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  • Day 144

    Ein 25-Stunden-Tag

    January 17, 2019 in the United States ⋅ 🌧 1 °C

    5:32 Uhr klingelt der Wecker, um uns aus dem Bett und auf den Highway zu peitschen. 

    Tim wuselt wacker los, ich brauche noch ein, zwei Umdrehungen, bevor ich bereit bin, mich den -20°C zu stellen. Fleißtier Tim hat am Tag zuvor schon unsere Tasche gepackt und Toni für unseren kurzen Abstecher in die Staaten wieder roadtriptauglich gemacht: Schlafsack, Gaskocher, obligatorische Notfallklorolle - wir sind bereit. 

    Gähnend und gediegen rollen wir also in Tims ersten Ausflug in die USA, um die biometrischen Daten für sein Working-Holiday-Visum einzusammeln, das als nachträgliches Geburtstagsgeschenk in seinem Postfach gelandet ist. Und weil Kanada das zwar seit Ende 2018 von seinen Bewerbenden verlangt, selbst aber keine öffentliche Einrichtung zum Erknipsen dieser Daten hat, bleibt uns nur dieser willkommene 1200 km-Schlenker in die USA. 

    Um den stundenlang vernachlässigten Frühstücksbauch gnädig zu stimmen, machen wir auf halber Strecke einen kurzen Schnabbulier-Stopp bei Denny's. Einer klassisch-klischeehaften Imbisskette, in der man 24 Stunden am Tag dem amerikanischen 50er-Jahre-Diner-Flair frönen und auf seinem Ledersitz an einem übereiswürfelten Getränk schlürfen kann. 

    Auf der trostlosen Suche nach etwas Vegetarischem in der Karte nimmt Tims Speichelfluss beim Anblick von Chicken Wings, Nachos und Co. um 10 Uhr morgens akut zu. Letztendlich wird es dann aber doch nur ein Omelett. 

    Mit gut geffettetem Magen geht es weiter Richtung Grenze. Die passieren wir mit zwei Touristenvisa und einer Lektion über Güter, die man in die USA einführen darf. Unsere Orangen, Paprika, Reis, Tomaten und Weintrauben gehören offensichtlich nicht dazu. Laut dem Grenzbeamten/ "Agriculture Specialist" Fox wird unser Kühlschrankinhaltsschmuggelversuch vorsorglich einbehalten und auf potenzielle Keime, Larven und Bakterien untersucht. Wir vermuten eher, dass die Kollegen einfach mal wieder Lust auf einen gesunden Snack hatten. 

    Mit feinstem amerikanischen Radio-Country ging es durch Idaho eine Zeitzone weiter und somit eine Stunde zurück nach Washington. Nein, nicht die Stadt. Der Staat. Und damit wir unterwegs nicht vergessen, wo wir sind, wehten uns alle 256 Meter einfamilienhausgroße US-Flaggen von Autohäusern, Fast-Food-Ketten oder kargen Landflächen entgegen. 

    Während wir durch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten fahren, war uns nach etwas typisch Amerikanischem. Bullen reiten. Burger essen. Waffenshops.

    Geschafft davon haben wir in Spokane nichts. Aber immerhin hatte Tim innerhalb einer halben Stunde seine biometrischen Daten überraschend problemfrei im Rucksack. 

    Anschließend sind wir noch ein bisschen durch die Straßen geschlendert. Auf den ersten Blick eine recht unbeeindruckende Stadt. Industriepaläste neben riesigen Malls neben Bankgebäuden. Konsumkonsumkonsum. Außerdem hatte Spokane noch einen heimwehweckenden Plattenbau sowie eine fragwürdige Gondel zu bieten, in der sich eine Strecke von überschaubaren 25 Metern über den stadteigenen Damm zurücklegen ließ (den man übrigens auch schwindelfrei auf dem parallel dazu verlaufenden Fußweg entlang schlendern konnte).

    Auf den zweiten Blick hatte die Stadt dann doch etwas versteckten Charme. Mit dem opulenten amerikanischen Baustil, der viel auf Glas, Rundungen und hier und da ein bisschen Dekadenz setzt. Und durch den man sich immer wie in einem 90er-Jahre-Hollywood-Film fühlt. 

    Aber auch Wikipedia hatte in seinem Artikel zu Spokane nichts Sehenswertes mehr zu bieten (außer der Rubrik "Söhne und Töchter der Stadt". Denn offenbar ist das größte Sternchen der Stadt ein Pornostar). Also haben wir darauf verzichtet, noch einen weiteren Tag in Spokane zu verbringen. Leider wurde aber auch nichts aus dem ursprünglichen Plan, auf unserem Rückweg noch ein oder zwei Skigebiete anzurollen, da es sich auf der Fahrt eine Erkältung in mir bequem gemacht hat. 

    Also ist Tim die gesamte Strecke wieder zurück gehetzt, damit ich im heimischen Bett meinen Schüttelfrost ausschwitzen kann.
    Ein Träumchen von einem Mann. 😌
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