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  • Day 61

    Otres

    May 9, 2017 in Cambodia ⋅ 🌧 2 °C

    Für unsere letzten Tage in Kambodscha hatten wir uns überlegt ans Meer zu fahren und zu entspannen. Wir hatten alles geschafft, was wir uns vorgenommen hatten und mehr als genug Zeit zur Verfügung um, so dekadent das klingt, Urlaub vom Reisen zu machen.

    Unsere Wahl fiel dabei auf den kleinen Ort Otres ganz in der Nähe von Sihanoukville. Otres besteht nur aus ein paar Straßen, voll mit kleineren Restaurants, Wäschereien, kleinen Geschäften und Hotels. Viele (temporäre) Aussteiger eröffnen hier ihre Läden, um eine Zeit in Kambodscha zu leben. Wir freuten uns also auf westliches Essen, ein paar Ausflüge und die Zeit am Strand.
    Wir checkten in ein Hotel ein, in dessen Mitte ein Garten lag, der von den einzelnen Zimmern rumgeben wurde. Etwas einsichtig, aber gemütlich und gut um dort ein paar Tage zu verbringen.
    Geführt wurde es von einer sympathischen Truppe von Italienern.

    Bis auf einen Spaziergang, um die Gegend zu erkunden, machten wir am ersten Abend nicht viel. Ich nutzte den Abend um ein paar liegen gebliebene Sachen zu erledigen, las und ging spät ins Bett. Um kurz vor 4 in der Nacht rüttelte Silke auf einmal an meiner Schulter. Ich schaute sie verschlafen und irritiert an. Sie deutete auf einen Mann. Ein schmächtiger Asiate, der vor unseren Bett stand und uns erschrocken anschaute. Ich hob meine Faust und schrie ihn an. In meiner erinnerung haben die Worte Sinn gemacht. Silke hat mir später erzählt, dass es für sie nur zusammenhangslos geklungen hat. Es war aber laut gewesen und tief. Der Man faltete die Hände vor seiner Brust und verbeugte sich hektisch, murmaelte mehrfach „Sorry, sorry...“, nur um dann die Hände zur Beschwichtigung nach Vorne zu strecken und „sleep, sleep!“ zu sagen. Dann ging er raus.
    Wir schauten uns an, waren perplex. Der Asiate hatte ein weißes Hemd angehabt und ich war zunächst der festen Überzeugung, dass er zum Hotel gehört haben muss. Ich stellte mir vor, dass er uns über irgendwas habe benachtichtigen wollen. Über ein Feuer oder ein Unwetter.
    Das das nur wenig Sinn machte, wurde zunehmend klarer. Er hatte uns ja vor nichts gewarnt, war schrocken, dass wir ihn bemerkt hatten und dann ohne Erklärung herausgegangen. Ich zog mich an, und ging in den Garten. War er ein Dieb wollte ich hinter ihm her, war er vom Hotel wollte ich ihn zur Rede stellen. Da war aber niemand.
    Zurück im Zimmer erzählte Silke mir, dass sie die Schiebetür gehört habe und den Mann dann in eine Ecke des Zimmers habe gehen sehen. Dort habe er nach etwas gesucht. War er wirlich ein Dieb, war er kein guter. Das was er durchsucht hatte, war die Regenhülle eines unserer Rucksäcke. Auf dem Weg dorthin war er an meinem Notebook, meinem Handy und meiner Kreditkarte vorbeigelaufen. Da wir nicht so recht wussten, was wir jetzt tun sollten, gingen wir wieder schlafen. Ich überprüfte vorher nochmal, ob die Tür fest verschlossen war und wickelte meinen Gürtel von innen um die Handgriffe.
    Am Morgen dann sind wir zur Rezeption und haben von unserem nächtlichen Besucher berichtet. Er hat uns zuerst gar nicht verstanden, so absurd erschien ihm die Situation. Dann versprach er uns, die Kamerabilder auszuwerten. Unterdessen machten wir uns auf die Suche nach einem neuen Hotel. Vermutlich konnten die Betreiber von unserem gar nichts für die Situation. Ich ging davon aus, dass ich die Tür zwar versucht hatte abzuschließen, das Schloss aber nicht komplett eingeschnappt war und der Asiate gehörte definitiv nicht zu den Angestellten. Das hatte uns der Besitzer versichert. Nach unserer Rückkehr zeigte uns der Besitzer die Videos auf seinem Computer. Der Asiate war gegen halb 4 in den Garten des Hotels gekommen und hatte an allen Türen gezogen, um zu prüfen, ob sie verschlossen waren. Bei unserer hatte er Glück. Er steckte kurz seinen Kopf hinein, ging dann nochmal in den Garten, legte seine Jacke und seinen Rucksack ab, und öffnete dann unsere Tür. Ein paar Augenblicke später kam er wieder raus, schloss die Tür vorsichtig mit beiden Händen, nahm seine Sachen und ging durch den Garten. Erst vor dem Hotel begann er zu rennen. Für uns war die Sache damit gegessen. Offensichtlich wirklich ein Dieb, geklaut hatte er nichts und wir würden von nun an doppelt prüfen, ob alles verschlossen war. Der Besitzer aber ließ es damit nicht auf sich bewenden und sagte nur, gewürzt mit seinen spitzen italienischen Akzent: „Don‘t worry. We take care of it.“

