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  • Day 11

    Colca Valley

    November 12, 2016 in Peru ⋅ ☀️ 18 °C

    Während wir morgens auf den Bus zur Colca-Tour warten, unterhielte wir uns wieder mit dem netten Abuelo. Aktuell haben wir das Gefühl seine Lieblingsgäste zu sein, zumindest aber verwendet er viel Zeit auf uns. Die Tochter des Hauses kann uns aus irgendeinem Grunde nicht leiden. Sie hat bisher kein wirkliches Wort mit uns gesprochen und ignoriert uns gekonnt.

    Der Bus kommt mit etwas Verspätung, dafür sind wir fast die letzten Passagiere. Touren laufen hier zumeist so, dass der genutzte Bus in der Stadt herumfährt und alle Teilnehmer bei ihren Hotels einsammelt. Entgegen unseren Erwartungen waren neben uns nur vier andere ausländische Touristen dabei, der Rest waren Einheimische. Ähnlich, wie wir es schon in den anderen Städten beobachtet haben, ist der Stadtrand von Arequipa eher heruntergekommen.

    Um das Colca-Tal zu erreichen, muss man zunächst über die es einfassenden Gebirgsketten fahren und aufgrund des besonderen Schutzstatus der Region eine Touristengebür entrichten. Bereits kurz nach dieser Bezahlgrenze, sahen wir die ersten Vicuñas, die mit den Kamelen verwand sind. Erst ab 3200 Metern Höhe wächst das in den Anden häufig vorkommende Ichu, eine Grassorte, die den Meschen geerntet als Heu oder als Dachbelag und vielen Tieren als Nahrung dient. Ich schätze also, dass wir die ersten Vicuñas in 3500 Metern Höhe beobachten konnten. Die Tiere sind sehr scheu und können nur aus der Ferne beobachtet werdem. Im Gegensatz zu den domestizierten Alpacas und Lamas leben sie und ihre Verwandten, die Guanakos fast ausschließlich in freier Wildbahn. Dieser 4 Tiere bilden die Gruppe der Neuweltkamele. Im Gegensatz zu ihren Verwandten sind die Vicuñas klein und haben sehr kurzes Haar. Sie erinnern an Rehe mit langen Hälsen. Schon die Incas nutzen ihre Wolle, die heute einen Kilopreis von mehreren hundert Euro hat. Ein paar Socken aus ihr kosten etwa 500 Euro, Mäntel können bis zum 15.000 Euro kosten. Dies liegt daran, dass man sie nur alle zwei Jahren schären kann und von jedem Vicuña nur etwa 150 g Wolle verwendet werden können. Die feinen Haare sind die dünnsten Säugetierhaare, nur Seide und Muschelseide ist dünner. Die Inca wussten, dass die Tiere in einem sensiblen Gleichgewicht mit der Natur leben und fingen sie lediglich für das Scheren ein, um sie danach wieder in die freie Wildbahn zu entlassen. Die Spanier waren da, ganz im Sinne des kirchlichen Gedankens, die Erde sei Untertan des Menschens, deutlich rabiater und dezimierten den Vicuña-Bestand durch Jagt und Vergiftung erheblich. Auch heute gelten die eleganten Tiere noch als bedroht und werden daher, ähnlich der Vorgehensweise der Incas, nur zu Wollgewinnung eingefangen und danach wieder frei gelassen.

    Kurz darauf sahen wir die ersten Alpacas, genügsame und gemütliche Hauslamas, die hier, ähnlich wie Schafe in Europa, zur Wollgewinnung enthalten werden. Alpacas sind so sehr in sich ruhende Tiere, dass sie liegend oder langsam unhertrottend und mit gleichmütigen Kaubewegungen alle touristischen Fotosafaris über sich ergehen lassen. Ihre Hirten nutzen dies als zusätzliche erwerbsquelle. Wer ein Foto möchte, muss zahlen.

