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  • Day 374

    Der Apfel, der niemals schläft.

    September 4, 2019 in the United States ⋅ ⛅ 26 °C

    New York begrüßt uns mit einem nächtlichen Hupkonzert und dem Geruch von abgestandenem Urin. Der unverkennbare Großstadtcharme. Nach einer Katzenwäsche im Central Park legen wir uns in Tonis Bett. Auf dem Bauch. Damit der durch 11 Stunden Fahrt plattgesessene Po wieder in Form kommt. New York wird völlig zu Recht die Stadt, die niemals schläft genannt. Hier leuchtet auch zwei Uhr nachts noch jedes dritte Fenster. Wir schlummern in einer Seitenstraße der Fifth Avenue und genießen die Ruhe der reichen Leute. 

    Da unser Schlafplatz zentraler nicht sein kann, beginnen wir den nächsten Tag mit gemütlichem Schlendern durch den Central Park. Tim schlürft seinen Kaffee und wir beobachten die Hochhäuser, die kolossal zwischen den Baumwipfeln hervor ragen und genießen die Menschen. 

    Die Stadt und die Vielfalt seiner Bewohner zieht uns sofort in ihren Bann. New York ist es egal, ob Du im Ballkleid durch den Central Park schwebst oder in alufolieähnlichen Jogginghosen über den Times Square. Die Stadt ist ein Paradies für Exzentriker, Mauerblumen und alles dazwischen. Eine Stadt, in der man sich voll und ganz ausleben kann. Aber auch eine Stadt, in der es sich schnell aneinander vorbei leben lässt.

    Wir lassen uns bei Regen durch die Straßen spülen und genießen die Metropole. Denn New York hat diese Bezeichnung wirklich verdient. Die Stadt hört nicht auf, überzuquillen. Weder in ihrer Dichte an Menschen, noch Gebäuden, Geräuschen oder Eindrücken. Am wenigsten auf dem Times Square, auf dem wir abends sitzen und unsere Reize von einer Welle an überdimensionalen, blinkenden Bildschirmen überfluten lassen. Der Times Square fühlt sich an, als würde man auf 50 Kanälen gleichzeitig Werbung schauen. In einem Wohnzimmer, in dem noch Tausend andere Menschen sitzen. 

    Am nächsten Tag lacht uns die Sonne wach. Wir lassen uns mit einer Touristentraube zum 9/11 Memorial treiben. Ein nicht nur architektonisch überwältigender Ort, sondern auch einer, der viele Emotionen ausstrahlt. Da, wo einst die beiden Türme des World Trade Centers standen, stehen jetzt zwei riesige Brunnen als Sinnbild des Fehlens. Die Grundrisse der Brunnen sind in ihrer Größe derer der beiden Türme nachempfunden. Am Rand sind die fast 3.000 Namen der hier bei den Anschlägen ums Leben gekommenen Frauen, Männer, Kinder und ungeborenen Kinder eingraviert. Der Ort macht die Bilder von damals aus dem Fernsehen schmerzhaft greifbar.
    Für einige bietet er aber auch einfach nur eine hervorragende Hashtagmöglichkeit. 

    Wir fahren das One World Trade Center, den höchsten Wolkenkratzer der USA nach oben und kriegen das volle Entertainment-Programm. Videos, eine interaktive Fahrstuhlfahrt, noch ein Film, bevor sich dramatisch die Leinwand hebt und man einen ersten Blick auf New York von oben erhascht. Wir sind noch gar nicht beim ersten h eines ehrfürchtig gehauchten "Ooohhh..."s angekommen, da wird man auch schon weiter in den nächsten Raum geschoben und durch alle Souvenir Shops gelockt, bevor man dann tatsächlich den Ausblick erreicht hat. Aber was für ein Ausblick. Der lässt das opulente Rahmenprogramm gleich verdauen. New York von oben ist wie ein endloses Wimmelbild. Überall rollt und dreht und weht und bewegt sich etwas. Jeder Wolkenkratzer versucht, den neben sich zu übertrumpfen. Und trotzdem wirken sie aus der 101. Etage und 400 m Höhe wie Legosteine. 

    Nach dem Ausblick aus der Luft betrachten wir New York noch mal vom Wasser aus und fahren mit der Fähre nach Staten Island und wieder zurück, um die Freiheitsstatue und den Blick auf New Yorks Skyline zu genießen. Und auch von hier entdecken wir immer wieder Neues, was sich aus der Stadt erhebt. 

    New York ist ein einziges großes Kunstwerk. Jede Straße, jede Ecke hat so viel Schönes und Prächtiges an Architektur und Lebensgeschichten zu bieten. Es sind nicht nur ein paar Dinge, die an einer Hand abzuzählen sind und das Ganze so besonders machen. Sondern schlichtweg alles. Von dieser Stadt geht eine faszinierende Mischung aus: Neu und Alt, Arm und Reich, Grün und Grau. 

    Wieder an Land trödeln wir über die Brooklyn Bridge, weichen von den Touristen frustrierten Radfahrern aus und schlagen in Richtung Chinatown und Little Italy ein. Bei reichlich Pasta, teurem Fusel und einem Kellner, der auf der Straße Frank Sinatras "New York, New York" schmettert, kommen wir ins Gespräch mit unseren Sitznachbarn. Man versteht sich. Man trinkt ein Schnäpschen. Man rückt die Tische zusammen. Und der Abend nimmt einen unerwarteten und schönen Abzweig. Unsere Bekanntschaft Jof und Román sind beide Regisseure. Jof ist für Baywatch und David Hasselhoffs Slowmotion-Sprint am Strand sowie den ein oder anderen Hit mit Arnold Schwarzenegger verantwortlich. Zu Románs Repartoire zählen hauptsächlich Independent-Filme und ein Flop mit Audrey Tautou. Die beiden sind ein wunderbar widersprüchliches Gespann. Román als sehr emotionaler und spiritueller Mensch. Jof als der eher gesetzte und sarkastische Typ. Beide absolut liebenswert. Wir verirren uns zu viert in eine Bar über die Dächer New Yorks, schlürfen Cocktails und leben das Klischee. Und es fühlt sich nicht mal schräg an.
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