    Den Nachmittag verbrachten wir am Strand. Das Wasser war nicht ganz durchsichtig, aber blau und so warm, wie in einer Badewanne. Nur ab und zu spürte man eine kalte Strömung an den Beinen. Ich las weiter am inzwischen dritten Band der Expanse Reihe. Silke las ein Buch über Dr. Siri, einen fiktiven laotischen Rechtsmediziner, der von den Kommunisten von seiner Pension abgehalten wurde, weil sie keinen Ersatz für ihn hatten. Sie verschlingt die Bücher genauso wie ich meine.
    Am Abend machten wir uns grade fertig, um etwas Essen zu gehen – wir hatten ein tschechisches Restaurant entdeckt- als es an unserer Tür klopfte. Einer der Besitzer stand davon und sagte uns, dass sie den Einbrecher gefunden hätten. Wir waren mindestens genauso irritiert, wie in der Nacht, als plötzlich ein Asiate in unserem Zimmer gestanden hatte und gingen hinaus in den Garten.
    Dort saß, wie ein häufchen Elend „unser“ Asiate auf einer Bank. Um ihn herum die Besitzer. Silke fratgte einen von ihnen, wie sie ihn gefunden hatten. Er verdrehte nur die Augen, wirkte ehrlich schockiert und sagte: „Don‘t ask...“
    Zwei der Besitzer redeten auf den Mann ein, der sie eindeutig nicht verstand. Nur das Wort „police“ muss ihm ein Begriff gewesen sein, hier hob er abwehrend seine Hände. Einer der Italiener fragte ihn dann noch, ob er ins Gefängnis will und machte vor, wie die Wachen dort mit einem Stab durch die Gitterstäbe stoßen würde und fragte: „Do you want prison? Do you want bamboo stick?“
    Offenbar war es ihr Plan ihn etwas einzuschüchtern. Darin waren sie gut, das musste man ihnen lassen. Trotzdem schien der Mann in Ordnung zu sein. Kein Blut, keine Verletzungen, keine zerknitterte Kleidung. Wir waren also beruhigt und gingen nicht davon aus, dasis die Italiener ihm mehr antun würden, als ihn in Schrecken zu versetzen.
    Der Besitzer vom Morgen sagte und noch: „I told you we‘ll take car of it. I don‘t want such things in my borders.“

    Wir gingen zu Abendessen, ganz überwältigt, dass wir offenbar bei der Mafia gelandet waren. Bei näherer Betrachtung lebten in Otres wirklich viele Italiener. Mindestens 5 Restaurants, mehrere Hotels und ein paar Reiseveranstalter waren da. Auf dem Weg zum Restaurant trafen wir ein paar Hamburger, mit denen wir in Laos kurz zusammen auf einem Boot gewesen waren. Wir unterhielten uns ein wenig und tranken etwas mit ihnen. Natürlich nicht ohne ihnen unsere neue Geschichte zu erzählen.

