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  • Day 37

    Es ist Schlachtfest

    March 9, 2019 in Namibia ⋅ ⛅ 28 °C

    Seit dem späten Nachmittag legt sich ein durchdringender, blutiger Geruch über das Haus und den Garten. Ich kann ihn zunächst nicht zuordnen, es passiert ab und an, dass es faulig riecht hier. Aber nicht so langanhaltend und intensiv.
    Mir wird klar, woher der Gestank kommt, als ich den Arbeitsraum betrete: es ist ein Gemisch aus rohem Fleisch, Blut, Gedärmen und Knochen.
    Der am Vortag geschossene Bulle plus eine geschossene Oryxantilope werden gerade in ihre Einzelteile zerlegt.
    Der Raum hat sich in eine hauseigene Schlachterei verwandelt. Auf dem Tisch in der Mitte steht ein Fleischwolf, den Franco und Gerard bedienen. Franco dreht das Fleisch durch die Mühle, Gerard zieht den Darm auf und formt die Würste, die in eine große Kiste fallen. Loïse sortiert etwas, das wie meterlange dünne weiße Fäden aussieht - der Darm für die Würste. Callie steht am Waschbecken, friemelt mit seinen kräftigen Fingern eine Öffnung und pustet Luft in den Darm, um ihn anschließend mit Wasser auszuspülen. Das macht ihn wieder weich und für die Wurstproduktion verwendbar.

    Die Frauen packen kiloweise Gehacktes in Plastikbeutel, alles wird später eingefroren. Die Kinder spielen nebenan, Die Hunde treiben sich herum, in der Hoffnung, dass für sie etwas abfällt. Auf dem Boden verteilen sich Fleischrrste, in den Kisten schwimmen Fett, Blut und Flesichbröckchen. Es ist faszinierend und abstoßend zugleich.

    Die Nachbarn haben sich eingefunden, es fließt natürlich der Alkohol und es wird eine regelrechte Fleischparty gefeiert. Anders, so sagt Loïse, wäre es auch nicht so gut auszuhalten. Ich schaue mir das Treiben zunächst mit ein wenig Abstand an, und esse dabei mit Käse und Gurke belegtes Toast - kein Flesich.

    Kurze Zeit später werden aus den Würsten große Schnecken gerollt und man bittet uns um Hilfe. Es kostet mich ein wenig Überwindung und ich ziehe mir zuerst Schuuhe an, bevor ich mich dazu geselle. Wir rollen die meterlangen Wurstschläuche zu Schnecken auf, schneiden sie ab und verpacken sie ebenfalls zum Einfrieren in Tüten. Aber länger als ne halbe Stunde halte ich nicht durch. Ich fühl mich etwas eklig, weil überall dieser blutige Saft klebt und schon der Geruch so unangenehm ist. Der Bulle alleine würde ja wahrscheinlich noch gut schmecken, aber es muss dieses Oryx sein, dass so einen strengen schafsähnlichen Geschmack hat. Ich probiere ein bißchen von der gegrillten Wurst und stelle fest, dass ich es überhaupt nicht mag.

    Trotz allen Ekels finde ich es gut, was hier passiert. Wer kann schon selber sein eigenes Fleisch und seine eigene Wurst produzieren? Frischer und natürlicher geht es nicht. Und die Leute wachsen hier damit auf, für sie ist es völlig normal. Für uns ist es nur so seltsam, weil uns Flesich nur noch als sauber abgepacktes Brustfilet in der Kühltruhe begegnet. Die ganze Drecksarbeit kriegen wir ja gar nicht mit. Hier wird alles verwertet. Schmeckt mir zwar nicht, aber das Prinzip finde ich gut. Übrigens habe ich neulich dann doch das Lebepäckchen in Magenfett probiert - bäääh!
    Konsistenz geht ja noch, aber der Gechmack... Ich bin allerdings die Einzige, der es hier so geht. Bis auf Clara, die neue Volontärin, sie ist Vegetarierien...
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