss. Wer denkt sich son scheiß aus...
    Danach fressen wir Staub und erreichen nach 6km Daraphani. Ich erinnere dich: hierher wollte die junge Inderin von vor zwei Tagen laufen. Jetzt bin ich mir ziemlich sicher, dass sie es nicht geschafft hat. Ihr Schildkröten-Stil war nicht der effektivste.
    In Daraphani zeigen wir beim Checkpoint unsere Wandererlaubnis und machen in einem schönen Homestay&Restaurant eine lange Mittagspause. Es gibt Ingwertee, den ich immer noch literweise trinke und unseren ersten Reis-Pudding. Und er schmeckt großartig. Ähnlich wie Grießbrei mit einer Zimt-Vanille-Note, nur eben aus Reis.
    Von weiten beobachte ich unsere nächste Brücke, die gerade von zehn Esel überquert wird. "Nicht mit mir...", denke ich.
    Wir treten unsere letzten 4 Kilometer an.
    Der Weg verläuft durch ein kleines süßes Dorf. Hier drehe ich das erste Mal an Gebetsmühlen und verliebe mich in das Ritual. Jetzt lösen sich die Hindus durch die Buddhisten ab. Welche immer am Ortseingang und -Ausgang Gebetsmühlen errichtet haben und uns mit heiligen Worten begrüßen und verabschieden. Außerdem ist das Land nun übersät von fluffigen Farn, der sich weich im Wind bewegt. Wir verabschieden die letzte Palme und kaufen die letzten beiden Bananen von einem sehr armen Paar, die direkt an der staubigen Straße in einer Wellblechhütte leben. Sie leben davon Bananen und Äpfel zu verkaufen. Ihr derzeitiger Besitz: 8 Bananen und 6 Äpfel. Sie betteln nicht und sind nicht aufdringlich. Wir reden kurz mit dem Mann, während seine Frau in einer Schüssel ihre Wäsche mit kaltem Flusswasser reinigt. Die Bananen sind köstlich und wir bedanken uns bei den beiden für den schönen Moment und ihre Freundlichkeit.
    Kurz bevor wir Danaque erreichen durchqueren wir noch ein Dorf. Ralf erklärt mir, dass wir hier nicht schlafen sollten, da dieses Dorf in den letzten Jahren oft von Erdrutsche zerstört wurde. Das erklärt warum das Dorf sehr ärmlich wirkt und fast keine Unterkünfte zu finden sind.
    In Danaque landen wir durch eine Empfehlung im Tibitan Guesthouse. Wir bleiben die einzigen Gäste, haben ein tolles Zimmer mit weichen Betten und dürfen am Abend in der Küche essen. Ralf spielt in den letzten Sonnenstrahlen mit dem Sohn der Familie Fussball.
    Jetzt wird es langsam sehr kalt sobald die Sonne untergegangen ist. Bei 8 Grad schlottern Ralf und ich, und wir sind sehr froh, dass wir uns in der Küche am Ofen aufwärmen dürfen. Ich vermute, dass die Hausherrin aus Tibet kommt. Sie hat eine andere Ausstrahlung und ich fühle mich sehr wohl in ihrer Nähe, irgendwie beschützt. Eine ruhige Aura umgibt sie. Und wie sich herausstellt, kann sie unglaublich gut kochen.
    Für einen kurzen Moment sind wir Teil ihrer Familie und ich eine Attraktion durch meine blonden Haare. Keiner versucht zu starren, aber dann können sie nicht anders, während wir unser 'Dhal Bat' verschlingen. Köstlich.
    Und so fallen wir, wie fast jeden Tag um 19 Uhr ins Bett, schlafen um 20 Uhr ein und wachen um 6.30 Uhr am nächsten Morgen in unseren Schlafsäcken und Decken bei aufgehender Sonne auf.
    Heute geht es nach Chame. Es warten 14km auf uns...
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