Satellite
  • Day 8

    Nasca

    November 9, 2016 in Peru ⋅ ⛅ 8 °C

    Wir sind also am nächsten Tag mit Michael nach Nasca gefahren. Nasca ist weltberühmt für die sogenannten „Nasca-Lines“ - Große, in den Wüstenboden gearbeiteten Linien, die bestimmte Formen, etwa die von Tieren, ergeben. Angefertigt wurden sie von der Nasca-Kultur, die -ähnlich der Paracas-Kultur- schon vor den Inka existierte. Sie sind UNESCO-Weltkulturerbe und wurden maßgeblich durch eine deutsche Auswanderin berühmt gemacht.

    Unser Bus hatte Verspätung, was hier allerdings sehr gleichmütig aufgenommen wird. Bei der Gelegenheit erfuhr ich von Michael, der ebenfalls sehr gleichmütig war, dass den Schweizer Bahnen eine enorme Pünktlichkeit nachgesagt wird, außerdem hat er uns seinen Pass gezeigt. Er ist natürlich rot und trägt das weiße Kreuz der Schweiz, von innen aber, ist er mit bunten Bildern der einzelnen Kantone bedruckt. Deutlich schöner als der EU-Pass, wie wir fanden.

    Wir saßen diesesmal nicht im VIP-Abteil. Die einzelnen kleinen Bildschirme sind im oberen Busbereich durch große Bildschirme, die von der Decke hängen ersetzt. Wir sahen mehre Filme auf Spanisch, die in einer Höllenlautstärke abgespielt wurden. Der wohl verrückteste von ihnen war „Sneezing Baby Panda“ (https://www.youtube.com/watch?v=TJm9Q7ksohg), dessen Trailer ich hier nochmal ausdrücklich empfehlen möchte. Wohlgemerkt, nur den Trailer, nicht den Film.

    Die Fahrt führte uns im Verlauf durch das chaotische Ica, das in der Nähe von Sanddünen liegt und daher von vielen jungen Backpackern zum Sandboarding angefahren wird. Wir waren ganz froh, das übersprungen zu haben, als wir die Verkehrlage vor Ort hautnah mitbekamen. 6 Meter breite Straßen werden hier vierspurig befahren. In einer besonders engen Straße stand auf einmal ein anderer Reisebus vor uns. Beide Busse hupten sich eine Weile an, während ihre Fahrer wild gestikulierten, bis sie beide auf die Bürgersteige auswichen. Dabei krazten die Äste der Bäume auf unserem Dach, wie Fingernägel auf einer Schultafel.

    Ich glaube, dass ich inzwischen etwas von dem Hup-System der Peruaner durchschaut habe. Es ist sogar ein recht ausgefeiltes Kommunikationssystem. Verändert werden immer die Intensität des einzelnen Hupens, dessen Länge und die Frequenz der Abfolge. Taxis hupen Fußgänger kurz aber kräftig an, um sie zu fragen, ob sie mitfahren wollen. Will man ein Auto überholen wird kurz und verhältnismäßig sanft gehupt, woraufhin der Vordermann den Blinker nach Links setzt, um dem Überholwunsch statt zu geben. Langes oder hektisches Hupen entspricht, wie bei uns, einem Fluchen auf andere Verkehrsteilnehmer.

    Wir fuhren die ganze Zeit auf der Panamerikana, die mit einer unterbrechung bei Panama, den gesamten amerikanischen Kontinent durchzieht. Da die Nasca-Linien so ausnehmend groß sind, dass man sie nur aus der Luft erkennen kann, wurde die Panamerikana quer durch sie hindurch gebaut. Dass man die Lininen nur aus der Luft sehen konnte, war für uns auch der Grund, dass wir erst nicht nach Nasca reisen wollten, da wir keine Lust hatten viel Geld für einen Rundflug zu bezahlen, bei dem im Schnitt 50 % der Passagiere schlecht wird, weil die Piloten über den Figuren Achten drehen, während das Flugzeug auf der Seite liegt. Wir entdeckten allerdings am Abend ein kleines Planetarium, dass genau in dem Hotel aufgebaut war, dass Maria Reichel, eben jener deutschen Auswanderin, die letzten Lebensjahre als Heim gedient hat. Bezahlt hat sie für ihr Zimmer nichts und nach ihrem Tode wurde es dauerhaft versiegelt. Sie kam ursprünglich als Botschaftsangehörige nach Peru und war studierte Mathematikerin. Als sie die Linien entdeckte, begann eine lebenslang währende Obsession. Sie zeltete über Monate in der Wüste und reinigte die nur wenige Zentimeter tiefen Linien mit Schaufel und Kehrblech. Sie entwickelte Theorien über astronomische Konstellationen und die Linienführung und brachte die Linien so zu Weltruhm. Trotz der Tatsache, dass sie ein offenbar sehr entbehrungsreiches Leben geführt hat, wurde Maria Reichel 95 Jahre alt. Noch mit über 50 Jahren soll sie angeblich das Peruanische Militär dazu überrdet haben, sich an die Kufen eines Hubschraubers binden lassen zu dürfen, damit sie die Linien aus der Luft besser erkennen konnte. Bis sie 70 war lebte sie in einem Zimmer in der Wüste, nahe bei ihren Linien. Das Gratishotelzimmer, indem sie die letzten 25 Lebensjahre verbracht hatte, erhielt sie wohl aufgrund der Tatsache, dass sie in Nasca wie eine Heilige verehrt wird. Nasca ist deutlich schöner als Paracas, was wohl maßgeblich mit dem Tourismus zusammenhängt, den es ohne die Linien nicht geben würde.