    Unser nächster Halt war eine Gaststätte auf etwa 4000 Metern Höhe. Man riet uns hier zur Bekämpfung der Höhenauswirkungen dazu einen Becher "mate de coca", einen Aufgruss auf Kokablättern zu trinken. Die andinen Völker nutzen den Cocastrauch, der in Europa hauptsächlich, wegen des aus ihm, durch komplizierte chemische Prozesse, hergestellten Kokains bekannt ist, schon seit Jahrhunderten als Heilpflanze zur Schmerzstillung und zur Abmilderung der Höhenkrankheit, die hier „Sorochi“ genannt wird. Die Blätter werden entweder als Tee aufgekocht oder mit einem Katalysator aus der Asche des Quinoastrauches zusammen gekaut. Im Vorfeld habe ich mich, aus professionellem Interesse heraus etwas informiert. Das in den Blättern enthaltene Kokain ist so gering, dass für einen Rausch, der eine Bedingung für eine Suchtentwicklung ist, eine gigantische Anzahl an Blättern genutzt werden müsste. Es ist kaum mölich, soviel Tee zu trinken, um dieses Maß zu erreichen. Wie aber, ist es beim Kauen von Kokablättern mit einem Katalysator. Hier ist es sogar noch ein wenig spannender. Das Kokain wird durch die Asche, die mit Zucker gesüßt ist, in das nicht suchterregende Ecgonin umgewandelt. Vor dem Hintergrund dieses Wissens, haben wir das Angebot eines Tees natürlich gerne angenommen. Er schmeckt etwas wie Brenesseltee oder grüner Tee und ist auch in etwa so anregend, wie eine Tasse Kaffee.
    Der Präsident von Bolivien, Evo Morales, der erste indigene Landesführer Südamerikas, der einst selbst Kokabauer war, setzt sich seit jeher für die Anerkennung des Kokastrauches als kulturelles Erbe der Anden ein. Als der Papst La Paz im Jahr 2015 besuchte, verkündete Evo Morales, dass er mit Sicherheit Kokablätter kauen würde, um gegen die Höhenbeschwerden anzugehen. Franziskus, der einen bekannten Lungenschaden hat, trank tatsächlich einen Kokatee, bevor er in etwa 4.000 Metern gelandet ist. Bei seinem Besuch entstand dieses Bild:
    http://bilder1.n-tv.de/img/incoming/origs154743…
    Es zeigt Papst Franziskus, von der Höhe sichtlich mitgenommen, nebem Morales, der ihm einen kleinen Beutel mit Kokablättern um den Hals gehängt hat.

    Ähnlich wie der Papst, merkte auch ich, trotz des angepriesenen Getränks, die Höhe ziemlich deutlich als wir den höchsten Punkt unserer Reise auf 4.900 Metern erreichten. Die Luft war so dünn, dass man nach nur wenigen Schritten kurzatmig wurde. Eine beeindruckende Erfahrung. Auch ein wenig Kopfschmerz, der leitsymptomatisch für die Höhenkrankheit ist, stelle sich ein. Alles in allem haben wir den Ausflug aber beide gut vertragen. Etwas erfreut war ich darüber, dass auch die einheimische Bevölkerung nicht ganz unbeeindruckt vom abnehmenden Luftdruck geblieben war.

