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  • Day 29

    Santiago de Compostela

    May 3, 2019 in Spain ⋅ ☀️ 15 °C

    Der Zieleinlauf. 27 km waren es noch bis nach Santiago de Compostela. Ein unbeschreibliches Gefühl.

    Am Morgen des 2. Mais frühstückte ich noch in der Bar neben der Herberge und kurz vor 8 Uhr lief ich dann los. Die ersten paar Kilometer war ich noch alleine, weil wir normalerweise nicht an den typischen Etappenenden übernachten. Das änderte sich aber leider sehr bald. Von allen Richtungen bogen immer mehr und mehr Pilger auf den Camino ein und liefen mit mir mit. Irgendwann wurde es ein richtiger Strom. Ein Pilger nach dem anderen, nur wenige Meter Abstand.
    Horror!
    Bald schaltete ich meine Musik ein, anders war es nicht auszuhalten. Nur so schaffte ich es, ein bisschen von dem ganzen Trubel Abstand zu gewinnen und in Ruhe nochmals meinen Camino im Kopf durchleben zu können.
    Nach 12 km machte ich die letzte Pause, die nächsten 15 km wurden am Stück durchgezogen. Geplant waren eigentlich mehr Pausen, aber ich wollte einfach nur noch möglichst schnell ankommen, möglichst schnell aus diesem Wahnsinn raus. Ich wurde immer schneller. Ich rannte schon fast. Überholte einen Pilger nach dem anderen. "Gring abe u seckle" war alles, was ich noch dachte. Nicht unbedingt die Einstellung, die man sich für den Einlauf in Santiago wünscht.
    Auf dem Weg sah man alle Arten von "Pilger". Pilger in Lederleggings, in Flip Flops, mit Kinderwagen, im Rollstuhl, mit Parfümfahne und Handtasche. Es gibt nichts, das es nicht gibt. Pilger mit grossen Rucksäcken, durchgelatschten Schuhen und ein wenig eigenem Laufstil, wie man sie von den letzten paar hundert Kilometern kannte, sieht man hier nur wenige.
    Nach dem letzten steilen Anstieg ging es endlich bergab und von da an wusste ich, dass es nicht mehr weit sein kann. Bald schon erreichte ich den Stadtrand. Mittlerweile tat mir auch alles weh. 27 km mit nur einer 20 Minuten Pause machen sich bemerkbar. Anhalten will man jetzt aber auch nicht mehr. Wie im Tunnel laufe ich und laufe ich immer weiter in die Stadt hinein. Etwa 500 Meter vor dem Ziel an der Kathedrale kommen mir erste Plätze und Cafés wieder bekannt vor vom letzten Camino. Das war der Moment, in dem es mich überkam und bei mir die Tränen liefen. Ich dachte nochmals an all die wunderschönen Momente der letzten Wochen, die atemberaubenden Landschaften und die unglaublich tollen Leute, die ich alle kennengelernt habe. Ich glaube es waren Freudentränen, aus Dankbarkeit für das Erlebte. Und vielleicht auch ein bisschen aus Traurigkeit, dass es jetzt aufs Ende zugeht.
    Als ich dann um 13:30 Uhr auf den Platz vor der Kathedrale kam, dachte ich an gar nichts mehr. Ich sah meine Leute, setzte mich einfach nur noch hin, war glücklich und müde. Elena, Fabio, Nino und Federico waren da. Val kam später auch noch dazu.
    Die Italiener mussten sich noch eine Herberge suchen, deshalb ging ich mit Elena und Val erstmal noch was essen. Ich hatte einen Mordshunger!
    Nachdem Elena und ich unser Doppelzimmer in einer Pension bezogen hatten, trafen wir Valerie wieder beim Friseur und liessen es uns da gut gehen. Am Abend gingen wir nochmals etwas essen, und kurz darauf ins Bett.

    Am nächsten Morgen schliefen wir schön aus. Elena machte dann am Morgen unsere Wäsche und ich holte meine Pilgerurkunde ab. Danach frühstückten wir gemütlich in einem Café. Wir teilten uns dann auf, sodass jeder seine Sachen erledigen konnte. Ich kleidete mich mit neuen, leichteren Schuhen und weniger warmen Kleidern ein für die nächsten 1000 km auf der Via de la Plata und schickte ein Paket nach Hause mit 4.5 kg Ware drin. Ca. 1.5-2kg davon waren meine alten Schuhe, aber der Rest war Ausrüstung aus dem Rucksack! Das heisst, ich trage jetzt vermutlich nur noch ca. 8kg Gepäck auf meinem Rücken. Wahnsinn!
    Am Abend gingen wir wieder miteinander Essen. Nico aus Bayern, den ich in der letzten Herberge vor Santiago kennengelernt und zufällig in Santiago wiedergetroffen habe, kam ebenfalls mit. Veronica, eine Polin die mit Val unterwegs war, begleitete uns ebenfalls zusammen mit ihrem Freund Guille, der ein waschechter Santiagoaner ist. Dieser zeigte uns die besten Plätze abseits der Touristenströme, was genial war!
    Später trafen wir uns noch mit den jungen Spaniern auf ein Bier, die ihrerseits mit einer Truppe von Pilgern unterwegs waren. Und wer war da dabei? Martin aus Uruguay, den ich das letze Mal an meinem dritten Wandertag gesehen habe. Unglaublich! Das sind die Camino Wunder!
    Um 1 Uhr gingen wir dann zurück in die Pension und mussten uns leider endgültig von Valerie verabschieden. Sie fliegt am 6. Mai weiter nach Rom und bleibt bis dahin in Santiago. Elena und ich werden uns am nächsten Morgen aufmachen Richtung Finisterre.
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