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  • Day 6

    Paracas

    November 7, 2016 in Peru ⋅ 🌙 19 °C

    Am Sonntag sind wir dann nach Paracas aufgebrochen. Berühmt ist die die kleine Küstenstadt zum einen für seinen Artenreichtum im Nationalpark und die Paracas-Kultur, die weit vor den Inkas existierte. Typisch für diese Kultur waren länglich verformte Schädel, bei denen man annimmt, dass sie teilweise durch die Verformung im Kindesalter durch Abbinden geformt wurden und eine Art sozialen Status ausdrücken. Spannenderweise schien es aber auch natürliche längliche Schädel bei dieser Kulturgruppe zu geben, da ein entsprechend geformter Fötus in einer weiblichen Mumie gefunden wurde. Wir waren allerdings hauptsächlich für den Nationalpark dort. Er umfast sowohl einen Landabschnitt, als auch einen Seeabschnitt mit großen daraufliegenden Inseln.

    Die Fahrt von Lima aus lief ohne größere Probleme. Wir haben den Bus genommen, da das Zugnetz in Peru kaum ausgebaut ist. Dafür verfügen die meisten besseren Busgesellschaften über einen VIP-Bereich, den wir auch gleich ausprobiert haben. Ähnlich der Business-Class in einem Flugzeit hat man einen gigantischen Sitz und einen eigenen kleinen Bildschirm mit Unterhaltungsprogramm vor sich. Auch wird während der Fahrt eine Mahlzeit serviert.

    Verlässt man Lima, wird einem nochmal bewusst, dass man sich eigentlich permanent in einer Wüste beweget. Die Orte zwischen Lima und Paracas scheinen teilweise verlassen und verfügen offenbar kaum über eine angemessene Infrastruktur. Die Landflucht ist auch in Peru ein großes Problem, so dass es vielerorts halbfertige Häuser oder Wohnanlagen gibt, die aussehen, als befänden sie sich noch im Bau, von denen aber keines mehr eine Zukunft zu haben scheint. Bei unserem Spanienaufenthalt vor einigen Wochen haben wir vergleichbares gesehen. Hinzu kommt eben die sehr trockene und lebensfeindliche Wüste, die einen umgibt. Auch Paracas ist kein schöner Ort zum Leben, zumindest nicht aus unserer Perspektive. Die Straßen sind kaum befestigt und die Häuser sind zum Teil nur einfache Wellblechhütten. Unser Hostel hat mit einem Stadtblick geworben, der, wie sich herausstellte, ein Blick auf eine Art Slum oder zumindest eine sehr arme Gegend ist. Im Gegensatz zu dieser ungastlichen Atmosphäre, sind die Menschen, die wir in Paracas getroffen haben sehr zuvorkommend und zugewandt. An unserem ersten Abend aßen wir mit ein paar Schweden und einem Schweizer, der, wie sich herausstellte, noch ein paar weitere Tage mit uns verbringen sollte. Silke und ich hatten eine Palta Rellena, bei der man das Fleisch weggelassen hat, eine Avocado, die normalerweise mit einer Mischung aus Mayonaise, Erbsen, Mais, Limettensaft, Karotten und Huhn gefüllt wird. Ich hatte mir ja im Vorfeld etwas sorgen um die Nahrungssituation hier gemacht, bin bis jetzt aber sehr glücklich über das Angebot und die Flexibilität unserer Gastgeber. Wir hatten noch am Morgen einen Quinoasalat gemacht und einige Eier gekocht, um etwas in der Hinterhand zu heben, falls man für meine, zugegebenermaßen sehr speziellen, Ernährungsgewohnheiten keine Gerichte finden würde. Zuerst wollte ich daher nichts essen, weil ich unseren Salat nicht verderben lassen wollte. Silke hat dann aber ihr Gericht ganz brüderlich mit mir geteilt...