    Unser nächster Halt war Chivay, das als Hauptstadt des Colca-Tals gilt. Hier wollten wir uns am nächsten auf dem Rückweg auch absetzen lassen, um weiter nach Cusco fahren zu können. Wir planten dafür einfach eine weitere Nacht in dem abgenutzt wirkenden Ort ein. Wir checkten kurz in unserem Hotel ein und fuhren dann weiter zu den heißen Quellen. Dort gab es auch eine schöne hölzerne Hängebrücke, über einen Fluss, die nach einem Indiana-Jones-Film aussah. Rund um Arequipa und das Colca-Tal liegen eine Vielzahl an Vulkanen, unter anderem der, auf dem Juanita gefunden wurde, von deinen einige noch aktiv sind und so die heißen Quellen speisen. Die Becken lagen draußen und verfügten über einen Heiß- und einen Kaltwasserzufluss, der in den Stein getrieben wurde. Die Umkleidekabinen waren kleine Holzverschläge, die neben den Becken aufgebaut waren.
    Die aktiven Vulkane sind auch der Grund, warum viele Orte im Colca-Tal so kaputt aussehen. Ihre seismische Aktivität verursacht in regelmäßigen Abständen Erdbeben. Auch akuell steigt Rauch aus dem Sabancaya auf, was die einheimische Bevölkerung sehr in Sorge versetzt. Uns hat etwas beruhigt, dass unser Hotel über Erdbeben-Zonen verfügte, in denen die Gebäudestatik besonders belastbar ist. Normalerweise gilt bei Erdbeben ja der Grundsatz, dass man sich in einen Türrahmen stelle solle, diese sind hier aber nicht alle so vertrauenserweckend, wie in Altbremerhäusern.

    Noch während wir badeten, kam unser Guide auf uns zu, und erzählte uns, dass der Bus, den wir eigentlich am Montag von Chivay nach Cusco nehmen wollten, nicht fahren würde. Er wäre grade von der Travelagency über die wir gebucht hatten agerufen worden. Das war ziemlich schade. Wir hatten uns darauf gefreut, einen Tagesbus nehmen zu können, um die Landschaft beobachten zu können, zumal Colca schon ein ganzes Stück in Richtung Cusca lag. Wir baten ihn infolgedessen darum, unser altes Hostel in Arequipa anzurufen und zu fragen, ob wir am nächsten Tag nochmal dort übernachten konnten.

    Als wir am Abend bei der Folkloreshow ankamen, stellen wir fest, dass neben uns nur noch zwei weitere Ausländer vor Ort waren, die wir zudem noch nichteinmal kannten. Die anderen vier von unserer Tour hatten sich wohl gedrückt.

    Eine Band, bewaffnet mit einer großen Trommel, Panflöten und Gitarren spielte andine Musik und eine Folkloregruppe zeigte dazu traditionelle Tänze. Die Perunaner waren allesamt begeistert, klatschten im Takt mit, was als von der Gruppe mit dem Schlachtruf „las palmas“ auch aktiv eingefordert wurde, „palmar“ sind dabei die Handinnenflächen.

    Der eindeutig merkwürdigste Tanz war eine Art Verfürungsspiel. Es tanzten immer drei Jungs und drei Mädchen. Zunächst umkreisten sie sich, während die Jungs mit einem Apfel vor den Gesichtern der Mädchen herumwedelten. Sie trugen dabei seltsame sturmhaubenartige bunte Masken aus Wolle (https://thumbs.dreamstime.com/x/woven-mask-mark…). Kurz darauf schubsten sie die Mädchen zu Boden, die sich auf den Rücken legten und mit wackelden Beinen ausharrten. Die Jungs nahmen darufhin dicke Stricke aus Wolle, die sie zunächst wie offene Krawatten um ihre Hälse gehängt hatten und schlugen damit die Mädchen auf ihre Körper. Sehr zum Missfallen des Publikums, insbesondere der anwesenden Frauen, die die Jungs lautstark ausbuhten. Evelin, eine Mitreisende aus Lima, erklärte uns, dass sie wohl früher eine traditionelle Art der Betrafung gewesen sei. In modernen Zeiten aber, schein auch hier Gleichberechtigung eingekehrt zu sein. Die Jungs halfen den Mädchen hoch, die daraufhin den Apfel und die Wollpeitsche an sich nahmen, nur um kurz darauf die Jungs auf den Boden zu schubsen und sie ihrerseits mit Schlägen zu bedenken. Das Publikum war hier eindeutig auf Seiten der Mädchen. Nach jedem Schlag wurde „uno más“, „einer mehr“, eingefordert.

    Auch mussten wir das ein oder andere Mal mittanzen. Vermutlich um das Trinkgeld nicht zu schmälern, wurde aber auf Gerwalt gegen uns verzichtet...
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