    Bei der Planetariumsshow wurden uns unter anderem die Theorien Maria Reichels vorgestellt. Die wohl eingängigste ist die, dass viele der Bilder so ausgerichtet sind, dass die Sonne an bestimmten Tagen, zum Beispiel der Sommersonnenwende, genau über ihrer Grundlinie aufgeht. Auch die Ausrichtung nach Sternenbildern will sie erkannt haben.

    Am nächsten Tag machten wir eine Tour mit einem roten Stahlrohrbuggy, der uns zu einigen interessanten Punkten in der Nähe von Nasca und am Ende auch nochmal in die Sandwüste bringen sollte. Das Motto des Tourbetreibers, eines wirklich netten Mannes namens Eduardo war „Nasca is more than enigmatic lines“, was ungemein passend war. Viele Reisende lassen Nasca wegen der selben Vorurteile, die wir hatten aus. Wir aber, würden jederzeit nochmal herkommen.

    Zuerst brachte er uns an eines der Aquädukte der Nasca-Kultur. Verschlungenen Stufengebilden, die manchmal wirbelartig und manchmal in Form von Terassen in die Erde führten. Nascar war schon immer trocken. In den letzten 3 Jahren hat es hier kein einziges Mal geregnet. Die Idee der Aquädukte war eine Kombination aus der Schaffung eines Gefäßes, falls es doch einmal regnen sollte und einem Weg an mögliches Grundwasser heranzukommen. Ganz in der Nähe fuhren wir an riesigen Kaktusfeldern vorbei. Eduardo erklärte uns, dass es dabei weniger um die die Kakteen, als um die auf ihnen lebenden Schildläuse ginge. Aus Schildläusen wird der Farbstoff Karmin gewonnen, der früher auch in Campari drin war.
    Kurz danach erreichten wir die Nasca-Pyramiden in Cahuáchi, die vermutlich zur lobpreisung der Götter angefertigt wurden. Sie sind etwa 500 Jahre vor unserer Zeitechnung entstanden und sind zum Teil bis heute, trotz der Tatsache, dass sie nur aus luftgetrockneten Lehmziegeln erbaut wurden, erhalten. Ähnlich wie bei dem Candelabro in Paracas und den Nascalinien liegt dies an der Tatsache, dass Regen hier kaum eine Rolle spielt und ein nachhaltiges Aufweichen der Ziegel kaum möglich ist. Auch waren hier große unterirdische Kühlkammern für Nahrungsmittel angelegt, aus denen, so glaubt man, die Priester immer dann, wenn die Bevölkerung hungerte, Lebensmittel freigab.
    Unsere letzte Station vor den Sanddünen führte uns zu einem Nasca-Friedhof, von dem wir glauben, dass er für uns Touristen nochmal hübsch zurechtgemacht wurde. Die Nasca haben ihre Toten die Organe entnommen, sie dann in einer fetalen Haltung zusammengebunden und mit Blick auf die aufgehende Sonne in die Wüste gesetzt. Dies führte zunächst zu einer Mumifizierung und über einen längeren Zeitraum dann auch zu einer teilweisen Skelettierung. Um die Toten herum wurden Tongefäße verstreut, die die Nasca bei allen ihren Ritualen verwendeten. So zum Beispiel wurden auch Unmengen von Scherben auf dne Linien selbst gefunden, von denen man annimmst, dass sie auch aus rituellen Gründen entstanden seien. Da man für die Arbeit mit Ton unweigerlich auch Wasser braucht, wird deutlich, welchen hohen Stellenwert diese Rituale gehabt haben müssen. Ansonsten würde es wohl kaum sinnhaft erscheinen, diese mit wertvollem Wasser angefertigten Gefäße in der Wüste zurückzulassen oder sie auf den Linien zu zerschlagen.
    Ganz am Ende der Tour erreichten wir die Sanddünen. Bevor wir mit dem Buggy in sie Hineinfuhren, ließ Eduardo einen Teil der Luft aus den Reifen, damit die Bodenhaftung verbessert wurde. Die Fahrt in der Wüste selbst ist ziemlich schwer zu beschreiben. Es ist ein bisschen, wie Karusselfahren. Eduardo fuhr die Dünen im ersten oder zweiten Gang hoch, nur um auf ihrem Scheitelpunkt nach vorne zu kippen und in eine Mischung aus herunterfahren und herunterstürzen zu verfallen. Nach einer Weile hielt er auf einer besonders hohen Düne an und holte die Sandboards heraus, mit denen wir dann, ähnlich wie mit Snowboards die Abhänge hinunterfahren konnten. Noch Tage später sollten wir Sandreste in unserer Kleidung und sonst überall finden.

    Kurz bevor es Dunkel wurde, traten wir den Rückweg an. Dabei sahen wir als letzten Eindruck aus der Sandwüste einen streunenden Hund, der uns neugierig beäugte.
    Auf der Fahrt nach zurück ging die Sonne dann endgültig unter, so dass Eduardo den Wagen, im Dunkeln etwa eine halbe Stunde durch die Wüste (die Sandwüste ist von einer Kieswüste umgeben) in Richtung der Hauptstraße steuerte.

    Am Abend sind wir dann nocheinmal mit Michael essen gewesen und haben uns dann von ihm verabschiedet, da wir den Nachtbus nach Arequipa nehmen wollten. Vorher allerdings fiel uns noch auf, wie schön der Plaza de Armas in Nasca am Abend ist. Alles scheint auf den Beinen. Eltern sind mit ihren Kindern hier, ein Salsalehrer übt mir einer Gruppe kleiner Mädchen tanzen und von überall her kommt Essensgeruch...
    Read more