    Die weiteren Tage in Otres waren weniger aufregend. Fast jeden Tag gewitterte es. Große tropische Gewitter, die manchmal soweit weg waren das man keinen Regen hatte und keinen Donner hörte. Nur die Blitze kamen hinter aufgetürmten Wolken hervor. Wir blieben bis auf einen Tag vom Regen verschont und waren fast jeden Tag im Meer. Samstags trafen wir uns nochmal mit den Hamburgern zum Nachtmarkt. Der Markt findet nur einmal in der Woche statt und ist neben der Mittwochs stattfindenden Party eines der sozialen Happenings im Ort. Besucht werden beide Verstaltungen wohl wenig wenig von Kambodschanern. In der Regel sind dort Touristen und „Aussteiger“.
    Mir wurde erzählt, dass die Partys am Mittwoch, die im Dschungel stattfinden und bei denen Techno gespielt wird, hauptsächlich ein Vorwand sind, um Drogen zu nehmen. Mein Gegenüber wirkte ehrlich schockiert, als sie mir erzählte, dass sie mehrere Personen gesehen hat, die Krampfanfälle hatten. Ein junges Mädchen soll sogar auf eine Art Krankenstation gebracht worden sein. Da man dort aber nichts für sie tun konnte, hat man sie zurück ins Hotel gebracht und dort in der Hoffnung, dass alles gut werden würde, auf eine Couch gelegt.
    Der Markt war viel gemütlicher. Überall Essenstände, die von den Besitzern der Restaurants betrieben wurden. Eine Liveband spielte und wir unterhielten uns.
    Ich lernte von einem der Hambuger etwas über‘s Schornsteinfegen und Silke lästerte mit einer Sozialarbeiterin über die Batikhemden der Hippiemädchen.

    Am vorletzten Tag in Otres haben wir noch einen Ausflug gemacht. Eigentlich wollten wir noch einen weiteren machen, um uns lumineszierendes Plankton anzuschauen. Hier kamen uns aber immer wieder die abendlichen Gewitter in die Quere.
    Unser Ausflug ging zu den etwas Außerhalb gelegenen Inseln Koh Rong und Koh Rong Saloem. Dort war das Wasser wirklich kristallklar und es kam eine richtiges Südseeparadiesgefühl auf. Unser Boot war weniger gemütlich. Wir hatten in Ermangelung einer besseren Alternative das „Happy Boat“ gebucht. Der Name war Programm. Inklusive einer kleinen Schaumparty kurz vor Ende des Trips. Wir konnten uns da aber sehr entspannt raushalten.
    Der Boot war voller Asiaten, hauptsächlich Chinesen, lauten betrunkenen Chinesen. Dazwischen ein paar laute betrunkene Engländer in Neonklamotten und überdimensionalen Goldkettchen, die ihr Bier tranken, indem sie die Dose seitlich anstachen und sie auf ex leerten. Der Bierverschluss wurde dann abgerissen und wir ein Orden an die Kette gehängt. Die Chinesen waren begeistert und beschränkten sich zunächst nur auf‘s Zuschauen und Handyvideos machen. Später, als die Stimmung lockerer geworden war, nahmen einige Unterricht im Dosenstechen bei den Engländern.
    Wir haben den Tag mit humor genommen und waren am Ende trotzdem allem erstaunlich entspannt und ausgeruht.

    Morgen fahren wir ein weiteres Mal nach Phnom Penh. Am Samstag geht es dann nach Hause...
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