Satellite
  • Day 155

    Ein Satz mit X

    July 5, 2019 in Australia ⋅ ⛅ 20 °C

    „If you want to make God laugh, tell him about your plans.“

    Genau so fühle ich mich grade. Pläne machen? Wozu? Es kommt sowieso anders. In den letzten Tagen wurde meine Frustrationstoleranz erheblich auf die Probe gestellt. Ziemlich schnell musste ich ziemlich flexibel handeln. Und Ich wurde zudem wieder einmal unerwartet mit meiner Vergangenheit konfrontiert.

    Aber der Reihe nach. Meinen Camper musste ich bereits letzte Woche in Townsville abgeben. Von dort bin ich mit dem Greyhound Bus die Küste runter bis nach Airlie Beach gefahren. Dort hatte ich ein sehr schönes Hostel und bin ein paar Tage geblieben. Leider hat es nicht wieder geklappt, einen Van zu bekommen und so beschloss ich, bis nach Brisbane zu fliegen. Aus einer Großstadt hat man deutlich bessere Chancen, an die Sonderangebote für Camper heranzukommen.

    Doch Brisbane gefiel mir nicht. Ich fühlte mich nicht wohl, schon bei der Ankunft. Mein Hostel und die Umgebung konnten mich ebenfalls nicht positiv stimmen. Aber als ich mein Zimmer betrat und mich umsah, kroch ein ganz anderes schreckliches Gefühl in mir hoch. Das Zimmer, der Grundriss mit dem engen dunklen Badezimmer, glich ziemlich exakt dem Krankenhauszimmer, in dem ich gelegen hatte. Ich fühlte mich zurückversetzt in diese furchtbare Situation, die Erinnerungen und Gefühle waren plötzlich präsent und ich konnte nicht anders, als in Tränen ausbrechen. So stand ich zum zweiten Mal auf meiner Reise in diesem Land wildfemden Leuten weinend gegenüber, als ich an der Rezeption um ein anderes Zimmer bat. Man zeigte sich kooperativ und bot mir einen Wechsel an - in ein baugleiches Zimmer, bloß ein Stockwerk drunter. Als ich auch das immernoch schluchzend ablehnte, folgte eine Odyssee durch die verschiedenen Zimmertypen im Hostel, eins nicht besser als das andere. Es war mir inzwischen mehr als unangenehm, dass jeder vorbeilaufende natürlich sofort mitbekommen hat, dass ich weinte. Ich fühlte mich ziemlich bloßgestellt und aufgelöst. Als ich im Vorbeigehen dann ein helles, modernes Einzelzimmer sah, habe ich mich entschieden, so eines zu buchen. Das Geld (100$, ich hab es wohl aus Mitleid für 80$ bekommen) war mir in dem Moment egal, ich wollte nur aus dieser Situation raus.

    Mir war nun klar: hier bleibe ich auf keinen Fall länger als nötig. Und nach zwei Telefonaten hatte ich mir tatsächlich für den nächsten Morgen eine Relocation für einen Camper nach Sydney organisiert. Ich konnte mich wieder beruhigen, und bin raus in den nächsten Park zum Sport machen gegangen.

    Am nächsten Morgen stand ich mit Sack und Pack in der Autovermietung, machte die Papiere klar und wollte freudig den Schlüssel entgegennehmen, als sich Mr. Ober- Manager einschaltete und mir beschied, dass man mir das Auto nicht geben könne. Warum? Ich habe meinen deutschen Führerschein nicht dabei, sondern nur den internationalen. Und von dem habe ich zugegebenermaßen auch bloß noch eine zusammengetackerte Kopie (aber immerhin in Farbe!). Wo das Original ist, kann ich leider nicht mehr herausfinden. Da es aber beim ersten Mal so easy geklappt hatte, war ich gar nicht auf die Idee gekommen, dass es dieses Mal anders laufen könne. War aber so. Man müsse sich schließlich an die Regeln halten (Quervermerk zu meinem letzten Post).

    Wie ich da nun saß, mit meinem gepackten Koffer, ohne ein Dach überm Kopf, ohne einen Plan wohin und vor allem wie ich nun weitermachen sollte, war ich schon wieder den Tränen nahe. Sollte denn jetzt alles schiefgehen? Ich packte mein Ipad aus und suchte tatsächlich nach dem nächsten Flug nach Deutschland. Oder Kapstadt. Leider sind derzeit Ferien und Flüge sehr teuer. Mist. Dann kam mir der Gedanke in den Sinn, dass ich so meine Reise nicht beenden will. So nicht. Ich will sie mit was Schönem beenden. Es musste also jetzt sofort was Schönes her. Inzwischen war einige Zeit vergangen und ich hatte eh schon meinen halben Hausstand im angenehm temperierten Wartebereich der Autovermietung ausgebreitet. Ich blätterte im Reiseführer und entschloss mich, nach Byron Bay zu fahren. Irgendwie.

    Gesagt, getan. Busticket gebucht, Uber zum Flughafen bestellt, am Infoschalter nach dem Abfahrtsterminal erkundigt und dann noch zwei Stunden am Flughafen rummgammeln, bis der Bus abfuhr. Die Wartezeit wurde mir unterhaltsam verkürzt von zwei pubertierenden Jungs, die es lustig fanden, sich gegenseitig ins Gesicht zu pupsen.

    Dass sich außer mir keine weiteren Reisenden einfanden, kam mir nicht seltsam vor, bis einige Minuten vor der geplanten Abfahrt. Ich schaute also das erste Mal so richtig gründlich auf mein Ticket und siehe da, ich war am falschen Terminal. Der Bus fuhr am Inlandsterminal ab, ich war allerdings am internationalen. Wieder zurück am Infoschalter war die nette Dame, die mir die falsche Auskunft gegeben hatte, natürlich nicht mehr da. Zwar telefonierte ihr Kollege dem Bus noch nach, aber keine Chance. Eigentlich wollte ich auf der Stelle in einen Wutanfall ausbrechen, doch dazu war keine Zeit. Wieder ein Uber bestellt, die ganze Strecke vom morgen zurück in die Stadt und zum Busbahnhof, wo ich letztlich dann den Anschlussbus erwischen konnte. Halleluhjah. Ich war fertig mit den Nerven. Nicht nur, dass gefühlt alles schiefgelaufen war, ich hatte auch noch ein Heidengeld für sinnloses Hin- und Herfahren und für ein teures EZ gelatzt. Mein Tag war sowas von gelaufen.

    Im Bus habe ich einen Reisenden aus Paderborn getroffen. Der berichtete, dass er seinen Laptop im Hostel hat liegen lassen und das erst nach einer Stunde Fahrt gemerkt habe. Er musste dann wieder zurück und war nun das zweite Mal auf dem Weg Richtung Byron Bay. Außerdem wurden ihm schon seine beiden Kreditkarten geklaut. Ich habe mich bei ihm bedankt, dafür, dass ich nun zumindest nicht mehr das Gefühl hatte, nur ich würde in die Sch... greifen. Wie heißt es doch? Geteiltes Leid ist halbes Leid. Und ich werde mich von jetzt an hüten, irgendwem von meinen Plänen zu erzählen.
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