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  • Day 14

    Mit Händen und Füssen

    April 18, 2019 in Spain ⋅ ☁️ 14 °C

    Der Tag startete heute sehr früh. 6 Uhr aufstehen, packen, Müsliriegel rein und um 6.30 Uhr Abmarsch. Zusammen mit Val lief ich durch die noch dunkle Stadt Llanes. Der Mond schien hell und war riesig am Horizont sichtbar. Wunderschön. Bald kamen wir wieder an die Küste, welche auch heute wieder einfach nur schön war. Der Himmel war heute bedeckt, was zur Abwechslung auch mal ganz angenehm war. Da wir so früh starteten waren leider noch alle Cafés geschlossen und wir mussten weiter und weiter laufen. Meine Motivation begann langsam zu sinken. Plötzlich traf ich auf einen älteren spanischen Pilger: Juan. Der konnte mir meinen Wunsch wohl von den Augen ablesen. Auch wenn ich nicht jedes Wort verstanden habe, habe ich doch erstaunlich viel das Wort "café" aus seinen Sätzen herausgehört. Ich habe meinen ganzen spanischen Wortschatz ausgepackt und "Si! Si! Si!" gerufen! Wir sind dann zusammen an eine Autobahnraststätte mit einem erstaunlich hübschen Café gegangen und haben dort endlich unseren Kaffee erhalten. Da dies abseits des Caminos war, mussten wir danach wieder den richtigen Weg suchen. Dies gestaltete sich schwieriger als angenommen. Der Weg, den wir nahmen, verlief einfach ins Nichts. Plötzlich standen wir inmitten einer Kuhherde. Um die Wiese herum gab es nur noch dichtes Gestrüpp, wo wir nicht durchkamen. Wir haben uns dann schliesslich gegenseitig geholfen, über eine Friedhofsmauer zu klettern und landeten dann endlich wieder auf einer Strasse. Juan liess sich von alldem nicht beeindrucken. Er redete weiter munter auf mich ein in Spanisch. Ich habe erstaunlich viel verstanden. Mehr als "Si" konnte ich aber leider nicht antworten. Aber wir haben uns irgendwie trotzdem gut unterhalten. Mit Händen und Füssen. Sicher eine Stunde sind wir so nebeneinander hergegangen. Juans Lebensfreude hat mich begeistert. Bei einer schönen Blume wurde angehalten. Jeder Autofahrer wurde gegrüsst. Und mit jedem Fussgänger ein kleines Schwätzchen gehalten.

    Diese Freude an den kleinen Dingen wirkt ansteckend. Ich will mir auch wieder mehr Zeit für solche Dinge nehmen. Der heutige Lifestyle, wo immer alles schneller, höher, weiter sein muss, findet man auch auf dem Camino. Immer noch einen Kilometer mehr, noch ein Dorf weiter, noch eine Stunde länger wandern. Hauptsache möglichst schnell am Ziel. Auch ich bemerke dieses Denken bei mir selber, aber ich hoffe, das ein bisschen abstellen zu können. Ich kann mir ja schliesslich alle Zeit der Welt lassen und Natur und Leute in vollen Zügen geniessen. Ich werde noch bis Gijon mit meiner Gruppe mitziehen (falls es meine Blasen erlauben). Dann fliegt Ronny wieder nach Hause und ab dann werde wohl auch ich mich ein bisschen von der Gruppe absetzen. Nicht dass ich das will, im Gegenteil, es bricht mir das Herz, meine Gruppe ziehen zu lassen, aber ich bemerke, wie es immer mehr zum Camino unserer Gruppe wird und nicht mehr wirklich mein Camino ist. Heute Nachmittag bin ich mit Elena gewandert und sie hat mir genau das gleiche erzählt. Auch sie will ab Gijon einen Gang runter schalten. Dann werde ich immerhin sie vermutlich ab und zu noch treffen. Val und Stefan machen mir auf Dauer zu weite Distanzen, die beiden werde ich wohl oder übel wohl ziehen lassen müssen. Aber so ist das wohl auf dem Camino wie auch im echten Leben. Leute kommen und gehen. Die wirklich wichtigen jedoch werden bleiben, egal ob sie jetzt gerade mit dir wandern oder nicht.
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