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  • Day 89

    Zwischen Kitsch und Kaufwut

    November 23, 2018 in Canada ⋅ 0 °C

    In Amerika ist er seit mehr als sechs Jahrzehnten Tradition, und auch in Europa mogelt er sich langsam über die Ladentheke: der Black Friday. Der Tag, an dem in den USA die Weihnachtssaison beginnt und die Kaufhäuser mit Rabatten locken. 
    Der Tag, an dem jeder Konsumwütige zum Football-Quarterback wird, um die besten Schnäppchen am Wühltisch zu annektieren.

    Der Tag, an dem Menschen ihre Verwandten, mit denen sie am Tag zuvor noch zu Thanksgiving am Truthahn geknabbert haben, niedertrampeln würden, um einen Reiskocher zum halben Preis zu ergattern. 

    Da Tims und mein Carepaket aus der Heimat mit den Skisachen seit Wochen irgendwo im kanadischen Poststreik feststeckt, haben auch wir uns früh aus dem Bett gepellt, um im Outdoorladen unseres Vertrauens die Kreditkarte zu überziehen. Und während man sich durch die Rabatte buddelt, ertappt man sich plötzlich selbst dabei, wie man Dinge in den Händen hält, die man nur braucht, weil sie 30% reduziert sind. Aber am besten gleich ganz viel davon. Unsere Schnäppcheneuphorie stand allerdings unter begrenzter Zeit, da ich selbst zur Frühschicht in meine Einzelhandelshölle musste. 

    Es ist auf jeden Fall eine Erfahrung, diesen Tag auch mal von der anderen Seite des Tresens zu beobachten. Vor allem eine Erfahrung für Rücken und Beine, die die Treppe zum Lagerraum hoch und runter flitzen, um die Regallücken wieder zu stopfen. 

    Abends wollten wir dann noch ein bisschen Ho-ho-ho-Stimmung auf dem Weihnachtsmarkt erhaschen. Die Stände mit Rentierkissen, Seife und viel buntem Blingbling kamen uns zwar einerseits ziemlich vertraut vor, andererseits fühlt sich so ein Weihnachtsmarkt ohne Glühwein und Kräppelchen doch irgendwie unvollständig an.
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