    Am nächsten Morgen sind wir mit einem Touristenboot rausgefahren, um den Nationalpark zu erkunden. Als ersten machten wir beim „Candelabro“ halt, einer großen Zeichnung in der Form eines Kerzenhalters in der windabgewandten Seite eines Felsens. Weder die genaue Bedeutung der Zeichnung, noch ihr exaktes Entstehungsdatum sind bekannt. Sie wird jedoch von vielen Quellen der Paracas-Kultur zugeschrieben, was sie auf eine Zeit vor Christus datieren würde. Eine andere Theorie bringt sie mit dem Freimauertum in Verbindung, was ihre Anfertigung deutlich nach Christus verlagern würde. Die Linien sind nur zwei Fuß tief und lediglich die Tatsache, dass der Wind immer aus der selben Richtung kommt und es in der Wüstenregion so gut wie nie regnet, konnten ihn für die Nachwelt erhalten. Schon während der Fahrt dorthin vielen uns die vielen Vögel auf, es müssen Hunderte gewesen sein, die über dem Meer zu sehen waren. Einige von ihnen, wir vermuten, dass es sich bei ihnen um Tölpel handelte, schossen aus großer mit dem Kopf voran ins Wasser, um einen erspähten Fisch zu ergattern. Nach dem Candelabro sahen wir noch dutzende weitere Vogelarten: Pelikane, Reiher, Kraniche und die kleinen Humboldpinguine, die nördlichste Pinguinfamilie überhaupt. Auf die Küste bei Paracas trifft der Humboldstrom, was zu verhältnismäßig kaltem Wasser führt und ihnen ein Leben nur wenige Breitengrade unterhalb des Äquators erst ermöglicht. Die Sonne steht hier am Mittag so zentral über einem, dass der eigene Schatten fast senkrecht auf den Boden geworfen wird und nicht mehr ist, als eine von oben gestauchte Version des eigenen Körper. Bei den Humboldpingunen gab es im Zoo am Meer übrigens die ganz witzige Begebenheit, dass sich kein nennenswerter Zuchterfolg einstellen, weil ein großer Teil der Männchen untereinander homosexuelle Beziehungen eingegangen ist. Diese blieben auch bestehen, nachdem man weitere Weibchen beschafft hatte.
    All die Vögel produzieren unmengen an Ausscheidungen, die einen enormes Potential als Dünger haben. Alle 8 Jahre, kommen Bergarbeiter für 3 Monate auf die Inseln und bauen das Guano ab. Diverse Krankonstruktionen und Gerüstanlagen (die natürlich auch mit Guano bedeckt sind), zeugen von dieser Tradition. Bei der Abbau soll sich eine metertiefe Schicht gebildet haben.

    Neben den Vögeln und ihren Ausscheidungen war das wohl spektakulärste an der Bootsfahrt die Beobachtung der Seelöwen. In einer kleinen Grotte lagen sie in großer Zahl neben,-, über- und untereinander. Ab und zu reckte ein bulliges Seelöwenmännchen im Kreise seiner Damenhorde den Kopf heraus und stieß einen Schrei aus. Die Männchen haben einen haarbesetzten dicken Hals, der als Schutz gegen die Bisse anderer Männchen beim Rivalenkampf dient und aufgrund seiner Form zur Namensgebung beigetragen hat.

    Nach der Bootsfahrt sind wir noch mit dem Bus in den Landabschnitt des Nationalparks gefahren. Neben kleineren Geiern mit rotem Halsgefieder, konnten wir dabei Flamingos beobachten und uns die Steilküste anschauen mit dem vom Eisenoxid rotgefäbrten Strand anschauen.
    Wir wussten im Vorfeld, dass die Tour eine lange Pause bei einem "Vertragsrestaurant" machen würde, und kalkulierten das mit ein. Die Schweden und Michael, unser Mitreisender aus der Schweiz waren zwar etwas genervt davon, nutzten die Zeit aber für ein Bad im Meer. Bei dieser Gelegenheit schaarte sich ein Haufen peruanischer Kinder um den blonden und recht hellhäutigen Michael und pendelte dabei zwischen Neckereien wegen seiner Blässe und aufrichtiger Begeisterung von ihm.

    Wir hatten usprünglich nicht vor nach Nasca zu weiterzureisen, sondern es zu überspringen und direkt nach Arequipa durchzufahren. Da man, um die berühmten Nasca-Linien, sehen zu können, einen Rundflug buchen musste und wir das Geld dafür nicht ausgeben wollte, erschien uns der Ort nicht so recht einladend, zumal wir nach Paracas nicht nochmal in eine ungastliche Wüstenstadt wollten. Da Michael aber einen Zwischenhalt dort einplante und wir die recht lange Fahrt so etwas stückeln konnten, haben wir uns dazu entschieden, dort doch einen Stop einzulegen...
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