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  • Day 121

    Cheesus!

    December 25, 2018 in Canada ⋅ ☀️ -8 °C

    Hohoho... Weihnachten! 
    Während Tim das letzte Fensterchen des Adventskalenders als morgendliche Stärkung für den Hang verputzt und ich mich noch ein halbes Mal umdrehe, klopft eine E-Mail an: "Ihre Päckchen sind da". Nach 6 Wochen haben es meine Ski-Schuhe doch noch nach Banff geschafft. Und auch das heimatliche Weihnachtspaket wurde noch rechtzeitig durch den Post-Kamin geschoben. 

    Aber dessen Inhalt musste noch ein paar Stunden warten, denn die Knechtschaft ruft. Die Läden in Banff haben in der Regel 364 Tage im Jahr geöffnet. Nur der 25.12. ist frei. 

    Und so stürzen sich auch in Kanada verzweifelte Söhne und Ehemänner in die Geschäfte, um auf den letzten Drücker am 24. noch schnell ein Geschenk für Mutti zu finden. Offensichtlich eine grenzübergreifende Tradition. Nichtsdestotrotz sind die Kanadier beim last-minute-Geschenke-Hamstern um einiges entspannter als die Deutschen. Eine Familie aus Ontario meinte, dass sie ihre Geschenke prinzipiell erst am 24. kaufen. Das gehört bei ihnen zur Weihnachtsvorbereitung wie Baum schmücken und Truthahn stopfen... 

    Als dann auch das letzte Badesalz vom Regal geschnappt, die letzte Schleife geschnürt und der Stress verdaut war, konnten wir uns auch endlich in unserer Weihnachtsstimmung suhlen. Und das Päckchen aus der Heimat auffetzen: 10(!) Kilo Schokolade, inklusive heimischem Stollen. Hmmm... Her mit dem Winterspeck.

    Für den Weihnachtsabend haben wir darauf verzichtet, den Esstisch mit Gepflogenheiten von zu Hause zu decken. Dafür haben wir dieses Jahr Familie gegen Freunde und die Kartoffelsalat-und-Würstchen-Orgie gegen Käse, Wein und Brettspiele eingetauscht.

    Neugierde und Gewohnheit haben uns später auch zur Weihnachtsmesse in die Kirche getrieben. Hier gibt es am 24. allerdings nur eine Mitternachtsmesse. Was für eine unchristliche Zeit. Besonders, wenn das Käse-Cracker-Koma sich schon breit macht. In unserer Festtagsdekadenz haben wir uns daher ein Taxi gegönnt. 

    Verfrüht deutsch konnten wir mit unseren Alibi-Christen Beth und Marie einen Platz in der gut vorgewärmten Kirche ergattern. Neben der Heizung, die für muckelige Temperaturen sorgte, war auch die eigentliche Atmosphäre viel weniger steif, als wir es von zu Hause gewohnt sind. Statt Monolog gab es zur Begrüßung einen Dialog, bei dem auch die Internationalität und der Status Banffs als Reisemetropole nicht vergessen wurde. Neben ein paar vereinzelten Einheimischen waren unter anderem auch Gäste aus Brasilien, USA, Indien, Polen und der Schweiz da. Statt Orgel gab es eine Harfe, statt Krippenspiel wurde ein symbolischer Plaste-Jesus vom Pfarrer in die Krippe gelegt, statt primär trockener Predigt wurden Weihnachtsmedleys geschmettert. 

    Nach gut einer Stunde, bei der wir uns bei jedem Lied aus einer Schicht unserer Zwiebelverpackung gepellt haben und die Weihrauch geschwängerte Luft uns dann doch das ein oder andere Gähnen entlockt hat, konnte sich jeder noch mal fix segnen lassen und eine Oblate einsammeln. Und weil Gott alle seine Kinder liebt, gibt es die auch extra glutenfrei. 

    Nach einer ausgedehnten Mütze Schlaf wurden dann am 25. früh - ganz kanadisch - unsere Socken geplündert. 
    Ursprünglich haben wir uns die Idee ganz hübsch vorgestellt: beide Strümpfe als super Weihnachtsdekoration für unsere karge Wand. Außerdem wird aufgrund des überschaubaren Maßes sichergestellt, dass man sich nicht im Weihnachtsgeschenkekaufrausch verliert. Muss ja zum Schluss wieder alles in unsere Rucksäcke passen. Also dieses Jahr vielleicht doch lieber auf Sandwichmaker und  Nussknacker in Yoda-Form verzichten und auf kleine Nettig- und Nützlichkeit beschränken. Das war zumindest der Plan. Die Realität war nicht ganz so rational. Die Socke ist für große Geschenke zu klein und für Kleine zu groß. Mit Quetschen, Stopfen und ein bisschen Fluchen hat dann aber doch (fast) alles rein gepasst. Auch wenn die Socken jetzt an der ein oder anderen Stelle etwas grobmaschiger sind...

    Nach einem gediegen gemütlichen Frühstück wurde anschließen das letzte der drei großen Ski-Gebiete in Banff erpistelt, Mount Norquay. Zwischen Elfen, Rentieren und Kamikaze-Weihnachtsmänner sind wir über die sehr steilen und sehrsehr eisigen Pisten gerutscht. 

    Den restlichen Tag haben wir in plüschigen Socken ausklingen lassen. 

    Dieses Weihnachten war anders. Schön und anders. Aber auch wenn man sonst unter dem Feiertagsfuttermarathon ächzt und bereits nach der ersten Mahlzeit seine Füße nicht mehr erspäht - Weihnachten ohne Familie ist doch nicht dasselbe. Und darum freuen wir uns auf nächstes Jahr auch wieder auf die heimische Mast. 🙂
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